Bis der Tod oder das Familiengericht uns scheidet

Abteilungsleiter Stephan Beichel-Benedetti klärte in der Vortragsreihe "Alles, was Recht ist" über seine Arbeit auf

26.09.2013 UPDATE: 26.09.2013 06:00 Uhr 1 Minute, 58 Sekunden
Stephan Beichel-Benedetti ist Chef des Heidelberger Familiengerichts. Foto: Rothe
Von Holger Buchwald

Gemeinsame Kinder werden im Streit instrumentalisiert, die ehemaligen Lebenspartner sind tief gekränkt und bekriegen sich. Das ist für Stephan Beichel-Benedetti, Abeilungsleiter des Heidelberger Familiengerichts, Alltag. An einem Beispielfall stellte er nun im Justizgebäude vor rund 80 Zuhörern seine Arbeit und die damit verbundenen Probleme vor.

Der Fall, den Beichel-Benedetti konstruiert, beginnt wie viele Romanzen. Herr Kramer lernt noch während seiner Studienzeit Frau Schmidt kennen. Das Paar heiratet, bekommt zwei Kinder. Der Vater macht Karriere als Oberarzt, während seine Frau ihm den Rücken freihält. Doch als der Junge und das Mädchen fünf und sieben Jahre alt sind, kümmert sich Herr Kramer immer weniger um die Familie. Seine Frau hat schließlich eine Affäre. Es kommt zum finalen Streit. Er packt seinen Koffer und braust mit dem Familienauto davon. Einigkeit herrscht nur noch in einem Punkt: Das war's.

Mit der Entscheidung, sich zu trennen, fangen die Probleme an. Wer von den beiden Ehepartnern bleibt im gemeinsamen Haus, wer bekommt das Auto, was geschieht mit den Krediten? All diese Fragen muss im Streitfall das Familiengericht klären. Die Arbeit von Richter Beichel-Benedetti ist vielschichtig und berührt finanzielle Fragen aber auch die des Umgangs- und Sorgerechts.

Anders als bei Streitigkeiten vor dem Zivilgericht haben die Parteien nicht nur ein punktuelles Problem miteinander, sondern es bestehen vielschichtige familiäre Bindungen. Beim Familiengericht gilt der Grundsatz der Vorbefassung. Bei allen Streitigkeiten der Ex-Partner gleich welcher Art, kümmert sich immer derselbe Richter um die Probleme. "Wer wegen der Kinder bei mir streitet, wird auch nach zwei Jahren von mir geschieden", so der Richter.

Wichtig für das Gericht ist, die Kontinuität für die Kinder zu wahren. So bleiben Frau Kramer und die Kinder im Haus wohnen. Sie bekommen auch den Volvo Kombi. Das gemeinsame Sorgerecht bleibt bestehen. In der Folgezeit kommt es aber häufig zu Streitigkeiten. Herr Kramer hält aus beruflichen Gründen die vereinbarten Abholtermine nicht ein. Seine Noch-Ehefrau behauptet, die Kinder wollten ihn eh nicht sehen.

In solchen Streitfragen vermittelt Beichel-Benedetti gerne an die Partner des Heidelberger Kooperationsmodells (Heiko): Nach einem Erörterungstermin beim Jugendamt werden die streitenden Elternteile an Beratungsstellen vermittelt. Die vereinbarten Regeln müssen eingehalten werden. Kommt es danach doch zu einem Prozess, wird das Kind angehört. Eltern müssten aber keine Angst haben, dass ihr Junge oder Mädchen sich nun für einen Elternteil entscheiden müsse, so Beichel-Benedetti. Sie dürfen ihre Wünsche und Ängste frei äußern.

Trotzdem ist eine Einigung schwierig. Immer wieder bringen die streitenden Elternteile ihre Kinder ins Spiel. Die Mutter behauptet, dass es ihnen beim Vater schlecht gehe. Die Gefahr eines Loyalitätskonflikts ist allgegenwärtig. Um die Autonomie über ihr eigenes Leben wiederzubekommen, empfiehlt Beichel-Benedetti deshalb allen Betroffenen, bestehende Hilfsangebote wie Mediation oder Selbsthilfegruppen anzunehmen. Er selbst kann einen Verfahrensbeistand als Anwalt der Kinder einsetzen oder im Falle psychischer Erkrankungen einen Gutachter einschalten.

Bei Kramers haben die gemeinsamen Anstrengungen nach einigen Monaten funktioniert. Der Vater versucht inzwischen die Umgangstermine mit seinen Kindern einzuhalten. Die Eltern streiten nicht mehr vor den Kindern. Trotzdem wollen beide weiterhin die Scheidung. Das Ziel ist erreicht: Herr und Frau Kramer haben die Autonomie über ihr eigenes Leben zurückbekommen.

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