Nach Heidelberger Amokfahrt: Wie die Polizei gegen Lügen und Hetze in den sozialen Medien vorgeht

Das Presseteam der Polizei Mannheim reagierte souverän auf beleidigende Beiträge – Den Internetnutzern könnten Strafen drohen

27.02.2017 UPDATE: 28.02.2017 06:00 Uhr 1 Minute, 58 Sekunden
Facebook

Symbolfoto: dpa

Von Sebastian Riemer

Heidelberg. Als am Samstagnachmittag der Anruf vom Chef kam, wusste Anne Baas sofort: Das wird ein langer Tag. Die 36-Jährige ist bei der Pressestelle der Polizei Mannheim für die sozialen Medien zuständig. "Ich war natürlich geschockt über die Ereignisse am Bismarckplatz - und bin sofort ins Präsidium geeilt." Und kaum hatte sie kurz nach 18 Uhr eine erste Information über die Amokfahrt auf Twitter und Facebook veröffentlicht, brach ein Sturm von Reaktionen los. "Dass die Wellen hochschlagen, hatte ich erwartet", so Baas, "aber die Schärfe hat mich dann doch überrascht."

Über 1000 Nutzer reagierten auf die Beiträge von Baas, die meisten lobten die Polizei oder bedankten sich für die gute Arbeit. Doch dann waren da auch völlig zusammenhanglose Reaktionen wie diese: "Verstärkte Abschiebung muss von allen Bundesländern eingehalten werden ! Kein weiterer Zuzug !", schrieb ein "Twitter"-Nutzer am Abend - wohlgemerkt, nachdem längst klar war, dass der Tatverdächtige keineswegs Flüchtling ist, sondern ein deutscher Student. Baas reagierte cool - und gab sogar noch eine orthografische Hilfestellung: "Was willst Du uns mit diesem Tweet sagen? By the way: Keine Leerzeichen vor dem Ausrufezeichen!!!"

Wie dieser Mann versuchten viele im Internet, die Tat zu nutzen, um gegen Ausländer oder Flüchtlinge zu hetzen - häufig beleidigend und mit rassistischen Kommentaren gespickt. "Wir wurden auch der Lüge bezichtigt, als würden wir falsche Informationen über den mutmaßlichen Täter verbreiten", so Baas. "Solchen Falschmeldungen müssen wir entgegentreten."

Also schrieb sie am späten Abend unmissverständlich: "Und nun noch mal für alle: Tatverdächtiger: Deutscher OHNE Migrationshintergrund!" In ihren Beiträgen wählte Baas eine deutliche Sprache: "Ich habe immer auf Augenhöhe kommuniziert, aber ohne mich auf das Niveau mancher Leute herunterzulassen."

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Für manche Internetnutzer könnten ihre hetzerischen und beleidigenden Beiträge Folgen haben. "Wir müssen den Anfängen wehren", sagt Polizeisprecher Norbert Schätzle. Man prüfe, ob der Straftatbestand der Beleidigung oder gar der Volksverhetzung bei manchen Beiträgen erfüllt sei. "Gibt es einen Anfangsverdacht, leiten wir ein Ermittlungsverfahren ein." Schätzle ist dieses Thema wichtig: "Jahr für Jahr nimmt die Respektlosigkeit gegenüber Polizeibeamten, aber auch Rettungskräften zu." Und dieses Verhalten setze sich in den sozialen Medien fort. "Wir wollen diesem Gefühl der Anonymität im Internet entgegentreten. Jeder, der öffentlich seine Meinung sagt, soll auch offen dazu stehen." Beleidigungen im Internet können durchaus Konsequenzen haben: Gerade erst hat etwa das Landgericht Dresden einen 50-Jährigen zu 1200 Euro Geldstrafe verurteilt, der auf seinem Facebook-Profil eine Frau als "Assischlampe" bezeichnet hatte.

Für ihren Einsatz auf Twitter und Facebook bekam die Polizei Mannheim viel Lob - von Internetnutzern, aber auch von Medien. Die Anzahl der Menschen, die dem "Twitter"-Auftritt der Polizei Mannheim folgen, stieg seit Samstag massiv an. "Wir haben weit über 1000 neue Follower", sagt Baas. Seitdem das "Twitter"-Profil im November 2015 eingerichtet wurde, sammelten sich bis Ende Januar 2017 gerade einmal 4000 Follower - nun sind es schon 6000.

Soziale Netzwerke werden für die Polizei immer wichtiger. "Das ist für uns eine Möglichkeit, direkt mit den Leuten zu kommunizieren", sagt Anne Baas. Gerade bei Fahndungs- und Zeugenaufrufen erreiche man so schnell viele Menschen.

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