1899 Hoffenheim spielt zwei Konter wie aus dem Lehrbuch

"Hoffe" unterstreicht beim 2:1 in Ingolstadt den Aufwärtstrend - Abpfiff vor dem Anpfiff für rund 35 TSG-Anhänger

03.10.2016 UPDATE: 04.10.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 21 Sekunden

Stimmungsbilder aus dem Audi-Sportpark: Julian Nagelsmann gratuliert Benjamin Hübner (l.o.) zur astreinen Premiere im TSG-Trikot, während es für Ingolstadts Trainer Markus Kauczinski (l.u.) nach dem 1:2 gegen die Hoffenheimer ungemütlich wird. Rechts bejubeln Sandro Wagner und Kerem Demirbay die Führung nach einem mustergültigen Konter. Fotos: APF

Von Joachim Klaehn

Ingolstadt. Mit einem Erfolgserlebnis in die bevorstehende Länderspielpause zu gehen, gibt einer Mannschaft Sicherheit und eine Art von innerer Balance. Nach dem ersten Dreier gegen Schalke 04 (2:1) legte die TSG 1899 Hoffenheim am Samstag gleich nach und dominierte auch weitgehend das Geschehen beim FC Ingolstadt. "Hoffe" stürzte durch ein 2:1 (2:0) die Schanzer in eine tiefe Depression und setzte sich seinerseits im oberen Tabellendrittel fest. "Ich freue mich über zwei Siege hintereinander, ich freue mich für die Mannschaft", sagte Trainer Julian Nagelsmann nach einer Vorstellung, die den allgemeinen Aufwärtstrend unterstrich.

"Hoffe" zählt neben dem FC Bayern München, 1. FC Köln und RasenBallsport Leipzig zu den einzigen vier ungeschlagenen Teams im deutschen Oberhaus. Und auch Nagelsmann selbst gelang ein neuer Rekordwert seiner noch frischen Trainerkarriere: Sechs Spiele ohne Niederlage hatte es selbst bei seiner spektakulären Rettungsmission in der vergangenen Saison nicht gegeben.

Hintergrund

So spielten sie:

Baumann: Teilzeitarbeiter. Wenn es darauf ankam, war auf ihn Verlass.

Süle: Annähernd fehlerfrei. Gutes Auge und noch besseres Passspiel. Unüberwindbar für die Schanzer.

Vogt: Mittelmann in der Dreierkette. Ein

[+] Lesen Sie mehr

So spielten sie:

Baumann: Teilzeitarbeiter. Wenn es darauf ankam, war auf ihn Verlass.

Süle: Annähernd fehlerfrei. Gutes Auge und noch besseres Passspiel. Unüberwindbar für die Schanzer.

Vogt: Mittelmann in der Dreierkette. Ein Organisator und Kommunikator par excellence.

Hübner: Starke Bundesliga-Premiere im Hoffe-Trikot. Hatte Leckie total im Griff. Viele Ballgewinne - gerade auch zum 0:1. Auf Süles Level.

Toljan: Ordentlich. Ihm fehlte es allerdings an Konsequenz in der Offensive.

Rudy: Kapitän und Boss in der Schaltzentrale. Stets anspielbereit.

Kaderabek: Zahlreiche Impulse nach vorne. Wenn er mit Tempo kommt, schwer zu stoppen. Vorbereiter des 0:2.

Demirbay: Bis zu seinem verletzungsbedingten Aus auffälligster TSGler. Feiner, lauffreudiger Techniker. In dieser Verfassung nicht wegzudenken.

Rupp: Unermüdlicher, versierter Aktivposten. Smarte Pässe - wurde seinem Spitznamen "Ruppinho" gerecht. Spätes Brust- oder Handspiel? Egal.

Wagner: Körperlich sehr präsent. Zweiter Liga- und Auswärtstreffer, den er unbedingt machen wollte.

Kramaric: Genialer Diagonalball auf Wagner. Sehr agil. Sein Manko: Versemmelte mehrere Hochkaräter.

Amiri: Nur 15 Minuten auf dem Feld. Wurde von Matip in Rambo-Manier niedergestreckt. Klagte danach über Übelkeit und Schwindel.

Polanski: Kam für Amiri und fügte sich problemlos ein.

Szalai: Musste wie Kramaric für das 0:3 sorgen. Als Joker inzwischen eine vielversprechende Option. jog

[-] Weniger anzeigen

Der Ärger über die verschenkten Punkte gegen Leipzig (2:2) und Darmstadt (1:1), als die Kraichgau-Elf jeweils Last-Minute-Gegentreffer kassierte, dürfte demnach verflogen sein. Die "Nagelsmänner" haben sich stabilisiert, die Automatismen greifen zusehends besser ineinander. "Nun haben wir uns richtig gefunden", befand Stürmer Sandro Wagner, "das ist ein ordentlicher Start, auf den wir aufbauen können." Gewiss.

Bei herrlichem Frühherbstwetter ließen sich die Gäste vom ungestümen Anfangsdruck der Hausherren nicht weiter beeindrucken, zumal sie mit der ersten gefährlichen Attacke vor 13.844 Zuschauern gleich gnadenlos zuschlugen. Benjamin Hübner eroberte gegen seinen Ex-Teamkollegen Marvin Matip den Ball, Kerem Demirbay leitete geschickt den Gegenstoß ein, bediente Andrej Kramaric, dessen Zuckerpass Wagner zum 0:1 (11.) entschlossen vollendete. Ein Spielzug wie aus dem Lehrbuch, ähnlich wie die Woche zuvor das 2:1 gegen die Königsblauen von Lukas Rupp, der glänzend von Demirbay bedient worden war.

Die Hoffenheimer Führung, binnen 13 Sekunden nach dem Ballgewinn umgesetzt, glich einem Wirkungstreffer. Der FCI reagierte fortan vogelwild und ideenlos. Die Unterschiede in der Spielanlage wurden offensichtlich. Den biederen Oberbayern fehlte ein klares Offensivkonzept - und so ließen sie sich ein zweites Mal vom schnörkellosen Umschalt- bzw. Konterspiel der Hoffenheimer überrumpeln. Ein beherzter Sololauf von Pavel Kaderabek riss die entscheidende Lücke, Lukas Rupp war an der Strafraumgrenze handlungsschneller als Ex-TSGler Pascal Groß, und Demirbay krönte mit seinem knochentrockenen 20-Meter-Schuss und ersten Bundesliga-Tor (35.) seine herausragende Leistung.

Schade nur, dass "Hoffe" die in der ersten Hälfte gezeigte Effizienz nicht beibehalten konnte. Kramaric (65., 71. und 89.) sowie der eingewechselte Wagner-Ersatz Adam Szalai (73.) besaßen hochkarätige Gelegenheiten, die teilweise fahrlässig vergeben wurden. "Wir müssen das Spiel früher klar machen", trieb es Nagelsmann die Zornesröte ins Gesicht. Insbesondere der Kroate Kramaric, ein vielseitiger Klassemann, übertrieb es erneut mit dem Eigensinn.

Diese Großzügigkeit wurde bestraft. Lukas Hinterseer verkürzte per Handelfmeter auf 1:2 (90.+5). Aus Hoffenheimer Sicht ein Schönheitsfehler.

Schwierigkeiten bekamen am Rande der Partie auch rund 35 Personen unter den 400 mitgereisten TSG-Anhängern. Laut Polizeiangaben hätten sie Ärger mit Schanzer Ultras in der Ingolstädter Innenstadt gesucht. Dies wird freilich von der Hoffenheimer Fanszene vehement bestritten. Das Unterstützungskommando (USK) der bayerischen Polizei habe überreagiert und die Gruppe 8,5 Stunden lang in Gewahrsam genommen. Die 1899-Fans verpassten jedenfalls den ersten Auswärtsdreier der "Nagelsmänner". Abpfiff vor dem Anpfiff ...

Wie auch immer: Bis zum 15. Oktober (Heimspiel gegen den Sportclub Freiburg) legt die Liga wegen des internationalen Fahrplans eine Atempause ein. "Hoffe" stellt ein Dutzend Nationalspieler ab, darunter DFB-Rückkehrer Sebastian Rudy, der für die EM in Frankreich nicht nominiert worden war.

Lukas Rupp, Pirmin Schwegler und Ersatztorhüter Alexander fanden am Sonntag Ablenkung beim 45-minütigen "Dinner in the Sky" auf dem Golfgelände von St. Leon-Rot. Dank eines Krans und des Sternekochs Tristan Brandt traf Genuss auf Panorama in 70 Metern luftiger Höhe. Solange die Hoffenheimer Mannschaft nach dem doppelten Dreierpack gegen Schalke und in Ingolstadt einstellungsmäßig auf dem Boden bleibt, alles kein Problem. Auch dies ist eine Frage der inneren Balance.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.