Die 1899-Hinrunden-Bilanz: 13 Punkte zum Abstürzen
"Hoffe" hat in der Not den Trainer und Geschäftsführer gewechselt und benötigt Verstärkungen im finsteren Tabellenkeller - Eine Halbzeit-Bilanz
Von Frank Enzenauer
Heidelberg. "Wir können für eine Überraschung gut sein." Markus Gisdol war im Sommertrainingslager im Westerwald unerwartet in die Offensive gegangen und hatte insgeheim gehofft, dass der TSG Hoffenheim erstmals der Sprung auf die Europapokal-Bühne gelingen wird. Eine Illusion! Als Tabellenletzter überwintert "Hoffe", holte dürftige 13 Punkte in den 17 Vorrundenspielen. Die RNZ zieht eine Halbzeit-Bilanz:
> Stärken: Das hübsch gemachte Vereinsmagazin ("Spielfeld") und ein Kader, der viel zu gut ist für die Zweite Liga. Eigentlich ...
> Schwächen: Nach dem Verkauf von Roberto Firmino an den FC Liverpool für die Rekordsumme von 41 Millionen Euro fehlt ein außergewöhnlicher Kreativspieler. Vom Anspruch, erfrischenden und spektakulären Fußball zu bieten, hat sich Hoffenheim längst verabschiedet. Der Mannschaft mangelt es an einer Führungspersönlichkeit.
> Gewinner: Der 19-jährige Nadiem Amiri erspielte sich unter Huub Stevens einen Stammplatz und beeindruckte das Publikum mit einigen Geniestreichen.
> Verlierer: Der Alt-Internationale Kevin Kuranyi, 33, war nur 429 Spielminuten im Einsatz, erzielte keinen Treffer und gab keine Torvorlage. Nationalspieler Sebastian Rudy saß zu oft auf der Ersatzbank, um sich für die EM 2016 in Frankreich empfehlen zu können.
> Neuzugänge: Bis auf Jonathan Schmid (SC Freiburg) erfüllte keiner auch nur annähernd die Erwartungen. Der hoch gelobte Innenverteidiger Fabian Schär (für rund vier Millionen Euro vom Schweizer Meister FC Basel gewechselt) kam nicht so recht in Tritt, dem chilenischen Nationalstürmer Eduardo Vargas (SSC Neapel/sechs Millionen Euro) glückte nur ein Tor, Pavel Kaderabek (Sparta Prag/3,5 Millionen Euro) konnte den zu Besiktas Istanbul geflüchteten Kapitän Andreas Beck auf der rechten Abwehrseite nicht ersetzen.
> Torschützen: Kevin Volland erzielte trotz Formschwäche fünf Treffer, Jonathan Schmid traf vier Mal, Steven Zuber schoss zwei Tore.
> Dauerbrenner: Neben Torhüter Oliver Baumann bestritt nur noch Innenverteidiger Niklas Süle alle 17 Spiele ohne Unterlass. Baumann war obendrein der einzige Akteur mit konstant guten Leistungen.
> Höchster Sieg: Das 3:1 in Augsburg am siebten Spieltag. Zudem feierte die TSG ein 1:0 gegen Hannover.
> Höchste Niederlage: Das 2:4 in Wolfsburg am neunten Spieltag. Ebenfalls mit zwei Toren Differenz wurden gegen Bremen und in Mainz verloren (jeweils 1:3).
> Trainer: Markus Gisdol wurde nach der 0:1-Heimniederlage gegen den HSV auf dem 17. Tabellenplatz entlassen, Huub Stevens verordnete Konzentration auf die Defensivarbeit, schaffte jedoch nicht die Wende. Unter Stevens sammelte Hoffenheim sieben Punkte in sieben Spielen, bei 5:6-Toren. Der "stärkste" Auftritt des Holländers: Als er nach dem 3:3 gegen Gladbach einen Redakteur im Eckkneipen-Jargon angriff.
> Klubspitze: Der Vorsitzende der Geschäftsführung, Peter Rettig, ging, weil er mit seiner Entmachtung nicht einverstanden war. Peter Görlich stieg in die Geschäftsführung auf. Vor der Entlassung von Trainer Gisdol kritisierte Sportdirektor Alexander Rosen das Ausplaudern und die Weitergabe von Interna. Rosen selbst ist schwer angezählt. Der Einfluss eines mit Klubeigner Dietmar Hopp befreundeten Spielerberaters ist wieder gestiegen. Einen Bericht eines Boulevardmagazins, wonach Schalke-Manager Horst Heldt im Sommer zur TSG Hoffenheim wechselt, dementierte Mediendirektor Christian Frommert.
> Fans: "Hoffe" hat sich in den acht Bundesliga-Jahren eine leidenschaftliche Fan-Gemeinde erarbeitet. Gleichwohl könnte die Unterstützung größer und rückhaltloser sein - im letzten Heimspiel 2015, im eminent wichtigen Abstiegsduell gegen Hannover, blieben in der Rhein-Neckar-Arena reichlich Plätze leer. Auch die Reisefreudigkeit hält sich in Grenzen: Zum Schalke-Spiel fuhren rund 500 TSG-Anhänger.
> Prognose: Hoffenheim wird in der Winterpause neue Spieler kaufen und/oder leihen. Nur vier Punkte beträgt der Abstand zum Rangvierzehnten; auch wegen der Schwäche der Konkurrenz wird die TSG den Abstieg mit Ach und Krach verhindern können. Danach darf der neue Trainer Julian Nagelsmann, 28, eine frische Spielidee verkünden.