Hoffenheim gegen Dortmund: "Immer einen Stresspegel wie ein Pilot bei der Notlandung"

Julian Nagelsmann und sein TSG-Team fiebern dem Spitzenspiel gegen Borussia Dortmund entgegen.

14.12.2016 UPDATE: 15.12.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 42 Sekunden

Hinter seinem Einsatz steht ein Fragezeichen: "Hoffes" Regisseur Sebastian Rudy tut die Rippe weh. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Zuzenhausen. Es ist auffällig, dass Hoffenheims jugendlicher Trainer Julian Nagelsmann (29) vor den Auseinandersetzungen gegen den FC Bayern München oder Borussia Dortmund besonders gut aufgelegt ist - und rhetorisch alles aus sich herausholt. Nagelsmann mag die Doppelpässe mit den Medien ganz gerne und er hat es, auch dank eines professionellen Coaches, sukzessive gelernt, die Bedürfnisse der Öffentlichkeit zu befriedigen.

Seit Wochen ist der TSG-Cheftrainer terminlich ausgebucht, zumal ihn das Ausland in zunehmendem Maße zu entdecken scheint. "Ich habe gleich ein BBC-Interview", ließ er am gestrigen Mittwoch bei der Pressekonferenz en passant verlautbaren, "von daher habe ich nicht so viel Zeit."

Als er dies sagte, war Nagelsmann gerade dabei, das Jahr 2016 Revue passieren zu lassen und eine grundsätzliche Einordnung seiner Trainertätigkeit vorzunehmen. Er wurde geradezu nachdenklich, als das Thema Jahresabschluss und Silvesternacht aufkam. Da plane er sich wie jedes Jahr mal zurückzuziehen und sich zu besinnen: "Ab und zu sage ich auch mal laut danke. Vielleicht hört es der, der dafür zuständig ist - wer es auch immer ist."

Für die "Nagelsmänner", so viel lässt sich bereits vor den beiden abschließenden Heimaufaufgaben gegen Borussia Dortmund (Freitag, 20.30 Uhr/Sky) und gegen Werder Bremen am 21. Dezember konstatieren, war’s eine ereignisreiche, erfolgsverwöhnte Periode - zumindest seit dem 11. Februar, als Nagelsmann die Amtsgeschäfte von Huub Stevens (Herzrhythmusstörungen) übernommen hatte. "Ein spezieller Glücksmoment war es schon, dass wir in der Liga geblieben sind", so Nagelsmann in der Retrospektive. Der ersehnte Klassenerhalt sollte 2015/ 2016 nach dem 33. Spieltag unter Dach und Fach sein - eine Willens- und Energieleistung par excellence, die den Hoffenheimern nicht mehr unbedingt zugetraut worden war.

Resultate sind im Profifußball nun mal das Maß aller Dinge - Nagelsmann hat aktuell und saisonübergreifend 49 Punkte gesammelt (13 Siege, zehn Unentschieden, fünf Niederlagen). "Wenn’s gut läuft, ist es einen Tick leichter als gedacht. Du bist sehr abhängig von Ergebnissen, die man als Cheftrainer erzielt. Aber sonst ist eigentlich alles so wie erwartet", sagte Nagelsmann über den Quantensprung vom U19- zum Bundesliga-Trainer.

Den Erfolgshunger lebt Nagelsmann mit jeder Faser seines Körpers vor - jene Mischung aus Leidenschaft, Mut und Selbstbewusstsein ist ansteckend. "Es gab noch nie eine Partie, bei der ich vorab mit einem Unentschieden zufrieden gewesen wäre. Ich will immer gewinnen - egal wo und gegen wen", so Nagelsmann angriffslustig.

Die Schwarz-Gelben müssen sich demnach auf alles gefasst machen, trotz des wahrscheinlichen Ausfalls von Sebastian Rudy (Rippenprellung) und von Kerem Demirbay, dessen Oberschenkelzerrung offenbar doch ein schlimmerer Sehnenanriss des Hüftbeugers ist, will "Hoffe" auch Tuchels Hochgeschwindigkeitskicker an die Leine nehmen. Das zweite Treffen mit Thomas Tuchel - beim ersten Wiedersehen am 28. Februar verlor die TSG mit 1:3 im BVB-Stimmungstempel - stachelt Nagelsmann an. "Ich bin schon heiß, ihn zu schlagen", meinte er ohne Umschweife.

Der TSG-Coach war bestrebt, Tuchels Einfluss zu relativieren. Ja, Tuchel habe ihn beim FC Augsburg mit auf den Weg des Trainers gebracht, aber tatsächlich abschauen würde er sich "wenig bis nichts, weil ich seine Arbeit im Detail nicht kenne und auch wir ganz ordentliche Ideen im Trainerteam haben."

Nagelsmann wollte sich gestern abgrenzen von einem, der vermutlich nie das Mentoren-Profil richtig erfüllte. "Es ist ja nicht so, dass ich mit ihm beim Abendessen Salzstreuer verschoben habe wie andere Trainer", so Nagelsmanns Anspielung auf ein Treffen zwischen dem damaligen Bayern- Trainer Pep Guardiola und Tuchel 2015 während dessen Auszeit. Ob mit Salzstreuern oder Gläsern, bei diesem ultimativen Taktik-Gipfel wurden Positionen der Spieler und Spielzüge nachgestellt.

Nicht nur Nagelsmann, sondern auch die 30.150 Zuschauer in der seit Anfang November ausverkauften Rhein-Neckar-Arena freuen sich auf eine attraktive Paarung. Eine 0:0-"Schlacht" wie zuletzt in Frankfurt will keiner sehen. Geschickt wich Nagelsmann der "Falle" Schiedsrichter-Debatte aus und kehrte sofort zu den Koordinaten des eigenen Aufgaben- und Berufsfeldes zurück. "Du hast als Trainer immer einen Stresspegel wie ein Pilot bei der Notlandung", redete Nagelsmann geschliffen. Ein Satz, den auch Tuchel dick unterstreichen würde.

Vor dem Spitzenspiel gab es für Nagelsmann und Co. eine nette Abwechslung am Mittwoch ab 19.30 Uhr. Mit der TSG-"Betriebsmannschaft" wurde in Hoffenheim gegen eine Traditionself der SpVgg Neckarelz gezockt. "Ich habe ein bisschen Probleme mit dem Schleimbeutel an der rechten Ferse. Ich glaube aber, ich bin einsatzbereit", so Nagelsmann lächelnd, ehe er in kurzen Hosen zum BBC-Interview marschierte. Noch lieber als gegen die SpVgg will er freilich gegen den großen BVB gewinnen ...

Hintergrund

Vor dem 15. Spieltag sind die Hoffenheimer als einziges Team noch ungeschlagen. Geht es nach Cheftrainer Julian Nagelsmann, dann soll dies auch am späten Freitagabend gegen 22.15 Uhr der Fall sein. Der gebürtige Landsberger brennt vor Ehrgeiz. Nagelsmann sagte am gestrigen

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Vor dem 15. Spieltag sind die Hoffenheimer als einziges Team noch ungeschlagen. Geht es nach Cheftrainer Julian Nagelsmann, dann soll dies auch am späten Freitagabend gegen 22.15 Uhr der Fall sein. Der gebürtige Landsberger brennt vor Ehrgeiz. Nagelsmann sagte am gestrigen Mittwoch ...

> ... zum Duell mit dem BVB: "Das Spiel wird eine ganz andere Charakteristik als gegen Frankfurt haben. Dortmund ist mit Ball enorm stark. Es gibt unterschiedliche Lösungsansätze, um ihrem Tempo zu begegnen. Entweder man stellt sich pragmatisch ganz tief hinten rein oder man attackiert sie ganz früh. Einer dieser beiden Varianten werden wir wählen. Welche, verrate ich nicht." (grinst)

> ... über sein Verhältnis zu Thomas Tuchel: "Seine Arbeit als Trainer ist außergewöhnlich gut. Es gibt keinen Kontakt zu ihm. Er ist ein normaler Kollege wie die anderen 16 auch."

> ... zu den personellen Voraussetzungen bei der TSG: "Sebastian Rudys Rippenprellung ist auf dem Weg der Besserung. Ich kann noch nicht vorhersagen, ob es für Freitag reicht. Kevin Vogt und Kerem Demirbay sind angeschlagen. Pavel Kaderabek hatte einen Magen-Darm-Infekt, ist aber wieder fit, nichts Dramatisches also."

> ... über die derzeitige Häufung an Fehlentscheidungen der Schiedsrichter: "Es gibt kein Spiel, wo der Schiedsrichter nicht der Depp ist. Auch Trainer sollten mal was sehen, was sie nicht sehen. Man kann erst einmal auch am eigenen Verhalten schrauben. Wir sollten die Kirche im Dorf lassen. Ich zitiere da gerne Tim Bendzko: Wir sind alle keine Maschinen, sondern immer noch Menschen aus Fleisch und Blut." Foto: APF

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