Konferenzzentrum Heidelberg

Riesenmehrheit fürs Tagen in der Bahnstadt

Gemeinderat beschloss gestern den Standort für das neue Konferenzzentrum - "Bürgerliche" hadern immer noch, stimmten aber zu

28.04.2016 UPDATE: 29.04.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 24 Sekunden

Direkt am geplanten Südausgang des Bahnhofs soll das neue Konferenzzentrum ab 2019 gebaut werden (gelb hervorgehobene Fläche) - links davon die Halle 02 und das Laborgebäude "Sky Labs". Grafik: Kay Sommer/RNZ-Repro

Von Micha Hörnle

Heidelbergs neues Konferenzzentrum kommt in die Bahnstadt. Am gestrigen Donnerstagabend beschloss der Gemeinderat mit überwältigender Mehrheit - 35 Ja-Stimmen, sechs Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen - für den Standort an der Kreuzung von Czernyring und Max-Jarecki-Straße (wo früher die beiden Bordelle standen).

Diese Entscheidung kam nicht überraschend, denn auch in der seit fast vier Jahren laufenden Bürgerbeteiligung wurde dieses Areal favorisiert - vor allem deswegen, weil es im neuen Stadtteil keine Widerstände gegen den Neubau gibt - ganz anders als bei der Stadthallenerweiterung vor sechs Jahren.

Hintergrund

Seit mindestens 25 Jahren ringt die Stadt um einen Standort für ein Konferenzzentrum

hö. Dass am Bahnhof ein Konferenzzentrum stehen könnte, ist an sich ein alter Hut: Schon 1952 schlug Oberbaudirektor Hermann Hussong ein solches in der späteren Kurfürstenanlage vor,

[+] Lesen Sie mehr

Seit mindestens 25 Jahren ringt die Stadt um einen Standort für ein Konferenzzentrum

hö. Dass am Bahnhof ein Konferenzzentrum stehen könnte, ist an sich ein alter Hut: Schon 1952 schlug Oberbaudirektor Hermann Hussong ein solches in der späteren Kurfürstenanlage vor, die damals noch Bahngelände war. Es sollte aber noch fast 40 Jahre, bis 1989, dauern, bis ein Gutachten der Stadthalle "Defizite bei der Tagungsorganisation" attestierte und zu einem Neubau am Bahnhof riet.

1995 analysierte die Stadt elf Grundstücke für ein Konferenzzentrum, fünf blieben in der engeren Wahl, darunter die Hauptpost am Bahnhof. Der Gemeinderat beschloss im Jahr darauf, drei Standorte auszuschreiben (Hauptpost, Schlosshotel, Stadthalle). Grundbedingung war, dass der Neubau die Stadt nichts kosten soll; Ende 1996 empfahl der Hotel- und Gaststättenverband, die Stadthalle unterirdisch zu erweitern.

Im Jahr 2000 wurde der Standort Bahnhof erneut ausgeschrieben, 2002 erhielt die französische Firma Bouygues den Zuschlag, die sich aber dann aus Deutschland ganz zurückzog. 2004 wurde zum dritten Mal ausgeschrieben - Standort war der Bahnhof, aber auch andere Optionen waren möglich; alle sechs Bewerber wollten einen Betriebskostenzuschuss von der Stadt.

Unter dem neuen Oberbürgermeister Eckart Würzner wurde vorrangig geprüft, ob man die Stadthalle erweitern kann, 2008 gab der Gemeinderat eine Machbarkeitsstudie in Auftrag, später einen Architekturwettbewerb für die Erweiterung der Stadthalle. Ein Bürgerentscheid am 25. Juli 2010 kippte das mit Zwei-Drittel-Mehrheit. 2011 lief die Bürgerbeteiligung an, die den ganzen Prozess neu aufrollte: Erst wurde der Bedarf für ein Konferenzzentrum festgestellt, dann der Standort gesucht. 91 Vorschläge machten die Bürger, von denen sechs in der engeren Wahl blieben - fünf davon waren in Bahnhofsnähe.

[-] Weniger anzeigen

Und so fielen gleich zwei Leuten etliche Wackersteine vom Herzen: OB Eckart Würzner ("Wir haben endlich einen Standort beschlossen, vielen, vielen Dank") und Heidelberg-Marketing-Geschäftsführer Matthias Schiemer: "Ich bin erleichtert. Ich freue mich sehr, dass es so ausgegangen ist", sagte der städtische Tourismuschef der RNZ.

Und er zeigte sich "ganz sicher", dass das Konferenzzentrum - die geschätzten Baukosten liegen bei rund 65 Millionen Euro - bis 2021 fertig wird. Nun muss im nächsten Schritt geklärt werden, wer das Haus, zu dem auch ein Konferenzhotel gehören soll, betreiben wird.

Auch interessant
: Konferenzzentrum: Die meiste Kritik gab es beim Altklinikum

In der Sitzung hingegen war von Euphorie relativ wenig zu spüren - zumal sich eher die Kritiker zu Wort meldeten. Teile der Grünen, aber auch die Bunte Linke und die Grün-Alternative Liste (GAL) sahen generell keinen Sinn in einer neuen großen Tagungsstätte und befürchteten verheerende Auswirkungen für den städtischen Haushalt: "Es ist nie gelungen, mich davon zu überzeugen, dass Heidelberg das braucht. Das wird ein Groschen-, nein, ein Millionengrab", sagte Hans-Martin Mumm (GAL).

Peter Holschuh (Grüne) hatte Zweifel, ob die Kosten beim Bau und beim Betreiben im Rahmen bleiben würden: "Allein die Stadthalle kostet uns heute schon zwei Millionen Euro Zuschuss im Jahr. Und mit dem neuen Konferenzzentrum wären das fünf Millionen."

Wolfgang Lachenauer ("Die Heidelberger"), ein Freund der vor sechs Jahren gescheiterten Stadthallenerweiterung, kam auch auf die Kosten zu sprechen: "Damals sollte der Stadthallenanbau 26 Millionen kosten, jetzt liegen wir in der Bahnstadt bei 70 Millionen Euro. Das wird uns finanziell sehr auf der Tasche liegen."

Kritik, vor allem aus dem "bürgerlichen" Lager, erntete auch der Standort an sich: "Wir sind damit überhaupt nicht einverstanden: Wir wollten kein 08/15-Konferenzzentrum und das Heidelberger Flair berücksichtigen.

Aber dieser Standort hat mit dem Flair der Stadt nichts zu tun", schimpfte Lachenauer, worauf Anke Schuster (SPD) ihm zurückgab: "Das Flair und einen geeigneten Standort kann es nicht zusammen geben, da muss immer ein Aspekt Federn lassen. Es gibt nicht nur das romantische Heidelberg, es gibt auch ein modernes. Diese Stadt hat beide Gesichter."

In diesem Punkt blieb sich Schusters Partei treu, denn die SPD war die einzige politische Kraft, die durchgängig seit 15 Jahren für ein Konferenzzentrum am Bahnhof kämpfte. Neben ihr pries nur Manuel Steinbrenner von den Grünen die Vorzüge der Bahnstadt: "Es ist doch ganz offensichtlich, dass das der beste Standort ist."

Die CDU gab sich nüchtern-pragmatisch: "Zugegeben, wir hätten uns einen anderen Standort gewünscht - nach wie vor wäre es die Stadthalle. Aber es gibt nun klare Fakten, und so ist das nicht eine Herzens-, sondern eine Kopfentscheidung", meinte Alexander Föhr: "Wo am Bahnhof das Konferenzzentrum gebaut wird, ist dann nicht so wichtig."

Auch Michael Eckert (FDP) befand, die jetzige Entscheidung sei "kein Wunschkonzert": "Wir haben jetzt nur die Wahl: kein Konferenzzentrum oder eines, dessen Standort uns nicht gefällt." Und so stimmten dann auch CDU, "Heidelberger", FDP und Freie Wähler eher notgedrungen für den Standort Bahnstadt.

Richtig zufrieden war gestern aber doch noch jemand: Dieter Strommenger, der einst die Bürgerinitiative gegen den Stadthallenanbau mitbegründete und nun die Bürgerbeteiligung für das neue Konferenzzentrum mitorganisierte: "Die Larmoyanz, der Stadthalle hinterherzutrauern, ist nicht angebracht. Die Beteiligung der Bürger war ein Schritt in eine neue politische Entscheidungskultur in der Stadt - und sie macht uns alle zufriedener."

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.