Wenn Bülent Ceylan aus Liebesbriefen Mozarts vorliest

Schüler des Car-Benz-Gymnasiums Mannheim gewannen den Comedian als "Sonderpreis". Ceylan warb für den handgeschrieben Liebesbrief.

07.11.2016 UPDATE: 08.11.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 7 Sekunden

Bülent Ceylan las Liebesbriefe auch von Mozart vor. Foto: dpa

Von Stephanie Kuntermann

Mannheim. "Der Bülent!", haucht eine Schülerin atemlos und schlägt die Hand vor den Mund. Die Klasse hat eine Überraschung erwartet, denn gerade hat Werner Burkhardt hohen Besuch angekündigt. Allerdings hat sich der Direktor des Carl-Benz-Gymnasiums über Details zum Überraschungsgast ausgeschwiegen und erst einmal die Entourage an Journalisten und Fotografen eingelassen. Dann klopft es - und Bülent Ceylan steht in der Tür. Erst herrscht perplexes Schweigen, dann große Freude bei den Zwölftklässlern des Technischen Gymnasiums in der Neckarstadt.

Der Besuch des Kabarettisten ist nicht nur ein gelungener Coup, sondern auch der Sonderpreis bei einem von der Deutschen Post, dem Berliner Museum für Kommunikation und der Stiftung Lesen initiierten Wettbewerb zur Frage "Warum heute noch Brief?". Die Mannheimer Jugendlichen fanden die Antwort in einem fünfminütigen Film, den sie zusammen mit den Regisseurinnen Natalie Rehberger und Stella Tümmler drehten und einreichten.

Gezeigt wird ein Experiment: Die Schüler sollen einen Brief an einen zufällig ausgelosten Klassenkameraden schreiben. Danach öffnen sie die Umschläge und lesen Sätze wie "Du hast bewundernswerte Augen" oder "Du bist eine Bereicherung für die Klasse". Ein Mädchen bekennt, dass es noch nie einen Brief geschrieben hat. Freude und Rührung empfinden auch ihre Klassenkameraden über das ungewöhnliche Geschenk, die Handschrift, den Umschlag, die so anders sind als die üblichen Handynachrichten: "Man kann den Brief anfassen und aufheben." Das wollen alle tun, denn: "Briefe bleiben."

Auch die Briefe an Hölderlin und Constanze Mozart. Ceylan liest den Schülern aus den historischen Liebesbriefen von "Diotima" und Wolfgang Amadeus Mozart vor und beginnt eine lockere Plauderei. Auch er habe mal klein angefangen, sagt der Absolvent des benachbarten Ludwig-Frank-Gymnasiums. Seine Figuren "Harald" oder der Hausmeister existieren tatsächlich: "Die Anneliese ist Verkäuferin, und ich fand es toll, wie sie versucht hat, ihren Mannheimer Dialekt zu unterdrücken und Hochdeutsch zu sprechen."

Das Kieksen, mit dem die Inhaberin des "exklusiven Pelzmodengeschäfts" ihre Tiraden garniert, ist dichterische Freiheit des Mannheimers. Der hat in seiner Heimatstadt Politik und Philosophie studiert: "Ich versteh’ bis heut net, warum", erzählt er freimütig. Aber, macht er seinen Fans Mut, letztlich sei nicht wichtig, was man mache: "Es kommt darauf an, dass ihr Spaß habt an dem, was ihr tut." Ein Lehrer, findet er, muss locker sein, und er glaubt, dass Thorsten Kindermann das hinkriegt. Der Deutschlehrer wächst ein paar Zentimeter angesichts dieses Kompliments. Er ist es auch, dem die Klasse "den Ceylan" verdankt, denn er hat den Comedian aus einer Liste von 100 prominenten "Lesepaten" ausgewählt, die ehrenamtlich für die Stiftung Lesen unterwegs sind.

Nach und nach verlieren die Teenager ihre Scheu, und Ceylan verlässt die kabarettistische Bühne. "Es ist schade, dass sich in Deutschland schon die Türken bekriegen, das ist eine sehr gefährliche Sache", bemerkt er, als der Name Erdogan fällt. IS und AfD sind ebenfalls Themen, bei denen er findet, dass man ruhig Stellung beziehen sollte. Denen würde er aber keinen Brief schreiben, sagt er später zur RNZ. Aber grundsätzlich schreibe er schon: "Das ist einfach persönlicher als eine SMS."

Bevor er geht, kommen dann doch noch die unvermeidlichen Handys zum Einsatz: Den Arm mit dem Smartphone hochgereckt, den anderen vertraulich um Bülents Schulter gelegt, wird fürs Erinnerungsfoto posiert, was das Zeug hält. Der Entertainer macht mit, lächelt, schreibt Autogramme, klopft Schultern. Ganz das große Idol der Schüler.

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