Leipzig gegen Hoffenheim

Remis zwischen den Schachspielern

Taktikschlacht führte zum 1:1 – Rangnick und Nagelsmann demonstrieren Einigkeit

26.02.2019 UPDATE: 27.02.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 49 Sekunden
Wegbereiter: Hoffenheims Brasilianer Joelinton beim Torschuss vor dem 0:1 durch Andrej Kramaric. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Leipzig. Seite an Seite liefen sie durch die Katakomben der sogenannten Red Bull Arena, plauschten nett und bestens gelaunt miteinander und schienen auf dem Weg zur Pressekonferenz auch erleichtert darüber gewesen zu sein, dass die dritte Taktikschlacht auf diesem Niveau geschlagen war. Ralf Rangnick (60), noch in Doppelfunktion bei RasenBallsport Leipzig, und der künftige Trainer Julian Nagelsmann (31), noch in Diensten der TSG 1899 Hoffenheim, arrangierten sich mit einem kampfbetonten 1:1 (0:1), dem zwar nicht der Spannungsbogen fehlte, das aber spielerisch manche Wünsche von Gourmets offen ließ.

Der gemeinsame Gang von Rangnick und Nagelsmann hatte jedenfalls hohen Symbolcharakter.

Der Abschluss des 23. Bundesliga-Spieltags bot keine Feinkost. Dies lag an mehreren Faktoren: Rangnick und Nagelsmann hatten sich und ihre jeweiligen Teams im Vorfeld des dritten saisonalen Aufeinandertreffens (1:2, 0:2 und 1:1 aus TSG-Perspektive) gegenseitig ausgeguckt. Sie sind beide Fußballbesessene und Perfektionisten höchsten Grades, da ging es eben auch ums Prestige und um konkrete Arbeitsnachweise ihres unstrittigen Fachwissens. Garniert wurden die leidenschaftlichen Rochaden und taktischen Finessen in puncto Grundordnungen und spezifische Rollenverteilungen vor offiziell 33.569 Zuschauern von einer "Zettelwirtschaft". Hüben wie drüben wurden schriftliche Hinweise während der Partie verteilt. Und so entwickelte sich auch vor den anwesenden Medienvertretern nach dem hingebungsvoll geführten Abnutzungskampf auf dem Rasen ein verbales Doppelpass-Spiel der feineren Art.

In der Messe-, Kultur- und Sportstadt dürfen sie sich auf den Entert(r)ainer Nagelsmann freuen. "Ein Restaurant-Tipp" sei für seine Jungs drauf gestanden, frotzelte der schlagfertige Oberbayer, ehe er präzisierte: "Sie kennen das berühmte Spiel Flüsterpost, bei dem am Ende in den seltensten Fällen das herauskommt, was am Anfang gesagt wurde. Einen Kuli hat keiner dabei, insofern ist ein Zettel manchmal ganz ratsam." Dies wiederum rief den sechssiebengescheiten Schwaben Rangnick auf den Plan: "Flüsterpost kannte ich bisher noch nicht, wir haben früher immer stille Post dazu gesagt."

Ein dezenter Wink vielleicht, wie es künftig im RB-Fußball-Imperium von Dietrich Mateschitz an den maßgeblichen Schnittstellen zugehen könnte. Rangnick und Nagelsmann sind beides Alphatiere, akribische Arbeiter und radikale Erfolgstypen. Sie werden sich reiben, verbessern, und wenn sie sich beizeiten zusammenraufen, zu noch ertragreicheren Leistungen ihres Kollektivs animieren. Es wird spannend am Sportforum 2, quasi gegenüber der einstigen Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) des DDR-Systems.

Interessant ist derweil auch, wie es 450 Kilometer südlich im Hoffenheimer Biotop weitergeht. Nagelsmann wird mit seiner Art eine Lücke hinterlassen. Nach RNZ-Informationen wollten die TSG-Entscheider die beiden Schlüsselpartien in Leipzig und am Samstag (15.30 Uhr) bei Eintracht Frankfurt noch abwarten, ehe der Nagelsmann-Nachfolger zeitnah bekannt gegeben werden soll. Manager Alexander Rosen, der am Rande der Bande enge Kontakte zum Fachmagazin kicker pflegt, hatte dieser Tage einen Fingerzeig gegeben: "Nachdem uns Julian seine Entscheidung frühzeitig mitgeteilt hatte, haben wir uns an die Arbeit gemacht. Aus einer Long-Long-List ist eine Long-List und dann eine Short-List geworden. Nun werden wir aus einem kleinen Kreis an Kandidaten einen Cheftrainer präsentieren."

Hintergrund

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> Julian Nagelsmann, Trainer der TSG: "In der ersten Halbzeit waren wir sehr giftig und gallig, nach der Pause haben wir wenig Fußball gespielt. Der Punkt geht absolut in Ordnung - tabellarisch bringt er uns aber nicht

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Hintergrund

> Julian Nagelsmann, Trainer der TSG: "In der ersten Halbzeit waren wir sehr giftig und gallig, nach der Pause haben wir wenig Fußball gespielt. Der Punkt geht absolut in Ordnung - tabellarisch bringt er uns aber nicht so viel."

> Ralf Rangnick, RB-Trainer und Sportdirektor: "Es war kein Leckerbissenspiel, dafür machen es beide Mannschaften zu gut gegen den Ball. Erst nach der ersten Hälfte haben wir es geschafft, das Spiel zu einem Taktik-Battle zu machen. Mit dem einen Punkt können und müssen wir zufrieden sein."

> Oliver Baumann, TSG-Torhüter: "Uns wurden zwei, drei Konter wieder genommen, weil der Linienrichter einfach zu früh gewunken hat. Was Herangehensweise und Haltung anbetrifft, da waren wir top. Das Ergebnis ist okay, aber es ist auch wahnsinnig schade und bitter gelaufen."

> Willi Orban, RB-Kapitän: "Wir haben nicht gut ins Spiel gefunden. Die zweite Halbzeit geht klar an uns. Wenn es noch fünf Minuten länger gegangen wäre, hätten wir das Spiel eventuell noch gewonnen."

> Nico Schulz, TSG-Außenverteidiger: "Wir haben’s zunächst gut hingekriegt, dann aber zu viel Leipziger Druck zugelassen." jog

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Unverändert gilt der frühere Bundesliga-Profi Marco Rose (42) als Favorit auf den Posten. Laut Kurier und Salzburger Nachrichten soll das Feilschen um den Mann, der ausgiebig RB-Stallgeruch besitzt, in vollem Gange sein. Sogar Red-Bull-Chef Mateschitz wurde am Dienstag zitiert: "Wir werden alles versuchen, um Marco Rose zu halten." Im Endeffekt ist indes Rose (Vertrag bei RB Salzburg bis 2020) am Zug …

Hoffenheims finale Planungen werden durch das momentane Abschneiden der "Nagelsmänner" nicht gerade erleichtert. Nach den Treffern von Andrej Kramaric (23.) und des Leipziger Ausgleichs durch "Captain" Willi Orban (89.) herrschten zwiespältige Gefühle vor. Bei Nagelsmann selbst, aber durchaus ebenfalls bei den wortkargen TSG-Profis. "Schade" war der Lieblingsbegriff von Torhüter und Ersatzkapitän Oliver Baumann. Er diente durchaus als Seismograph der Stimmungslage. Grummelnd räumte der Südbadener ein, es hätte nach dem Remis am Montag, der fürwahr nicht zum Schontag taugte, primär Enttäuschung in der Kabine geherrscht.

"Hoffe" muss sich steigern und verlässlicher werden, sollen zum dritten Mal hintereinander unter Nagelsmann internationale Sphären erreicht werden. Insbesondere die Duelle mit der Eintracht in vier Tagen, gegen Bayer Leverkusen (29. März), Hertha BSC, die "Wölfe", Gladbach und Werder Bremen könnten "Sechs-Punkte-Relevanz" haben.

Eines ist, abseits aller Konjunktive, zumindest gewiss: Ab Sommer werden Rangnick und Nagelsmann gemeinsam Strategien aushecken.

Der TSG-Coach freut sich auf die "sehr schöne Stadt" und eine "schöne Wohnung" im weltoffenen, toleranten "Leebsch", das fußballtechnisch besondere Verhältnisse ausstrahlt: BSG Chemie und Lok berühren die Menschen emotional eher als das professionell geführte Familien-Areal von RB.

Klar, dass Rangnick und Nagelsmann am späten Montagabend Seite an Seite aus dem Presseraum der "Bullen" marschierten und - fast demonstrativ - Einigkeit signalisierten.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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