Christoph Maria Herbst im Interview: "Momentan wächst meine Inländerfeindlichkeit"
Schauspieler Christoph Maria Herbst kommt gleich mit drei Filmen ins Kino: "Die Kleinen und die Bösen", "Er ist wieder da" und "Highway To Hellas"

"Momentan wächst eher meine Inländerfeindlichkeit." Sagt Christoph Maria Herbst, der gerade die Social Comedy "Die Kleinen und die Bösen" drehte. Foto: dpa
Von Markus Tschiedert
Das werden herbstliche Zeiten! Mit gleich drei neuen Filmen kommt Christoph Maria Herbst (49) in den nächsten Wochen ins Kino. Den Anfang macht die Komödie "Die Kleinen und die Bösen" (ab 3.9. im Kino), gefolgt von der Hitler-Buchhitverfilmung "Er ist wieder da" (ab 8.10.) und dem Culture-Clash-Klamauk "Highway To Hellas" (ab 26.11.). Der gebürtige Wuppertaler will sich damit nun endgültig von seinem "Stromberg"-Image befreien, denn wie "Die Kleinen und die Bösen" beweist, kann Herbst so viel mehr als fies sein.
Man erlebt Sie in "Die Kleinen und die Bösen" als Bewährungshelfer Benno. Wie wohl oder unwohl fühlten Sie sich in dieser Rolle?
Damit habe ich mich total wohlgefühlt. Ich saß zwar gleich wieder in der ersten Szene an einem Schreibtisch in einem dumpf und stumpf wirkenden Ambiente. Diesmal war es eine öffentliche Behörde. Bin davor aber nicht zurückgezuckt, als ich das Drehbuch las. Zum Glück überwiegt meine Neugier immer meine Skepsis. Das Buch hat mich sehr schnell in Beschlag genommen, denn ich mochte die fehlende Einordnungsbarkeit. Ich wüsste nicht, in welche Schublade ich diesen Film packen sollte. Er ist Komödie, Drama und Social Comedy, wie wir sie eigentlich nur aus Großbritannien kennen.
Hintergrund
Christoph Maria Herbst absolviert nach seinem Abitur eine Ausbildung zum Bankkaufmann. Bereits in dieser Zeit geht er seinem liebsten Hobby nach: der Schauspielerei. Als 20-Jähriger ist er an der Gründung des privaten Theaters Cronenberg beteiligt, dem eine Schauspielschule
Christoph Maria Herbst absolviert nach seinem Abitur eine Ausbildung zum Bankkaufmann. Bereits in dieser Zeit geht er seinem liebsten Hobby nach: der Schauspielerei. Als 20-Jähriger ist er an der Gründung des privaten Theaters Cronenberg beteiligt, dem eine Schauspielschule angeschlossen ist. 1997 hat Herbst seinen ersten Auftritt im Fernsehen, doch das Theater lässt ihn nie richtig los. Im Kino ist er an der Seite von Michael Herbig, Moritz Bleibtreu und Alexandra Maria Lara zu sehen. Bekannt und beliebt wird er einer kleinen Fangemeinde durch seine Darstellung des egoistischen und selbstgerechten Machos "Stromberg" in der gleichnamigen Fernsehserie. Nach dem Ende der Fernsehserie bekommt das Projekt mit "Stromberg - Der Film" noch eine Kür auf der Kinoleinwand. In den vergangen Jahren erhält Christoph Maria Herbst mehrere Auszeichnungen, darunter den begehrten Adolf-Grimme-Preis im Jahr 2006.
Schreibtisch setzen Sie symbolisch sicherlich mit Stromberg gleich...
Ich finde es sehr schön, dass mir Figuren zugetragen und zugetraut werden, die eben keine Ekel sind, sondern ein Herz aus Gold haben und Menschen aus Fleisch und Blut sind. Bei dem Benno in "Die Kleinen und die Bösen" mag ich, dass er vor über 20 Jahren mal mit Idealismus den Beruf des Bewährungshelfers ergriffen hat, doch die normative Kraft des Faktischen hat auch bei ihm ihre Spuren hinterlassen, womit er immer mehr in Gefahr läuft, zum Zyniker zu werden.
Peter Kurth spielt Ihren Gegenspieler Hotte, den man wohl als ’Proleten’ bezeichnen müsste. Wie kommen Sie im echten Leben mit solchen Leuten klar?
In meiner persönlichen Lebenswirklichkeit spielen solche Figuren keine große Rolle, muss ich ehrlicherweise sagen. Aber ich habe eine Vorstellung davon, wie es wäre, wenn ich so einem begegnen würde. Da ich von Hause aus eher zur Langmut neige und einen deeskalierenden Charakter habe, würde es mir wohl gelingen, auch mit so jemandem kommunizieren zu können.
Wer sind denn für Sie die Kleinen und die Bösen in unserer Gesellschaft?
Ich weiß es nicht, glaube aber, dass - wie der Film ja zeigt - alles möglich ist. Alle sind ein bisschen klein, alle sind ein bisschen böse. Die groß wirken werden klein, die anfangs gut waren, werden böse und umgekehrt. Es ist auf jeden Fall ein Prekariatsfilm, weil er am Rand der Gesellschaft unter Outlaws spielt. Ich finde es gut, dass endlich auch mal eine Social Comedy entsteht, die soziale Missstände mit den Mitteln der Komödie satirisch beleuchten. So viel gibt es davon in Deutschland noch nicht. Die meisten unserer Komödien spielen unter gut Betuchten oder handeln von Singles, die zu viel Geld haben und ihre sexuelle Ausrichtung suchen.
Die recht üblen Übergriffe auf Flüchtlinge stehen für viele auch in Zusammenhang mit der zunehmenden Armut in unserem Land...
Da liegt auf jeden Fall ein großer sozialer Sprengstoff, und die Politik mit ihren Rahmenbedingungen, für die sie angeblich immer nur sorgen kann, hat natürlich versagt. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft ganz klar immer mehr auseinander und führt viele in die soziale Abgeschiedenheit. Zwar tauchen nicht mehr so viele in der Arbeitslosenquote auf, aber von dem Geld, was Ein-Euro-Jobber und Kurzzeitbeschäftige bekommen, kann man nicht mehr leben. Es gibt eine Menge Missstände, und das sorgt für soziale Sprengstoffe. Wenn jemand aus diesem sozialen Lebensrad durch Arbeitslosigkeit hinausgeschleudert wurde und sich nur noch mit sich beschäftigen kann, sind Probleme vorprogrammiert. Man sucht nach Schuldigen, den man selbst kann es ja nicht gewesen sein, und der große Unbekannte ist natürlich dann immer der Schuldige. Das ist kein deutsches Problem, sondern ist ein menschliches Problem. Denn alles, was fremd ist, macht Angst, und damit geht es schnell in die Undifferenziertheit. Klar gibt es auch die Sozialschmarotzer, aber wie der Hotte im Film zeigt, auch unter den Inländern - und momentan wächst eher meine Inländerfeindlichkeit.
Als nächstes wird man Sie in "Er ist wieder da" sehen können. Was glauben Sie, wie diese Hitler-Satire in der momentanen Situation aufgenommen wird?
Der aktuelle Hintergrund spielt dabei weniger eine Rolle. Ich glaube, es werden die Menschen in "Er ist wieder da" gehen, die das Buch mochten. Wer zum Zynismus neigt, will wahrscheinlich nur sehen, wie der Film mit Pauken und Trompeten untergeht, weil das Buch einfach zu geil. Andere werden einfach nur neugierig sein und sich fragen, wie man so etwas verfilmen will. Ich bin selbst sehr gespannt, wie der Film geworden ist.
Wenn ein Buch wie "Er ist wieder da" erfolgreich war, ist es nicht schwer, die Gelder für eine Verfilmung aufzutreiben. Wie ist es aber bei einem eher kleinen Projekt wie "Die Kleinen und die Bösen"?
Wie eine Odyssee. Das Drehbuch ist zehn Jahre alt, lag in den verschiedensten Schubladen und wanderte von einem Redakteur zum anderen. Irgendwann spielte mir das Schicksal dieses Buch in die Hände. Wenn sich jemand dafür interessiert, kann so ein Stoff, der zeitlos ist, dann auch losfliegen. Irgendwann war auch Peter Kurt mit an Bord. Damit will auch eine Filmförderung nicht hinten anstehen und zum Spielverderber werden.
Wie froh sind Sie in solchen Momenten, dass Sie der Christoph Maria Herbst sind?
Ich bin heilfroh, dass dadurch ein solcher Independent-Film einer eher kleinen Produktionsfirma aus Köln realisiert werden konnte. "Die Kleinen und die Bösen" hat mich in aller Bescheidenheit schon ein Stückchen gebraucht, und es ist toll, so etwas mit anschieben zu dürfen.
Die Geschichte spielt hauptsächlich in Köln, wo Sie selbst wohnen. Warum Köln und nicht Berlin, Hamburg oder München?
Weil eben alle hier nach Berlin wollten als die Mauer fiel. Ich sage es ohne jede Misanthropie, dass das für mich ein Grund mehr war, in Nordrhein-Westfalen zu bleiben, wo ich einfach herkomme. Bei mir hat das schon mit Gefühl und Mentalität zu tun. Ich bin gebürtiger Wuppertaler und meine Familie lebt auch in dieser Ecke. Mir ist dieser Menschenschlag einfach nah. Ich bin trotzdem total gern in Berlin, lieber als in München, und ich sage in München nicht, dass ich dort lieber bin als in Berlin. Aber ich bin dann froh, wenn ich wieder nach Hause kann.