1899 Hoffenheim und die Angst vorm Runterrutschen

Eintracht Frankfurt ist auf der Suche nach der Identität und will heute das Spiel bei 1899 Hoffenheim gewinnen

06.11.2015 UPDATE: 07.11.2015 06:00 Uhr 2 Minuten, 16 Sekunden

Verlässlicher Innenverteidiger: Der Ex-Hoffenheimer David Abraham (r.) ist bei der Eintracht unumstritten. Foto: Imago

Von Tobias Schächter

Frankfurt. Als Erfolgsteam würde die Eintracht in Frankfurt derzeit niemand bezeichnen. Zwar trotzte die Mannschaft von Trainer Armin Veh vergangene Woche als allererste Elf in dieser Saison dem FC Bayern beim 0:0 einen Punkt ab und reist nach dem glücklichen 2:1-Sieg zuvor bei Hannover 96 mit einer klitzekleinen Erfolgsserie diesen Samstag zur TSG Hoffenheim. Aber nach zuvor schwachen Leistungen und einer Niederlagenserie ist die Stimmung in Frankfurt eher zweifelnd als hoffnungsvoll. Das war im Sommer noch anders, aber nach der bitteren 1:5-Heimpleite vor drei Wochen gegen Mönchengladbach ist Ernüchterung die vorherrschende Gefühlslage im Umfeld der Eintracht. Von der erhofften Europapokalteilnahme redet dieser Tage niemand, aber die Angst vor dem haltlosen Sturz in den Tabellenkeller ist nach dem Achtungserfolg gegen die Guardiola-Bayern auch erst einmal wieder vertrieben. Und dennoch warnt Trainer Veh vor dem Auftritt der Hessen im Kraichgau: "Wir wollen gewinnen, denn wir müssen ganz achtsam sein, nicht unten rein zu rutschen."

Bei einem Sieg würde der aktuell Tabellenvorletzte aus Hoffenheim der Eintracht bis auf drei Zähler nahe rücken. Selbst die größten Kritiker von Vorjahrestrainer Thomas Schaaf müssen in Frankfurt nach einem Drittel dieser Saison einsehen: Bei der Eintracht ist das Stadion zwar jedes Heimspiel mit rund 50 000 Zuschauern voll, aber die Mannschaft eben auch Spiegelbild des im Vergleich mittelmäßigen Lizenzspieleretats von rund 38 Millionen Euro.

Im Moment kämpft die Mannschaft um eine klare Identität. Das liegt zum einen an der Zementierung der Liga, in der außer den sechs Spitzenteams aus München, Dortmund, Schalke, Leverkusen, Wolfsburg und Mönchengladbach im Prinzip jede Mannschaft mit einem schlechten Lauf schnell in den Abstiegskampf rutschen kann. Zum anderen aber liegt das auch am Standort Frankfurt, wo die Erwartungen so schnell überzogen nach oben schießen, wie die Enttäuschung bei Nichterfüllung dieser Erwartungen die Stimmung dämpft. Trainer Veh sind die notorischen wechselnden Gefühlslagen "zu krass". Er weiß: Eine nicht so gefestigte Elf wie seine aktuelle kann durch die brachialen Gefühlsschwankungen schnell in einen Abwärtssog gezogen werden.

Im Prinzip hat der erfahrene Coach das nach der Pleite gegen Gladbach pragmatisch Richtige gemacht und entgegen seinem Naturell die Defensive gestärkt. Auch in Hoffenheim bleibt das zu Saisonbeginn praktizierte System mit Raute im Mittelfeld und zwei Spitzen auf dem Index. Zwar sei die extrem defensive Spielweise gegen die Bayern die "Ausnahme" (Veh), aber Haris Seferovic dürfte im 4-2-3-1-System die einzige Spitze vor Torjägerroutinier Alexander Meier sein. Opfer dieser Umstellung ist Stürmer Luc Castaignos, für den nur noch ein Bankplatz bleibt.

Die Krise der Eintracht war und ist aber auch eine Krise von eingeplanten Leistungsträgern. Der aus Leverkusen gekommene Stefan Reinartz saß zuletzt nur auf der Bank, könnte aber in Hoffenheim wieder in die Startelf als zweiter Sechser neben Marc Stendera zurückkehren, weil Slobodan Medojevic verletzt ausfällt. Und weil der Kader nur unzureichend komponiert ist, wird der gelernte Mittelfeldstratege Makoto Hasebe wieder Rechtsverteidiger spielen und auf der linken Außenbahn offensiv Aleksandar Ignjovski. Auf dieser Position hätte Veh vor der Saison gerne Jonathan Schmid aus Freiburg verpflichtet, der aber nun in Hoffenheim spielt und vor dem Veh seine Abwehr explizit gewarnt hat.

In der Frankfurter Viererkette hat sich der ehemalige Hoffenheimer David Abraham als Innenverteidiger mit verlässlichen Leistungen einen Stammplatz erkämpft. Die Frankfurter Rundschau bezeichnete den sympathischen Argentinier als den "freundlichsten Wadenbeißer der Liga". Abraham ist ein Gewährsmann für die zuletzt stabile Defensive. Die Eintracht will in Hoffenheim ihre spielerische Linie in der Offensive wieder finden, um Sicherheit und Identität zurückzugewinnen.

Wer von den beiden verunsicherten Mannschaften wird heute die Balance zwischen Mut in der Offensive und Sorgsamkeit in der Defensive besser finden?

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