Biennale Arte in Venedig

Schatzkammer der Adria

Zum 60. Mal öffnet heute die Biennale Arte in Venedig ihre Pforten.

21.04.2024 UPDATE: 21.04.2024 04:00 Uhr 4 Minuten, 48 Sekunden
Der Canal Grande ist die Hauptwasserstraße der Kunstmetropole. Alle Fotos: Julia Scholz

Von Julia Scholz

Die künstlich angelegte, vorgelagerte Insel Nouva Isola del Tronchetto ist Ankunftsort für fast jeden, der mit dem eigenen Fahrzeug nach Venedig reist. Ab hier ist Schluss mit Autoverkehr. Auch für Kreuzfahrtschiff- oder Busanreisende heißt es an dieser Stelle aussteigen – und einstiegen in das magische Abenteuer einer Stadt, die in ihrer ganzen Pracht geradezu unwirklich erscheint.

Wie das aus dem Meer wieder aufgetauchte Atlantis liegt die Lagunenstadt Venedig im Schoße der oberen Adria. Dabei verteilt sie sich auf 177 Inseln. Aus der Vogelperspektive gleicht das Konglomerat aus Landmassen passenderweise der Silhouette eines Fisches im Wasser – die circa vier Kilometer lange und 30 bis 70 Meter breite Hauptverkehrsader Canal Grande windet sich in Form eines umgedrehten "S" mit zwei großen Kurven – Volte genannt – mitten hindurch vom Bahnhof bis zum Markusplatz. Dieser Kern der historischen Altstadt ist in sechs Stadtviertel unterteilt.

Unzählige Kanäle dienen als Wasserverkehrswege, die entlang führen an den prächtigen Bauten und ungefähr 500 stattlichen Kirchengebäuden sowie 400 Brücken, die die Wasserstraßen queren. In der Serenissima, der Durchlauchtesten, wie die Stadt genannt wird, bewegt man sich zu Fuß oder mit dem Boot fort.

Öffentliches Verkehrsmittel muss somit auch ein Wasserbus, das "Vaporetto", sein. Lange müssen wir nicht auf die Linie 2 warten, die wie ein Wasserdrache auf unsere Station zugesteuert kommt. Die Linien verkehren von früh bis spät im Zehnminuten-Takt. Es ist ein ungewohntes Gefühl, das erste Mal aufs Vaporetto zu gelangen: Von der schon wackeligen Haltestelle, die im Wasser verankert treibt, auf das noch stärker wankende öffentliche Transportmittel aufzusteigen. Als Teil der Besatzung mit an Bord ist, neben dem Kapitän, immer ein Angestellter, der das Boot bei jedem Halt mit dicken Tauen an den Anlegepollern befestigt. Er schiebt ein Brett zu Seite und lotst die Passagierströme hinein- und hinaus. Die Fahrt mit Linie 2 führt direkt über den Canal Grande, entlang der Prachtwasserstraße Venedigs. An deren Ufern reihen sich an die 200 Wohnpaläste der Aristokraten und reichen Kaufmannsleute aus verschiedenen Epochen der 1000-jährigen Geschichte der Stadt.

In venezianischem Dialekt heißen die Gebäude – stark untertrieben – nur "Ca". Dies ist die Abkürzung von "Casa", zu Deutsch Haus. Hinzu kommt der jeweilige Familienname der Bewohner, wie beispielsweise das Ca‘ Farsetti. Direkt nebenan, im Palazzo Loredan, ist heute das Rathaus untergebracht. Zu finden sind diese Bauten am linken Ufer nur 200 Meter nach der ersten Kanal-Biegung und hinter der Durchfahrt unter der marmornen Rialto-Brücke. Im Ca‘ Foscari, das sich am rechten Ufer in die zweite Volte schmiegt, ist heute die Universität angesiedelt. Davor ist am ersten Septemberwochenende immer die Wasser-Tribüne für Austragung und Fernsehübertragung der "Regatta Storica" errichtet. Das traditionsreiche Bootsrennen, in dem die Stadtteile gegeneinander antreten, findet alljährlich am ersten Septembersonntag statt.

Selten ist es am Piazzetta San Marco so leer – außer in den frühen Morgenstunden.

Auf Höhe der Ausmündung des Canal Grande in das Becken Bacino di San Marco liegt am linken Ufer dann das Herzstück der ehemaligen Republik: die Piazzetta San Marco. Sie ist der Durchgang zum einzigen als Piazza bezeichneten weitläufigen Markus-Platz mit dem Campanile-Turm, der vor dem Markusdom liegt. Die dortigen Nobelcafés, allen voran das schon 1720 eröffnete Caffè Florian als ältestes Kaffeehaus Europas, sind für ihre Pracht, aber auch für ihre Preise berühmt. Spätestens am Abend wird Livemusik mit Auszügen aus italienischen Opern oder Musicalmelodien dargeboten. Dolce vita pur!

Flankiert wird der Piazzetta San Marco von der Nationalbibliothek und dem dreistöckigen Dogenpalast, in dem einst die Herren der Lagunenstadt residierten. Heute dient er als Museum. Wie ein angedeutetes Tor zum Meer hin stehen zwei imposante Säulen aus Granit und Marmor. Eine dritte stürzte direkt beim Transport ins Meer. Auf der einen thront der vormalige Schutzheilige der Stadt, San Teodoro di Amasea mit Krokodil – warum weiß niemand so genau. Auf der anderen ist der geflügelte Markuslöwe gelandet. Der Legende nach sollen im Jahr 829 die Gebeine des Evangelisten in einem Schweinefettfass von Ägypten nach Venedig geschmuggelt worden sein. Seither gilt Markus als Schutzpatron der Stadt. Während seine Überreste im Dom ruhen sollen, begegnet sein Symboltier einem allerorts.

Anfänglich besiedelt von Festlandbewohnern, die vor dem Ansturm der Völkerwanderungen Schutz suchten, wuchs die Lagunenstadt über viele Jahrhunderte hinweg zur stolzen Seefahrergemeinschaft heran. Zunächst noch unter dem Schutz von Byzanz übernahm sie um das Jahr 1000 nach Christus die Vorherrschaft im Mittelmeer und kontrollierte hier die wichtigsten Handelsrouten. Äußere Bedrohung führte zur Stärkung nach innen, und der Inselstadtstaat entwickelte sich zur mächtigen Adelsrepublik, der der Doge vorstand.

Der angehäufte Reichtum wurde großzügig in die schönen Künste investiert. Berühmtheiten wie Tizian, Giovanni Bellini oder Jacopo Tintoretto schmückten Kirchen und Paläste mit ihren Werken. Bis heute hat Venedig den Status einer Kunstmetropole von Weltrang. Peggy Guggenheim, die ihr Vermögen größtenteils in Werke moderner und zeitgenössischer Künstler investiert hatte, überließ nach ihrem Tod der Stadt ihr Wohnhaus – als Museum. Darin befindet sich bis heute eine Sammlung mit Werken von Max Ernst, Pablo Picasso, Jackson Pollock und vielen anderen.

Auch die internationale Kunstausstellung Biennale di Venezia ist seit ihrem Debüt im Jahre 1895 mit wenigen Unterbrechungen im Zweijahresturnus hier zu sehen. Sie öffnet in ihrer 60. Ausgabe am heutigen Samstag ihre Pforten. Vom 20. April bis 24. November sind aktuelle Werke von Künstlerinnen und Künstlern ausgestellt, darunter 87 nationale Beiträge. Unter dem Titel "Stranieri Ovunque – Foreigners Everywhere" ist sie dem Themenbereich Migration und Fremdsein gewidmet. Die Schauplätze sind zum einen die Parkanlage Giardini della Biennale im Stadtteil Castello, wo sich 29 Länderpavillons befinden. Und zum anderen die Hallen der ehemaligen Schiffswerft Arsenal.

Neben Cannes und der Berlinale zählt das dazugehörige Filmfestspiel in Venedig zu den drei wichtigsten internationalen Filmfestivals. Es wurde erstmals 1932 unter dem Dach der Biennale initiiert und ist das weltweit älteste. Jährlich findet es von Ende August bis Anfang September statt, währenddessen sich in Venedig die Stars und Filmemacher tummeln. Eine Berühmtheit wie Penelope Cruz oder George Clooney zufällig bei ihrer Fahrt mit dem Wassertaxi auf dem Canal Grande zu erblicken, ist dann nicht ungewöhnlich. Austragungsort der glamourösen Veranstaltung ist der Festivalpalais am Lido di Venezia, der die Lagune und die offene Adria voneinander abgrenzt. Hier befindet sich übrigens für Badelustige auch das mondäne Seebad, das schon Thomas Mann in seinem Buch "Tod in Venedig" beschrieben hat. Man darf gespannt sein, wer in diesem Jahr die begehrte Trophäe, den – wie könnte es anders sein – Goldenen Löwen, mit nach Hause nehmen darf.


> Infos: 

> Anreise: Mit dem Auto in knapp neun Stunden erreichbar. Parkhausgebühren in Venedig ab 21 Euro Tagespreis.
Lufthansa fliegt von Frankfurt nach Venedig Marco Polo ab 108 Euro.

Mit dem Zug vom Heidelberg bis Venedig Santa Lucia dauert es etwas über zehn Stunden mit 3 Umstiegen. Ab 240 Euro pro Strecke und Person.

> Unterkunft: Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt im 3-Sterne Hotel Locanda Barbarigo, zentrale Lage im Altstadtteil San Marco Locanda, Doppelzimmer für zwei Personen ab 130 Euro die Nacht: https://www.locandabarbarigo.com  

> Internationale Kunstausstellung: 60. Biennale Arte 20.4.-24.11. Ausstellungsorte Giardini und Arsenale, Tagestickets ab 30,50 Uhr

Internationales Filmfestival: 81. Biennale Cinema 28.8. - 7.9. Lido di Venezia: Das Programm und der Ticketverkauf ist ab Mitte August online. Info und Tickets für Biennale-Veranstaltungen und Ausstellung gibt es im Internet unter: https://www.labiennale.org/it  

> Weiter Infos: Tagestouristen zahlen seit diesem Jahr an bestimmten Tagen ein Eintrittsgeld in Höhe von fünf Euro. Für Übernachtungsgäste entfällt die Gebühr, da sie bereits Kurtaxe im Unterkunftspreis zahlen. An welchen Tagen Tickets benötigt werden erfährt man unter: https://cda.veneziaunica.it  

Öffentliche Verkehrsmittel wie Wasserbus betreibt der Verkehrsbetrieb ACTV. Empfehlenswert ist Kauf von Tages-, Dreitages- oder Wochentickets zwischen 25-65 Euro, je nach Aufenthaltsdauer. Auch Flughafentransfer-Bustickets mit "Aerobus" gibt es hier ab zehn Euro pro Fahrt auf der Internetseite: https://actv.avmspa.it/en