Die politische Situation in der Türkei verunsichert: Bei Beck und Besiktas ist die Lage angespannt

Gomez geht, andere schweigen - Die politische Situation in der Türkei verunsichert auch die Fußballprofis und erschwert Transfers

25.07.2016 UPDATE: 26.07.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 41 Sekunden

Einsatz in Istanbul: Andreas Beck (l.) ist vertraglich an Besiktas gebunden. Foto: Imago

Von Tobias Schächter

Heidelberg. Eigentlich hat sich Andreas Beck auf das Wiedersehen mit der TSG Hoffenheim gefreut. Am Mittwoch trifft er mit Besiktas Istanbul im Test im Trainingslager im österreichischen Leogang auf die TSG. Am Montag aber flog der langjährige TSG-Kapitän zurück nach Istanbul - denn dort wartet ein noch freudigeres Ereignis auf den 29-Jährigen: Seine Frau Manuela steht vor der Geburt des ersten gemeinsamen Kindes. Ob der Rechtsverteidiger pünktlich zum Spiel gegen Hoffenheim zurück sein kann, war gestern noch nicht abzusehen.

Beck wechselte vergangenen Sommer aus Nordbaden an den Bosporus und gewann gleich die Meisterschaft, die Champions-League-Perspektive winkt. Mit der Geburt des ersten Kindes ist das persönliche Glück der Becks perfekt. Und dennoch ist auch bei Beck und Besiktas die Lage angespannt.

Welche Auswirkungen der gescheiterten Militärputsch und die unsichere Situation in einer polarisierten Gesellschaft auf den Fußball in der Türkei haben können, erfuhr der Klub vergangene Woche. Mario Gomez, erfolgreichster Torschütze und prominentestes Gesicht der Süperlig, erklärte via Facebook aufgrund "der politischen Situation" nicht mehr in die Türkei zurückkehren zu wollen. Gomez steht noch ein Jahr beim AC Florenz unter Vertrag und war für ein Jahr an Besiktas ausgeliehen. Er fand in der Türkei zu alter Stärke zurück und ist nach guten EM-Auftritten für Deutschland wieder begehrt. Spanische und englische Klubs sind an einer Verpflichtung des 31-Jährigen interessiert. Ob die Entscheidung von Gomez beispielhaft wird für die vielen ausländischen Stars in der Süperlig und ob die politische Situation Profis aus dem Ausland künftig von einem Engagement in der Türkei abhält, ist eine spannende Frage.

Gomez hatte den Vorteil, in der Türkei nicht vertraglich gebunden zu sein. Andere Stars binden langfristige Verträge, auch Beck hat noch zwei Jahre Vertrag. Der Argentinier Jose Sosa von Besiktas zum Beispiel will die Türkei aufgrund "der Terrorgefahr" trotz Vertrages verlassen. Der Vorstand der Türken verweigert dem Spielmacher aber die Freigabe, weil Sosa angeblich die politische Situation als Vorwand benutze, um einen Wechsel zum AC Mailand voranzutreiben. Politik als Druckmittel im Ablösepoker? Sosa wurde mittlerweile suspendiert und musste das Trainingslager von Besiktas in Österreich verlassen, um in Istanbul Einzeltraining zu absolvieren.

Dabei sind die Auswirkungen der instabilen Lage des Landes auf den Fußball nicht erst seit dem gescheiterten Militärputsch groß. Durch Terroranschläge von radikalen Kurden und Anhängern des IS sind im letzten halben Jahr viele Menschen ums Leben gekommen, auch der Vater von Galatasaray-Profi Umut Bulut. Wegen einer Terrorwarnung musste im März das Istanbuler Stadtderby zwischen Galatasaray und Fenerbahce abgesagt werden.

Wer sich dieser Tage mit Beratern unterhält, die sich im türkischen Fußball auskennen, hört unterschiedliche Interpretationen der Situation. Keiner will seinen Namen lesen. Einer sagt, alleine dass Gomez nicht bei Besiktas bleiben wolle, zeige schon die immensen Auswirkungen, die die politische Situation auf den Fußball habe. Andererseits, glaubt ein anderer, bleibe die Süperlig weiter attraktiv für ältere Stars aus dem Ausland. In der Türkei habe es immer Krisen gegeben, die Stars seien trotzdem gekommen. Gelockt durch viel Geld. Für die Potentaten der Großklubs ist der Gewinn der "Transfermeisterschaft" so wichtig wie der Titel am Ende der Runde.

Die Gehälter der Topstars bewegen sich zwischen drei und vier Millionen Euro netto Grundgehalt - Steuern zahlen die Vereine. Auch das zunehmend schlechte Image des Landes und des Fußballs konnte in der Vergangenheit viele Stars nicht von einem Wechsel in die Türkei abhalten. Vor dem gescheiterten Militärputsch unterschrieben beispielsweise der Slowake Martin Skrtel (vorher Liverpool) und der russische Nationalspieler Roman Neustädter (Schalke 04) bei Fenerbahce. Skrtel erklärte schnell trotzig, er bereue seinen Wechsel nicht. Der Brasilianer Adriano absolvierte am Montag einen Medizincheck in Istanbul, um den Wechsel von Barcelona zu Meister Besiktas abzuschließen.

Besiktas, das mit der Champions-League-Teilnahme lockt, ist übrigens an der Verpflichtung des Franzosen Loic Remy (FC Chelsea) interessiert und verhandelt offenbar auch mit dem ehemaligen Hoffenheimer Eren Derdiyok (Kasimpasaspor) als Nachfolger für Mario Gomez.

Dabei stehen die hoch verschuldeten Istanbuler Großklubs unter starkem finanziellem Druck. Die Klubs zahlen ihre immensen Netto-Gehälter für die ausländischen Stars fast ausschließlich in Dollar und Euro. Die türkische Lira aber hat seit dem Militärputsch enorm an Wert gegenüber Dollar und Euro verloren.

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