Weinheimer Informatikerin Margarete Fuß wurde Science-Fiction-Autorin
Wenn Realität und Fiktion verschwimmen: Ihr erstes Werk ist eine erschreckend wirklichkeitsnahe Dystopie.

Stolz ist Margarete Fuß auf ihren ersten Roman "Die Marionetten Eliterias". Die Idee dazu kam aus ihrem Arbeitsleben als Informatikerin. "Das ist schon ein Abenteuer, morgens am Schreibtisch vor dem weißen Blatt zu sitzen", sagt die Autorin. Foto: Dorn
Von Marilena Geugjes
Weinheim. Von einer erfolgreichen Informatikerin bei einem der größten deutschen Unternehmen zur freischaffenden Autorin eines Science-Fiction-Romans - das klingt mutig, doch für die Weinheimerin Margarete Fuß war dieser Schritt eine logische Konsequenz. Denn ihre Arbeitserfahrungen, täglichen Erlebnisse im Unternehmen und ihre Unzufriedenheiten im Job inspirierten sie erst zu ihrem Buch "Die Marionetten Eliterias", das nun online sowie in jedem Buchladen bestellbar ist.
Der Roman ist eine Gesellschaftsdystopie. Er zeigt, wie unsere Gesellschaft bei andauerndem technologischen Fortschritt in einigen Jahrzehnten aussehen könnte. Allerdings ist diese Aussicht nicht gerade rosig: Obwohl diverse Programme und Geräte den Alltag erleichtern, fehlen in dieser Welt Zwischenmenschlichkeit, Selbstbestimmung, Privatsphäre und Freiheit. Die Einwohner "Eliterias" sind gläserne Menschen, sie haben alle ihre Daten abgegeben. Die Unternehmen, für die sie arbeiten, wissen alles über sie, kontrollieren und planen ihr Leben.
Erschreckend ist, dass die fiktiven Technologien, die Fuß in ihrem Buch beschreibt, bei genauerer Betrachtung gar nicht mehr so fiktiv sind: Die virtuelle Assistentin, welche die Protagonistin Sarah rund um die Uhr begleitet, ist eine Weiterentwicklung der Apple-Assistentensoftware "Siri". Und der Gesundheitschip, den alle Romancharaktere unter ihrer Haut implantiert haben und der sämtliche Werte misst und überwacht, ist nicht allzu weit entfernt von bereits existierenden "Health"-, "Fitness"- und "Selftracking"-Apps. In "Die Marionetten Eliterias" haben die Charaktere ihre eigenen inneren Stimmen ausgelagert und vertrauen auf Technologie und Anweisungen von "oben".
"Ich bin keine bedingungslos technikbegeisterte Informatikerin", erklärt Fuß. Vielmehr hinterfrage sie den gesellschaftlichen Nutzen jeder technischen Neuerfindung. Auch Datenschutz ist ein wichtiges Thema für sie. "Wer unsere Daten besitzt, hat Macht über uns", erklärt die Autorin. So wie die Unternehmen in ihrem Roman. Sie möchte ihre Leser für diese Problematik sensibilisieren.
Eine weitere aktuelle Entwicklung in der Arbeitswelt spitzt Fuß in ihrem Buch zu: die Sache mit der "Work-Life-Balance". "Heutzutage wollen die Unternehmen, dass ihre Mitarbeiter rund um die Uhr erreichbar sind", erzählt Fuß. Der Lebensmittelpunkt der Angestellten solle im Idealfall an den Arbeitsplatz verlegt werden. Der Job ist das Leben. In Eliteria äußert sich das dadurch, dass die Protagonistin Sarah sogar ihre Kinder lediglich über einen Bildschirm zu Gesicht bekommt. Als sie feststellt, dass diese Bilder manipuliert sind, beginnt sie, das System zu hinterfragen.
Sarah und Margarete Fuß sind beide Informatikerinnen, haben aber sonst nicht viele Gemeinsamkeiten. Fuß wuchs in einer Arbeiterfamilie auf, ihr Vater war Bergarbeiter. Sie studierte in Dortmund Informatik, doch die Akademikerwelt blieb ihr fremd. "Durch meine Herkunft habe ich mir eine gewisse Außenansicht bewahrt", erzählt sie.
Immer wieder hinterfragt sie die militärisch ausgerichtete Forschung in ihrem Fach, sucht nach moralischen Leitlinien. Fast 20 Jahre arbeitet sie schließlich bei einer großen Softwarefirma, findet es absurd, dass sie ihre Kolleginnen und Kollegen aus anderen Ländern lediglich aus der Telefonleitung kennt. Die Idee zu ihrem Roman formiert sich bereits zu dieser Zeit. "Mir fielen immer häufiger Dialoge zwischen fiktiven Charakteren ein", erzählt Fuß, "und irgendwann habe ich sie aufgeschrieben." Aus diesen ersten Dialogen entwickelten sich Figuren, eine Geschichte, eine Welt. Margarete Fuß kündigt 2009 ihren Job und widmet sich dem Schreiben.
Am Institut für angewandte Kreativitätspsychologie in München findet sie Gleichgesinnte sowie Unterstützung beim Schreibprozess. "Das ist schon ein Abenteuer, morgens am Schreibtisch vor dem weißen Blatt zu sitzen", erzählt sie schmunzelnd. Da bedarf es einiges an Selbstdisziplin.
Ihr Geheimnis? Jeden Tag etwas schreiben, egal, wie unfertig es auch sein mag. "Überarbeiten kann man es danach immer noch", erklärt die Autorin. Im Jahr 2013 war schließlich das erste Manuskript von "Die Marionetten Eliterias" fertig. Der Überarbeitungsprozess mit einer professionellen Lektorin sowie die Publikation sind nun abgeschlossen, das Buch ist lesefertig. "Im Weinheimer Buchhandel gibt es sogar schon Exemplare vorrätig", sagt Fuß stolz. Und was kommt jetzt? Das Abenteuer geht weiter. Sie habe schon eine Idee für den nächsten Roman.
Info: Margarete Fuß: Die Marionetten Eliterias, ISBN: 978-3-8370-3532-2