Masterplan Neuenheimer Feld

Das sind die neuen Konzepte

Seilbahn, Zoo, Nachverdichtung, autofreier Campus - Es wird konkreter

13.02.2019 UPDATE: 14.02.2019 06:00 Uhr 5 Minuten, 26 Sekunden
Rund 350 Menschen kamen am Dienstagabend in den Großen Hörsaal Chemie, um sich in Sachen Masterplan Neuenheimer Feld auf den neuesten Stand zu bringen. Danach wurde im Foyer eifrig diskutiert. Foto: Philipp Rothe

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Die Unterschiede der neuen Konzepte für das Neuenheimer Feld werden immer deutlicher. Zum zweiten Mal hatten die vier Planungsteams die Möglichkeit, ihre Entwürfe für den Forschungscampus im Neckarbogen der Öffentlichkeit zu präsentieren. Mit rund 350 Zuhörern kamen etwas weniger als das letzte Mal in den Großen Hörsaal der Chemie. Während das Büro Astoc bei der Überarbeitung seines Entwurfes etwas zurückruderte und den Zoo nun doch im Neuenheimer Feld belassen möchte, setzt Ferdinand Heide nun ganz auf die Seilbahn. C.F. Møller möchte dem Wissenschaftscampus im Zentrum jede Menge Freiraum lassen, während Kerstin Höger von einem ganz urbanen Stadtraum träumt.

Hintergrund

Der Masterplan

Vier Planungsteams aus Stadtplanern, Landschaftsarchitekten und Verkehrsexperten erarbeiten derzeit Zukunftsvisionen für das Neuenheimer Feld und dessen verkehrliche Erschließung. Jede Bürogemeinschaft erarbeitet dabei zwei Varianten,

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Der Masterplan

Vier Planungsteams aus Stadtplanern, Landschaftsarchitekten und Verkehrsexperten erarbeiten derzeit Zukunftsvisionen für das Neuenheimer Feld und dessen verkehrliche Erschließung. Jede Bürogemeinschaft erarbeitet dabei zwei Varianten, die sich in ihren Grundideen aber ähneln. Als nächste Schritte sind zwei öffentliche Sitzungen des Forums "Masterplan Neuenheimer Feld" am 20. Februar und 1. März geplant. In diesem Gremium sind alle Nutzer des Gebietes, aber auch die angrenzenden Stadtteile, Naturschützer und Gärtnervereinigungen vertreten. Danach folgt die Beratung in den Bezirksbeiräten und gemeinderätlichen Gremien. Im Anschluss folgt die dritte Phase des Planungsateliers. Auf dieser Grundlage wählt der Gemeinderat einige Varianten aus, die weiterverfolgt werden sollen.

In der dritten Phase des Planungsateliers ist auch wieder eine Online-Beteiligung vorgesehen, bei der alle Heidelberger mitmachen können. Die Teams bekommen nach jeder Beteiligungsstufe Rückmeldung und sollen möglichst viel von den Anregungen mit in ihre Entwürfe einarbeiten. Am Ende des mindestens zweijährigen Prozesses soll dann der Masterplan stehen - als Grundlage für alle weiteren Planungen im Neuenheimer Feld. (hob)

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Erstmals äußerten sich auch die Projektträger des Masterplans - Stadt, Land und Universität - öffentlich dazu, was sie von den Ideen halten. Bernd Müller, der bei der Landesbehörde "Vermögen und Bau" für Mannheim und Heidelberg zuständig ist, fand in den Präsentationen der Architekten und Stadtplaner viele interessante Ideen, möchte im nächsten Schritt die Visionäre aber auch wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen. "In manchen Konzepten stimmt die Flächenbilanz einfach nicht", so Müller. Er spielt dabei auf die Verlagerung von Sportflächen an. Auch das Nierenzentrum sei in einem Entwurf einfach vergessen worden. Ein medizinisches Versorgungszentrum koste 300 bis 400 Millionen Euro und könne nicht einfach verlegt werden.

Unikanzler Holger Schroeter erteilte recht unverblümt allen Konzepten eine Absage, die Straßenbahnen mitten durch den Campus führen wollen oder diesen städtebaulich zu stark reglementieren. "Ein Forschungscampus hat ganz andere Herausforderungen als ein neuer Stadtteil." Baubürgermeister Jürgen Odszuck hingegen widersprach prompt: "Das ist auch ein Stück Heidelberg, ein öffentlicher Teil der Stadt. Wir brauchen beides, Spitzenforscher und Spitzengemüse, und wollen möglichst alle Heidelberger zufriedenstellen."

Einige Entwürfe im Überblick:

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So könnte sich Ferdinand Heide ein Hörsaal-Gebäude mit Seilbahnstation vorstellen. Repro: RNZ

Die Seilbahn soll es richten

Die Vorschläge für das Verkehrskonzept waren das, was die Besucher im Großen Hörsaal Chemie am Dienstagabend am meisten interessierte. Daher sorgte das Konzept des Frankfurter Planers Ferdinand Heide für besonderes Aufsehen. Er setzt nämlich ganz auf die Seilbahn und hatte für seine Präsentation gleich provokante Visualisierungen im Gepäck.

Die Seilbahn-Linie könnte nach den Vorstellungen von Heide vom S-Bahnhof-Pfaffengrund/Wieblingen zum SRH-Campus und dann oberhalb einer neuen Fuß- und Radbrücke über den Neckar und einer weiteren Zwischenstation am Rand bis ins Zentrum des Neuenheimer Feldes führen. Von dort geht es in einer Schleife weiter über den Neckar bis zum Heidelberger Hauptbahnhof.

Der Clou: Die Stationen der Seilbahn wären in markanten Gebäuden wie dem neuen Hörsaal-Zentrum oder Hochhäusern am Neckarufer integriert. Die Station am Hauptbahnhof sieht Heide westlich der beiden geplanten Hotelneubauten vor. Mit "People-Movern", einer Art horizontaler Rolltreppe, könnten die Passagiere dorthin gelangen.

Laut Augustin Kröll vom Seilbahnhersteller Leitner hätten solche Systeme eine Kapazität von 6000 Passagieren pro Stunde in jede Richtung. 32 Menschen passten in eine Kabine, Fahrräder, Rollatoren und Rollstühle könnten mitgenommen werden. Trotz der Seilbahn möchte aber Heide auf einen neuen Straßenbahnring entweder am Rand oder im Kern des Neuenheimer Feldes nicht verzichten.

Vier bis fünf Geschosse sollten die Gebäude im Neuenheimer Feld haben, nur wenn sie zugleich eine Seilbahn-Station beherbergen, dürften sie höher sein. Den Individualverkehr will Heide nur noch für Krankentransporte zulassen. Die beiden neuen Neckarbrücken seien ausschließlich für Radler und Fußgänger und in luftigen Höhen für die Seilbahn vorgesehen. Am S-Bahnhof Pfaffengrund/Wieblingen müsse daher auch ein neues, großes Parkhaus mit 3000 Stellplätzen gebaut werden.

Wegen der etwas lockeren Bebauung im Campus schlägt Heide aber auch eine Teilbebauung des Gewanns Hühnerstein vor. Die Sportflächen könnten eventuell verlagert werden.


Visualisierung einer Blockbebauung wie Kerstin Höger sie vorschlägt. Repro: RNZ

Nachverdichtung über alles

Das Konzept der Züricherin Kerstin Höger ist der Lieblingsentwurf der Handschuhsheimer Gärtner. Und dies liegt an einer klaren Aussage. "Wir kommen ohne den Hühnerstein aus", sagte Höger bei ihrer Präsentation am Dienstagabend. Der gewünschte Zuwachs von 800.000 Quadratmetern zusätzlicher Nutzfläche könne locker im bestehenden Campus untergebracht werden. Und zwar durch konsequente Nachverdichtung und eine höhere Bebauung. Dadurch könnte das Gewann Hühnerstein, das bereits im Handschuhsheimer Feld liegt und für das die Universität Baurecht hat, verschont werden.

Durch einen urbanen Campus werde der Zusammenhalt der wissenschaftlichen Einrichtungen gestärkt, und die Besucher des Neuenheimer Feldes hätten kurze Wege, betonte Höger. Trotzdem seien im Inneren Freiräume wie Plätze und Parks möglich. In der ersten Phase möchte Höger nur die heute bestehenden Parkplätze überbauen.

Was den Verkehr angeht, setzt Höger auf eine Straßenbahn ins Neuenheimer Feld und ein Radwegenetz. "Der Campus ist aber auch eine große Maschine, die sich auf alle Verkehrsträger stützen muss." Die Mobilität werde sich in den nächsten Jahrzehnten aber auch weiterentwickeln. Zudem schlägt das Büro eine konsequente Parkraumbewirtschaftung vor.

Zumindest einen Gegner hat Kerstin Höger mit ihren Ideen schon: Zoodirektor Klaus Wünnemann. Denn sie will in einer ihrer beiden Varianten den Heidelberger Tiergarten mit dem nächstbesten Zoo zusammenlegen und ihn zu einem Wildpark umfunktionieren. Und wenn dann der Autoverkehr noch so zurückgedrängt werde, wie sich die Züricherin das vorstellt, könne er gleich dichtmachen, so Wünnemann. Viele Familien, die in den Heidelberger Zoo kommen, seien nun mal auf das Auto angewiesen.


Das Team Astoc hält sich mit einem flexiblen Verkehrskonzept die Option für eine Neckarbrücke offen. Repro: RNZ

Der Zoo darf doch bleiben

Sebastian Herrmann vom Team Astoc hatte zu Beginn seiner Präsentation die Lacher auf seiner Seite: "Sie erinnern sich, wir waren die mit dem Zoo." In einem gewagten Entwurf hatte Herrmann in der ersten Phase des Planungsateliers vorgeschlagen, den Tiergarten ganz aus dem Neuenheimer Feld zu verbannen und dieses Areal als Erweiterungsfläche für die Kliniken zu nutzen. "In den vergangenen Wochen hatten wir dazu ganz schön spannende Diskussionen", schmunzelte Herrmann: "Wir haben gemerkt, das ist ein ganz schön dickes Brett, das wir da bohren."

Zurück auf dem Boden der Tatsachen plant Astoc nun also mit dem Zoo im "Feld". Mit der Konsequenz, dass dafür der Hühnerstein teilweise bebaut werden muss. Eine Fünfte Neckarquerung hält dieses Team für wichtig. "Wir müssen aber ohne sie planen", forderte Herrmann. Denn in den nächsten 25 Jahren sei sie schon aus rechtlichen Gründen kaum durchzusetzen. Bei der Verkehrskonzeption müsse man daher so variabel bleiben, dass man sie anpassen könne, wenn die Brücke doch kommt.

Die verkehrliche Erschließung des Campus soll vor allem mit einer Straßenbahn erfolgen. Den motorisierten Individualverkehr will Astoc dagegen so schnell wie möglich in Parkhäuser unterbringen, ohne dass die Autos durch das ganze Neuenheimer Feld fahren. "Alles, was dort erst gar nicht ankommt, ist gut", so Herrmann weiter. Das Planungsteam denkt in unterschiedlichen Zeitphasen. Bis 2030 komme man mit der bestehenden Planung und der Bebauung der Parkhäuser aus, bis 2040 könne im Campus nachverdichtet werden. Und danach könnte der Startschuss für den Innovationscampus im Hühnerstein fallen. Die Straße dorthin könnte mit einem Deckel versehen und begrünt werden.


Ein Beispiel für eine umweltverträgliche Brücke ist für C.F.Møller die "Garden Bridge" in London. Repro: RNZ

Die autofreie Campus-Zelle

Bei den vielen Diskussionen im Foyer des Hörsaalzentrums wird deutlich: Der Entwurf des dänischen Büros C.F. Møller ist der Lieblingsentwurf der Universität und der anderen wissenschaftlichen Einrichtungen. Im Zentrum soll sich der Campus nach den Vorstellungen von Stadtplaner Julian Weyer und seinem Team weitgehend frei entwickeln können. "Vieles, was wir dort einmal brauchen werden, ist heute noch nicht absehbar", so Weyer. An den Rändern des Neuenheimer Feldes will Møller aber durchaus klare städtebaulichen Festlegungen treffen: Hin zum Naherholungsgebiet Handschuhsheimer Feld könnten dies zum Beispiel terrassierte und begrünte Gebäude sein. Weyer: "Quasi als Übergang zum Feld." Markanter dürften die Bauten an der Berliner Straße sein, die zu einer Campus-Allee ausgebaut werden sollte. Am Neckarufer sei eine Promenade denkbar.

Beim Verkehrskonzept setzt das Büro auf ein autofreies Zentrum des Campus und eine Erschließung durch Fuß- und Radverkehr. An den Rändern schlägt Møller Parkhäuser vor. Dies sei wichtig für die Anbindung der Kliniken. Dazu werde aber mindestens ein weiteres Nadelöhr benötigt, durch das die Autos ins Neuenheimer Feld kommen. Und so können sich die Dänen sowohl einen Nordzubringer durch das Handschuhsheimer Feld bis zur Autobahn vorstellen als auch eine Fünfte Neckarquerung. Allerdings sollen diese vor allem öffentlichen Verkehrsmitteln dienen. Eine Standardbrücke über dem Altneckar in Wieblingen würde Møller nicht gefallen. Nur Radler und Fußgänger sollten oberirdisch anlanden, der Nahverkehr und die Rettungsfahrzeuge sollten in einen Tunnel abtauchen. Auch umweltverträgliche Bauweisen seien machbar.

Info: Alle Konzepte gibt es unter www.masterplan-neuenheimer-feld.de

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