Günstige Tarife allein reichen nicht aus
Konkrete Fahrgastzahlen liegen frühestens im August vor - Specht spricht sich für eine CO2-Steuer aus

Wie viel mehr Menschen durch das Green-City-Ticket vom Auto auf Bus und Bahn umgestiegen sind, ist noch unklar. Foto: Gerold
Von Olivia Kaiser
Mannheim. Genaue Fahrgastzahlen konnte der Erste Bürgermeister Christian Specht (CDU) zwar noch nicht vorlegen, aber so viel ist klar: Die vergünstigten Ticketpreise beim öffentlichen Nahverkehr in der Großwabe Mannheim-Ludwigshafen zeigen "eine erste Wirkung". Mannheim ist eine von fünf Modellstädten, die im Auftrag der Bundesministerien für Umwelt und Verkehr in den Jahren 2019 und 2020 verschiedene Maßnahmen testen sollen, wie man die Stickoxidbelastung eindämmen und so Diesel-Fahrverbote vermeiden kann. Bei der Jahrestagung des Verbands deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), die noch bis zum Mittwoch im Mannheimer Rosengarten stattfindet, informierte Specht über das Modellstadt-Projekt.
Seit 1. Januar gibt es das Green-City-Ticket. Der Preis eines Einzelfahrscheins für Erwachsene reduzierte sich von 2,60 auf 1,80 Euro. Auch das digitale Ticket, der sogenannten Luftlinientarif, den Fahrgäste über eine App auf ihrem Smartphone nutzen können, wurde günstiger und die App verbessert. Zudem erhalten Neukunden ein Startguthaben von 20 Euro.
"Unsere erste Zwischenbilanz ist positiv", bekundete Specht. Konkrete Zahlen könne er allerdings erst zum dritten Quartal vorlegen. Der Grund: Der Erfolg lasse sich an den absoluten Fahrgastzahlen nicht wirklich messen. Man müsse noch klären, ob es sich wirklich um neue Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs handle, oder ob vorher andere Tickets genutzt worden seien. "Bei der App verzeichnen wir deutliche Zuwachsraten", erklärte der Erste Bürgermeister.
Gut angenommen werde zudem die Verdichtung der Buslinien 45 und 50. Die Linie 45 wurde vom Endpunkt Neuostheim bis Waldhof-Bahnhof verlängert und nimmt dabei denselben Weg wie die Buslinie 50, sodass die Busse im Zehn-Minuten-Takt fahren.
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Ein weiterer Baustein sind neue Regelungen beim Jobticket. Unternehmen, die ihren Mitarbeitern ab 2019 das Ticket zu Verfügung stellen, schließen einen Vertrag für drei Jahre ab, müssen aber erst ab dem dritten Jahr die Arbeitgeber-Grundgebühr bezahlen. Aufgrund dieses Angebots seien jetzt auch kleinere Unternehmen mit fünf oder zehn Mitarbeitern vertreten. "Wir haben einen Anreiz geschaffen", erklärte Christian Specht. "Viele Unternehmen geben uns die Rückmeldung, dass sie dabei bleiben wollen, auch wenn sie ab dem dritten Jahr den Grundbetrag zahlen müssen." Doch vergünstigte Ticketpreise seien nur ein Faktor, warum sich Menschen für den öffentlichen Nahverkehr entscheiden. "Es geht auch um die Taktung, das Streckennetz, Sicherheit und Sauberkeit", gab Specht zu bedenken.
Zunächst hatte der Bund der Stadt Mannheim 47 Millionen Euro an Modellstadt-Mitteln zugesagt, im Förderbescheid für die einzelnen Maßnahmen wurden dann aber lediglich 30 Millionen Euro bewilligt. "Insbesondere bei den Tarifmaßnahmen zeigt sich jetzt: Wir benötigen die restlichen Mittel aus der Zusage von den 47 Millionen Euro, um die Maßnahmen bis Ende des Projekts fortführen zu können", appellierte Specht in Richtung Berlin.
Noch immer ist zudem nicht klar, wie es nach dem 31. Dezember 2020 weiter geht, wenn das Modellstadt-Projekt ausläuft. Denn wenn man dauerhaft mehr Menschen aus dem Auto in Busse und Bahnen bringen will, muss massiv in den Streckenausbau investiert werden. Die Frequenz muss steigen, dazu werden mehr Fahrzeuge benötigt. Und das alles kostet Geld. 13 Milliarden Euro aus den Steuereinnahmen des Bundes fließen laut VDV-Präsident Ingo Wortmann jetzt schon pro Jahr in den öffentlichen Nahverkehr. Für den massiven Streckenausbau oder gar einen kostenlosen Personennahverkehr käme ein Vielfaches oben drauf.
Deshalb hält Christian Specht ein Gratis-Ticket nach wie vor nicht für realistisch. Er setzt bei der Finanzierung eines verbesserten öffentlichen Nahverkehrs als zentralen Baustein für die Verkehrswende deshalb auf die CO2-Steuer: "Daran führt kein Weg vorbei. Das Klimaschutzgesetz wird kommen, und ich gehe davon aus, dass es eine CO2-Bepreisung enthalten wird." Ob die über einen Zertifikat-Handel oder eine Abgabe umgesetzt werde, ist für Specht zweitrangig. Er wünscht sich, dass diese Einnahmen der Modernisierung und Entwicklung des Personennahverkehrs zugute kommen. Specht bekräftigte: "Darauf setze ich."