Heidelberg: Und dafür der ganze Aufwand?
Heidelberger Bettensteuer würde nur 3,4 Prozent der Touristen treffen - Hotelverband: "Möglicherweise rechtswidrig"

Blick in den Innenhof des Hotels "Der Europäische Hof", das seit 151 Jahren besteht. Die Summe, die alljährlich für eine städtische Bettensteuer fällig wäre, könnte über Wohl und Wehe des Unternehmens entscheiden. Foto: privat
Von Birgit Sommer
Die Heidelberger Hotels sind gut ausgelastet? Das könnte im Gemeinderat die Idee einer Bettensteuer befeuern: fünf Prozent auf den Übernachtungspreis für Privatreisende ab Januar 2017. Die Entscheidung darüber soll in diesem Sommer fallen. Der Hotelverband Deutschland (IHA), der jetzt seine Jahreshauptversammlung in Heidelberg abhielt, wehrt sich vehement gegen eine solche Sondersteuer. "Warum die Hotellerie?", fragte Otto Lindner, Vorstand der Lindner Hotel & Resorts und neu gewählter IHA-Vorsitzender, "warum nicht Restaurants, Blumenhändler, Taxifahrer, Bahnhöfe, die alle genauso von Touristen profitieren?" Sein Vorgänger Fritz G. Dreesen (Bonn) weiß, warum: "Wir haben eine Immobilie, wir können nicht einfach weg aus der Stadt."
Bei einem Pressegespräch im Europäischen Hof zeigt dessen Geschäftsführerin Caroline von Kretschmann auf, wie sich die Bettensteuer auf ihr eigenes Unternehmen auswirken würde. Sie beschäftigt 167 Mitarbeiter für 121 Zimmer. "Bei guten Preisen brauche ich eine Zimmerauslastung 55 Prozent, um meine Kosten zu decken, bei schlechten Preisen 60 Prozent." Preisgünstige Budget-Hotels könnten auch mit einer geringeren Auslastung rentabel arbeiten.
Hintergrund
Der Hotelverband Deutschland (IHA) ist der Branchenverband der Hotellerie in Deutschland. Er zählt rund 1400 Mitglieder aus Reihen der Individual-, Ketten- und Kooperationshotellerie, die über rund 170 000 Hotelzimmer verfügen und damit einen Anteil von mehr als 20 Prozent
Der Hotelverband Deutschland (IHA) ist der Branchenverband der Hotellerie in Deutschland. Er zählt rund 1400 Mitglieder aus Reihen der Individual-, Ketten- und Kooperationshotellerie, die über rund 170 000 Hotelzimmer verfügen und damit einen Anteil von mehr als 20 Prozent des deutschen Hotelmarktes repräsentieren. Weil immer mehr Hotels errichtet werden - auch in Heidelberg sind mehrere geplant -, sprachen sich der neue IHA-Vorsitzende Otto Lindner und Caroline von Kretschmann vom Hotel "Der Europäische Hof" bei der Jahrestagung in Heidelberg dafür aus, dass Städte selbst gute Konzepte für die Ansiedlung neuer Beherbergungsbetriebe entwickeln müssten: "Wir brauchen eine gesunde Branchenstruktur." Sie prangerten auch die weiter um sich greifenden Kurzzeitvermietungen von privatem Wohnraum an ("airbnb"). 70 Prozent aller Angebote seien als gewerblich einzustufen, ohne dass sich die Vermieter um Hygieneregeln, Brandschutz und Steuerzahlungen kümmerten. bik
Dass das Jubiläumsjahr 2015 dem "Europäischen Hof" eine Auslastung von 60 Prozent bei Zimmerpreisen von im Schnitt 240 Euro brachte, war für die Chefin "ein Traum, da konnten wir zum ersten Mal ruhig schlafen." Ohne die Medizintouristen aus den arabischen Staaten hätte sie dieses Ergebnis nicht gehabt: "Ohne die Patienten wüssten wir nicht, ob wir das Haus halten könnten."
Heidelbergs traditionsreiches Privathotel müsste bei sechs Millionen Euro Logisumsatz mehr als 200 000 Euro Bettensteuer an die Stadt abführen. Diese Summe könne in schlechten Jahren über Plus oder Minus in der Bilanz entscheiden, sagt die Hotelchefin. Auf die Gäste umlegen kann sie das nicht, wenn sie sie nicht in andere Unterkünfte treiben will. Weil der "Europäische Hof" aber jährlich 800 000 Euro für Instandsetzungen braucht und keine Mitarbeiter entlassen will, bliebe Caroline von Kretschmann nur eines übrig: Die Sponsoring-Aktivitäten zurückfahren, von denen Einrichtungen wie der "Heidelberger Frühling", das DAI oder die Universität profitieren.
Und das alles für ziemlich wenig städtische Einnahmen? Wie die Hotelchefin vorrechnet, würden genau 3,4 Prozent der Heidelberger Touristen die Bettensteuer bezahlen. Von der Steuer befreit sind elf Millionen Tagestouristen (90,2 Prozent aller Touristen) und 0,78 Millionen Geschäftsreisende (9,8 Prozent). 0,42 Millionen Menschen - Familien, Patienten, deren Begleitpersonen und Kulturtouristen - wären die Melkkühe der Stadt. Noch schlimmer: Diese Touristen könnten ins billigere Umland abwandern, wo es keine Bettensteuer gibt. Ihr Beispiel ist Freiburg: Dort verzeichneten die Hotels nach Einführung der Bettensteuer landesweit den geringsten Zuwachs.
Heidelberg rechnet mit 1,405 Millionen Euro jährlich für die Stadtkasse, wenn die Bettensteuer kommt. Demgegenüber steht ein Verwaltungsaufwand von 174 000 Euro bei der Stadt und 1,606 Millionen Euro bei den Hotelbetrieben. Für Caroline von Kretschmann ist das Minus "volkswirtschaftlicher Unsinn", mit dem man nur die Gäste verärgere.
Otto Lindner mahnt den Datenschutz an. Jeder Gast muss umständlich nachweisen, dass er auf Geschäftsreise ist. Die großen Unternehmen der Region hätten bereits signalisiert, dass sie sich diesen Aufwand mit der Ausstellung von Bescheinigungen nicht antun werden, sagte von Kretschmann. Fritz Dreesen ärgert besonders, dass ein Urteil des Bundesgerichtshofes zur Bettensteuer aussteht: "Warum wollen Kommunen eine Steuer einführen, die möglicherweise rechtswidrig ist?" Und Lindner findet, die öffentliche Hand sollte lernen, mit Geld umzugehen: "Die Kommunen verzeichnen zur Zeit Rekordeinnahmen; sie brauchen keine Bettensteuer."



