Schwimmbad-Musik-Club: Pogo vor der gekachelten Bühne mit den Fleischhaken
Sharon Levinson buchte jahrelang Schwimmbad-Bandsund erinnert sich an die Anfangszeit mit viel Punk

Die Kommunalpolitiker, die im Aufsichtsrat der Stadtwerke sitzen, erfuhren erst kurfristig, dass der Schwimmbad-Musik-Club am Tiergartenbad zum Jahresende schließt. Dem städtischen Energieanbieter gehört das sanierungsbedürftige Gebäude des Traditionsclubs. Archivfoto: Alex
Von Thomas Veigel
Wenn man in den späten 1970er Jahren Musik abseits des Mainstream hören wollte, musste man in die "Goldene Krone" nach Darmstadt fahren. 1979 machte die Krone dann eine Zweigstelle in Heidelberg auf, den Schwimmbad-Musik-Club (SMC). Das Musikprogramm dort hatte einen Punk- und Neue-Deutsche-Welle-Schwerpunkt, aber es gab auch Folk und Weltmusik zu hören. Wir fragten Sharon Levinson, die in den ersten 18 Jahren die Bands für das "Schwimmbad" buchte und heute auf Mallorca eine Jazzagentur hat, nach den Anfangsjahren in Heidelberg .
Was war damals das Besondere am Konzept "Schwimmbad"?

Sharon Levinson. (Foto: Michael Lange)
Die Idee war eine Art Jugendzentrum, das es in Heidelberg als selbst organisiertes Haus nie gab. Und dann kam die Neue Deutsche Welle und mit ihr etliche Bands. Ich war schon seit 1971 mit Guru Guru in der Live-Musikszene tätig. Der erste Geschäftsführer des SMC, Michael Becker, hatte von mir einen französischen Künstler gebucht und kurzfristig abgesagt. Da war ich so sauer und sagte ihm telefonisch, so ginge das aber nicht, so könne man nicht arbeiten. Da bot er mir den Job an.
Das Programm des Clubs war einzigartig in der Region, setzte Trends. Was waren die Gründe dafür?
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Der Club ist mit dem Punk groß geworden, die Musik wollten andere ja nicht buchen aus Angst vor aggressiven Kids und Headbanging. Wir haben das alles gebucht, auch die Neue Deutsche Welle, und das war das Aushängeschild. Die Plattenfirmen, damals neue Independents, die Punk veröffentlicht haben, haben sich bei mir gemeldet, Live-Touren waren die beste Art, Platten zu verkaufen.
Wie konnte sich der Club die Auftritte leisten? Es haben ja nicht nur unbekannte Bands gespielt.
Die Bands waren nicht so teuer wie heute, sie lebten ja teils von Platten-Tantiemen und die Touren waren Werbung. Die Plattenfirmen haben den Tourbus bezahlt, die Plakate finanziert und so weiter. Finanziert wurden die Konzerte weitgehend durch die Disco am Wochenende, die kostete zwar nur fünf Mark Eintritt, aber es kamen eben richtig viele Leute aus dem ganzen Umland. Und für manche Konzerte kamen sie von weither. Die Konzerte kosteten so um die acht bis zehn Mark, das war erschwinglich, und auch die Getränkepreise waren zivil. Es war eben alles auf junge Leute unter 20 ausgerichtet, und die konnten so viel Lärm machen wie nirgends sonst. Und Pogo tanzen vor der gekachelten Bühne mit den Fleischhaken an der Wand im ehemaligen Kühlraum des Restaurants: Das war das perfekte Punk-Ambiente.