BASF-Vorstandschef: "Wir alle trauern weltweit"

Kurt Bock stellte sich erstmals der Öffentlichkeit - Konzern widersprach Kritik an mangelnder Sicherheit - Wehrleute hätten bei dem Einsatz alles richtig gemacht

27.10.2016 UPDATE: 28.10.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 28 Sekunden

Der BASF-Vorstandsvorsitzende Kurt Bock hatte sich nach dem Unglück mit drei Toten lediglich firmenintern schriftlich und per Videobotschaft geäußert. Gestern beantwortete er bei einer Pressekonferenz die Fragen der Journalisten. Fotos: Gerold

Von Alexander Albrecht

Ludwigshafen. Und dann zeigt er doch noch Emotionen: "Ich weiß nicht, ob Sie abschätzen können, was das für unser Unternehmen bedeutet", antwortet Kurt Bock missmutig auf die Frage eines Journalisten. "Die BASF trauert. Wir alle trauern weltweit", schiebt der Vorstandsvorsitzende des Chemiekonzerns bei einer Pressekonferenz am Donnerstag hinterher. Nach der Explosion am Montag vor einer Woche mit drei Toten und 30 Verletzten stellt sich Bock erstmals der Öffentlichkeit. Warum so spät?

Bock sagt, er sei zunächst intern gebraucht worden. Als "sehr selbstkritischer Mensch" werde er aber in aller Ruhe darüber nachdenken, ob er anders hätte handeln müssen. Zuvor hat der etwas kühl wirkende Westfale in knappen und mit Bedacht gewählten Sätzen keinen Zweifel daran gelassen, dass die BASF um eine umfassende Aufklärung bemüht ist: "Wir haben selbst das größte Interesse daran, zu verstehen, was passiert ist." Sollte es zu Fehlern gekommen sein, werde der Konzern Konsequenzen ziehen.

Unentwegt wiederholt Bock die Botschaft: Die Sicherheit stehe in dem Unternehmen an erster Stelle - "das hat Vorrang vor allen anderen Erwägungen". Und er sei froh, dass zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für Leib und Leben der Bevölkerung bestanden habe. Man werde alles unternehmen, um verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen.

Details zu den Ursachen des Unglücks nennt Bocks Vorstandskollegin Margret Suckale. Wobei die Angaben unter Vorbehalt stehen, weil die Staatsanwaltschaft den Explosionsort im Industriehafen Nord noch beschlagnahmt hat. Mehrere Tage vor dem Unglück habe eine Spezialfirma für Rohrleitungsbau mit der Reparatur einer entleerten und gesicherten Propylenleitung begonnen. Mehrere Leitungsstücke sollten ausgetauscht werden.

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Die Firma sei schon seit rund 15 Jahren auf dem BASF-Gelände im Einsatz, sagt Suckale, auch deren Fachkräfte hätten die Gegebenheiten vor Ort gekannt und eine Einweisung erhalten. Rund 8000 Mitarbeiter von etwa 400 fremden Unternehmen seien am Standort Ludwigshafen im Einsatz. "Bei deren Auswahl gelten sehr hohe Standards", sagt BASF-Werksleiter Uwe Liebelt.

Er widerspricht damit Oliver Kalusch vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz, der erhebliche Probleme beim Qualitätsmanagement der BASF sieht. Das Auslagern von Dienstleistungen sei ein Sicherheitsrisiko, das Konzerne unter Kostendruck eingingen.

Gestützt auf die bisherigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankenthal sowie interner Videoaufnahmen und Dokumente geht der Chemieriese davon aus, dass der Arbeiter einer Fremdfirma seinen Winkelschleifer offensichtlich an einer falschen Leitung ansetzte, die ein Buten-Gemisch enthielt.

Die BASF hält es für möglich, dass dieses Gemisch austrat und sich an den von der Trennscheibe erzeugten Funken entzündete. Hierbei entstand ein Brand, in dessen Folge es in dem Rohrleitungsgraben zur Explosion kam, wahrscheinlich in der Ethylen-Ferngasleitung. Insgesamt fünf Leitungen seien beschädigt worden, sagt Martin Kayser, Leiter für Produktsicherheit bei der BASF. Die Konzentration von giftigem Ethylhexanol und Benzol am Unfallort habe jedoch unterhalb des Arbeitsplatzgrenzwerts gelegen.

Kritik an mangelnder Sicherheit weisen die Konzernvertreter deutlich zurück. Der Landeshafen Nord einschließlich der Rohrleitung, von der das Unglück ausging, sei turnusgemäß zuletzt im September 2012 inspiziert worden, sagt Suckale. Dabei habe es "keinerlei Beanstandung" gegeben.

Auch würden die Kontrollbehörden bei ihren mehr als 300 Vor-Ort-Terminen und Inspektionen - darunter unangekündigte - der BASF bescheinigen, dass die Anlagen in einem zuverlässigen Zustand seien. Die Zahl der Arbeitsunfälle sei in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken und liege deutlich unter dem Durchschnitt der chemischen Industrie. Die Sicherheitsstandards würden auch für die Partnerfirmen gelten.

Allein im letzten Jahr habe der Konzern 13.000 Mitarbeiter zum Thema Arbeitssicherheit fortgebildet. Die Werksfeuerwehr, die zwei Tote und sechs Schwerverletzte zu beklagen hat, habe 225 Alarm- und Räumungsübungen absolviert, zudem die jährliche Großschadensübung. Die Wehrleute hätten bei dem Einsatz alles richtig gemacht, sagt Suckale.

Nach Angaben der rheinland-pfälzischen Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) ist noch unklar, wohin 30 Tonnen Löschmittel gelangten; 17,4 Tonnen gingen in die Kanalisation und den Landeshafen Nord. In Wasserproben seien zu keiner Zeit auffällige Messwerte schädlicher Substanzen gefunden worden, sagt BASF-Werksleiter Liebelt. Aber: "Eine Belastung des Bodens halten wir für wahrscheinlich." Dies müsse aber erst noch geprüft werden.

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