"Jetzt geht’s ans Eingemachte"
Hormuth über das menschliche Verhalten in Zeiten von Corona - Sorge um die Zukunft der Kleinkunstbühnen

Von Stefan Otto
Mannheim. Komik in Zeiten von Corona ist nicht leicht. Doch Humor hilft, sie zu ertragen. Das weiß natürlich auch der Kabarettist Frederic Hormuth, ein gebürtiger Mannheimer, der nun – wie viele seiner Kollegen – ohne Auftritte und Einnahmen auskommen muss. Denn die Kleinkunstbühnen, in Mannheim etwa die Klapsmühl’ oder das Schatzkistl, in denen das Publikum eng beieinandersitzt, sind bis auf Weiteres geschlossen.
Herr Hormuth, hat Corona komisches Potenzial?
Zur Zeit ist es schwierig, es wird aber kommen. Wir als Berufshumormenschen haben ja erst mal generell einen schwärzeren Humor und sind es gewohnt, alles mit Humor zu verarbeiten. Das ist unsere Überlebensstrategie! Jetzt gewöhnen sich alle an das, was man sich nicht vorstellen konnte, und dann muss man mit Humor versuchen, da klarzukommen und weiterzumachen.
Worüber können Sie bei Corona denn lachen?
Also, ich habe schon gelacht, als ich durch die leeren Supermarktregale gelaufen bin und gesehen habe, wie unbeliebt Vollkornnudeln tatsächlich sind. Oder dass jetzt Familien, weil sonst alles geschlossen hat, mit Kind und Kegel einen Ausflug ins Gartencenter machen. Völlig bescheuert und kontraproduktiv, aber natürlich verständlich.
Ist das tatsächlich so?
Ja, da ist relativ viel los in den Gartencentern. Klar, jeder will jetzt irgendwelche Zwiebeln und Erde kaufen, weil man ja immerhin noch Gärtnern kann. Entweder wir sind in einem halben Jahr alle schwanger oder wir haben supergepflegte Gärten. Es ist alles völlig verrückt, und man langt sich an den Kopf über Leute, die jetzt Corona-Partys feiern und den Schuss immer noch nicht gehört haben.
Ja, es ist eigentlich ein ernstes Thema. Wo hört denn der Spaß für Sie auf?
Das ist wie immer und überall: Der Spaß hört dort auf, wo es um Opfer geht. Über Leute, die jetzt schwer krank sind, macht man keine Witze, das ist klar. Aber das macht man ja generell nicht. Aber Leute, die sich jetzt irgendwie unsozial verhalten, die Blödsinn erzählen oder nerven, und absurde Situationen, die man vorher nicht für möglich gehalten hätte – das sind natürlich alles Themen, die kann man und die muss man auch weiterhin machen.
Wie wirkt sich die Corona-Krise auf Ihre Arbeit konkret aus?
Na, die ruht. Es gibt im Moment nichts zu tun. Am 12. März habe ich noch gespielt, am 13. bin ich schon ausgefallen und am 14. habe ich meinen letzten Auftritt gehabt. Jetzt ist natürlich bis auf Weiteres alles erst mal abgesagt, klar.
Jetzt haben Sie Zeit fürs Schreiben.
Ja, ich hatte mich schon gefreut in den ersten Tagen. Da dachte ich, egal, jetzt ist mal ein paar Wochen zu, und ich schreibe fröhlich fürs Sommerprogramm vom Kabarett Dusche. Die hatten ein neues Programm zum Thema "Urlaub" geplant, und ich hätte quasi die eine Hälfte schreiben sollen und Wolfgang Marschall die andere. Zwei Tage später bekam ich einen Anruf von der Klapsmühl’, und es hieß: "Nein, das müssen wir jetzt auch lassen. Wir können uns gar kein neues Programm leisten, wenn wir jetzt erst mal geschlossen haben."
Haben Sie eine Vorstellung davon, wie es den Kleinkunstbühnen jetzt geht?
Ich denke, es ist ziemlich katastrophal. Bei vielen ist es immer schon sehr knapp gewesen, und da ist das jetzt wirklich eine Herausforderung. Ich schätze schon, dass es zehn Prozent dieser Theater erwischen wird. Da wird sich schon etwas verändern in der Kulturlandschaft, das steht zu befürchten.
Wie sieht es jetzt mit Ihren Einnahmen aus?
Die fallen weg. Das ist für alle Kollegen, die nicht gerade in der A-Liga spielen, gerade sehr anstrengend und auch existenzgefährdend. Alle rechnen gerade: Wie lange komme ich denn durch und was mache ich denn dann? Der Kollege Christoph Sieber hat einen Fonds gegründet, in den Leute Geld einzahlen können, das dann an Bedürftige aus dem Bereich Kabarett und Kleinkunst ausgeschüttet wird. Damit man die, bei denen es sonst zu eng ist, in den nächsten Monaten durchbringt. Also, es gibt schon viel Vernetzung und Solidarität, aber es muss natürlich jeder gucken, wo er bleibt.
Wie sieht gerade Ihr Alltag aus?
Ich habe zwei Kinder, das eine ist ein Baby und das andere ist fünf Jahre alt. Der hat jetzt auch keinen Kindergarten, gleichzeitig geht man nicht raus, das macht’s schwierig. Das heißt, da droht der Lagerkoller. Wir haben jetzt unseren Alltag so weit organisiert und hoffen, dass wir da durchkommen. Aber bei mir gehört der Kabarettist zur Identität, und da geht’s jetzt ans Eingemachte. Viele Kollegen denken jetzt natürlich darüber nach, irgendwie online mehr anzubieten, mehr zu podcasten, mehr zu bloggen oder so, um den Kontakt mit dem Publikum zu halten. Das überlege ich jetzt auch, gar nicht mal unter kommerziellen Aspekten, sondern damit man weiter das Gefühl hat, man arbeitet, und ein paar Leute nehmen ja tatsächlich auch wahr, was man macht.
Wenn alles gut geht, werden Sie zum Jahreswechsel wieder einen Rückblick schreiben und spielen, nehme ich an. Können Sie sich jetzt schon vorstellen, wie Sie dann auf die derzeitige Lage zurückschauen werden?
Da befürchte ich, der Jahresrückblick könnte diesmal relativ monothematisch werden. Aber ich schreibe die Rückblicke ja immer erst Anfang November. Bis dahin hat man vielleicht ein bisschen mehr Abstand oder ist geübter in Corona. Erst mal wünsche ich, dass wir nichts abkriegen, dass es irgendwann wieder weitergeht und wir das Glück haben, dass alles nicht ganz so schlimm gekommen ist, wie es hätte kommen können. Das wäre schon mal nicht schlecht.