Brauchen Flüchtlinge eine psychotherapeutische Betreuung?
Bernhard Trenkle beim Kongress der Psychotherapeuten: Lieber eine handfeste Perspektive als eine psychologische Behandlung - Traumatisierte in Ruhe lassen ist oft besser

Flüchtlinge in Patrick Henry Village, ein Bild vom Juli dieses Jahres. Foto: Rothe
Von Birgit Sommer
Flüchtlinge waren als Thema bei der Tagung der mehr als 1500 Ärzte und Therapeuten in Heidelberg nicht vorgesehen, als diese vor eineinhalb Jahren geplant wurde. Doch das Thema ist jetzt da, und der Initiator der Tagung, der Diplom-Psychologe Bernhard Trenkle (Rottweil), nutzt einfach die Gelegenheit, mit den Experten für Traumatherapie zu sprechen: Wie geht es den Flüchtlingen? Brauchen sie eine psychotherapeutische Betreuung? Oder kann man ihnen anders besser helfen? Wenn er noch Platz finde im eng getakteten Programm des Kongresses, wolle er dieses politische Thema auch außer der Reihe aufgreifen.
Dass weniger mehr sein kann - auf diese Idee hat ihn ein Gespräch mit der bekannten Kognitiven Verhaltenstherapeutin Christine Padesky gebracht. Sie hatte die Effektivität der Antitraumaprogramme für Einsatzkräfte nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 in New York untersucht. Ihr Ergebnis: Die Feuerwehrleute fanden das Debriefing-Programm unterstützend und hilfreich - doch im Schnitt ging es denen besser, die gar nicht in den Genuss des Programmes gekommen waren. Ähnlich könnte es Einsatzkräften nach Flugzeugabstürzen und Tsunamis gehen - oder Opfern von Einbrechern. Vielleicht sogar Kriegsteilnehmern: Bernhard Trenkles Großvater wurde noch im Alter von 98 Jahren ab und zu von einem schrecklichen Bild aus dem Ersten Weltkrieg heimgesucht, über das er nie sprach. Und baute doch ein ganzes Leben noch auf. Manchen gelingt es, schlimme Ereignisse so zu verarbeiten, dass sie nicht groß belastet bleiben. "Heute hätte ich meinem Großvater mit Traumatherapie helfen können", sagt Trenkle, doch grundsätzlich stellt er die Frage:"Wem geht es besser, wenn man ihn in Ruhe lässt?"
Spricht er da gegen seine eigene Profession? Bernhard Trenkle schmunzelt. Die Traumatherapeuten werden deshalb nicht überflüssig. Wenn die Menschen an Schlafstörungen, Panikattacken und anderen Symptomen litten, kämen sie von selbst zum Psychologen. "Ich denke, solange einer nicht aktiv kommt, müssen wir ihn in Ruhe lassen." Die Altlasten, das kenne man aus Nachkriegszeiten, kämen möglicherweise durch, wenn es den Leuten besser gehe - oder gar erst in der nächsten Generation. "Jetzt ist es wichtig, dass die Flüchtlinge eine Perspektive bekommen, dass sie etwas aufbauen können und Sicherheit gewinnen." Leute, die 10 000 Euro für ihre Flucht zahlen könnten, hätten ja schließlich im Leben schon mal etwas geleistet. Möglicherweise fürchteten die Pegida-Demonstranten in Dresden, wo es keine Islamisten gebe, genau das: Dass ihnen die fremden Neuankömmlinge zeigten, wie man durch harte Arbeit Karriere machen könne.
Dass sich die Flüchtlinge aber in einer verletzlichen Situation befinden, nutzen seines Wissens etwa auch Salafisten aus. Sie versuchten, die Geretteten gegen die Deutschen einzunehmen, berichtete er an einem Beispiel aus Köln.