Flüchtlinge in Mannheimer Spinelli-Kaserne: Morgens protestiert, abends gefeiert

Die Taschengeldausgabe sorgte in der ehemaligen Kaserne für Turbulenzen - Flüchtlinge hadern auch mit der Unterbringung

17.12.2015 UPDATE: 18.12.2015 06:00 Uhr 2 Minuten, 16 Sekunden

Cris Cosmo sang gestern für die Flüchtlinge in der ehemaligen Spinelli-Kaserne. Am Morgen gab es hier noch Proteste. Foto: Gerold

Von Alexander Albrecht

Allmählich füllt sich der Platz vor dem Truck des Rhein-Neckar-Fernsehens. Immer mehr Flüchtlinge laufen am Donnerstagabend zu der Bühne, auf der gerade Musiker Cris Cosmo steht. "An vielen Ecken dieser Erde gibt’s verdammt viel Stress, Leute hungern, Leute sterben, und die Leute wollen da weg", singt der Mann mit der Gitarre. Viele Zuhörer würden den Song wahrscheinlich prompt in den Soundtrack ihres Lebens aufnehmen - wenn sie besser Deutsch könnten.

Doch die Flüchtlinge gehen auch so mit. Die meist jungen Männer wippen und tanzen, sind fröhlich. Eine willkommene Abwechslung zum tristen Alltag in der ehemaligen US-Kaserne Spinelli im Stadtteil Feudenheim. Zu den Sorgen, Nöten und dem ganzen Stress, den die Unterbringung manchmal mit sich bringt.

In den Morgenstunden war die Stimmung eine ganz andere. Wütend und aufgeheizt. Rund 50 Iraker und Syrer sollen nach Polizeiangaben kurz nach 8 Uhr die Spinelli-Zufahrt blockiert und dadurch auch den Verkehr auf der angrenzenden Straße "Am Aubuckel" kurzzeitig beeinträchtigt haben.

Grund des Zorns: die aus Sicht der Asylbewerber zu langen Registrierungszeiten. Taschengeld bekommt nur, wessen Personalien zuvor aufgenommen wurden. Das weiß offenbar nicht jeder. Der mit mehreren Streifenwagen angerückten Polizei und dem Sicherheitspersonal gelang es, die "Demonstranten" zu besänftigen. Es war der zweite Einsatz der Beamten binnen weniger Stunden auf dem Spinelli-Gelände. Schon in der Nacht auf Donnerstag waren aus ähnlichen Gründen rund 100 Flüchtlinge aneinandergeraten und hatten sich mit den Security-Leuten gezofft.

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Der Streit hatte sich im Wesentlichen an einer angeblich ungerechten Verteilung des Taschengelds entzündet. Manche Flüchtlinge bekamen etwas, andere nicht. Auch die schlechte Unterbringung und das schleppende Registrierungsverfahren wurden moniert. Verletzte gab es keine. Aber lange Gesichter. "Ich habe in zwei Monaten kein Geld gesehen", klagt ein aus Syrien stammender Arzt. "Anderen, die nach mir kamen, ist es schneller ausgezahlt worden." Ein junger Afghane pflichtet ihm bei: Die deutschen Behörden arbeiteten nicht korrekt, wettert er. Und die Unterkunft sei eine Zumutung.

Rund 80 Prozent der gegenwärtig 3000 Flüchtlinge leben in ehemaligen Fahrzeughallen der US-Armee. Dort bleiben sie so lange, bis sie auf einen Standort irgendwo in Baden-Württemberg verlegt werden. Familien, Hilfsbedürftige und Kinder hat man in zwei ehemaligen Wohngebäuden einquartiert. "Hoffentlich werden es bald mehr", sagt Gerhard Fontagnier. Der Vorsitzende von "Mannheim sagt Ja!" kritisiert, dass jedes Haus erst von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) freigegeben werden muss, ehe es ertüchtigt werden kann. "Das dauert viel zu lange." In der jetzigen Lage sei die von der großen Politik beschworene Flexibilität gefragt. Fontagnier hat schon selbst eine brenzlige Situation in einer Flüchtlingsunterkunft auf der ehemaligen Sullivan-Kaserne erlebt. Eine aufgebrachte Menschenmenge habe sich aber schnell wieder beruhigen lassen. "Oft geht es um Missverständnisse, Sprachprobleme tun ihr übriges", weiß Fontagnier, dessen Verein das Konzert mit Cris Cosmo organisiert hat.

Das federführende Regierungspräsidium will auf die Probleme reagieren. Man verteile an alle ankommenden Flüchtlinge künftig möglichst rasch ein Informationsblatt des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das den Weg des Asylverfahrens und damit etwa auch die Taschengeldausgabe in mehreren Sprachen erklärt. Das BAMF wolle bald ein Büro auf dem Spinelli-Gelände beziehen, sagt Janin Gürüz, Sprecherin des Regierungspräsidiums mit türkischen Wurzeln. "Die Registrierungszeiten verkürzen sich dadurch und es wird dem Ganzen viel negative Luft genommen", ist sie überzeugt.

Zu der Unterkunftssituation äußert sie sich nicht konkret. Es sei aber immerhin nicht so, dass Flüchtlinge auf dem Boden schlafen müssten. Alle Räume seien beheizt und das Essen gut. "Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ist Deutschland bei der Unterbringung ganz weit vorne, das muss man echt mal sagen."

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