Naherholungsgebiet in Walldürn

Streit um den "Wasen" kündigt sich an

Bürgerinitiative und Grundstückseigentümer wehren sich gegen Pläne der Verwaltung, Naherholungsgebiet in Baugebiet umzuwandeln

29.11.2018 UPDATE: 30.11.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 30 Sekunden

Der "Wasen" mit seinen Streuobstbeständen und Blühstreifen gilt als beliebtes Naherholungsgebiet. Trotzdem will die Stadt dort ein Baugebiet ausweisen. Fotos: Janek Mayer

Walldürn. (jam) "Das bedeutet Krieg", verkündete ein Besucher der Gemeinderatssitzung am Dienstag. Der Stein des Anstoßes: Das Naherholungsgebiet "Wasen" soll nach dem Willen der Stadtverwaltung einem Baugebiet weichen. Während sich im Gemeinderat nur einige wenige Mitglieder offen gegen diesen Flächenverbrauch positionieren, haben sich beträchtliche Teile der Walldürner Bevölkerung und vor allem zahlreiche Grundstücksbesitzer im "Wasen" längst gegen das Projekt ausgesprochen. Sie wollen ihre Flächen nicht verkaufen.

Kritisch gegenüber dem "Flächennutzungsplan 2030" äußerten sich die Freien Wähler und die Walldürner Liste, die beide gegen das geplante Baugebiet "Vorderen Wasen II" Stellung bezogen. "Es scheint ein ausufernder Überbietungswettbewerb zwischen den Kommunen um jeden möglichen Einwohner zu herrschen", bemängelten die Freien Wähler in ihrem Schreiben. Sie forderten die Verwaltung stattdessen dazu auf, dem zunehmenden Flächenfraß und weiterer Versiegelung entgegenzuwirken. Dafür zeigen sie mögliche Alternativen auf: "Bei allen Flächenausweisungen favorisieren wir die Nutzung innerörtlicher Potenziale, die Ergänzung, den Lückenschluss und die Umnutzung innerhalb vorhandener Bebauung."

Ein ungenutztes innerörtliches Potenzial ist zum Beispiel der seit 1991 rechtskräftige Bebauungsplan "Steinacker-Auerberg II" beim Friedhof, der Platz für rund 70 Wohnhäuser bietet. Und an dieser Stelle wird es kurios: Die Verwaltung hat diese Fläche aufgegeben. Das bestätigte Bürgermeister Markus Günther am Dienstag: "Wir kommen nicht an die Grundstücke ran. Eine Erschließung wird nicht weiter verfolgt." Dass ein identisches Szenario nun im bedrohten Naherholungsgebiet droht, kümmert die Verwaltung bislang anscheinend nicht. "Ist im ,Vorderen Wasen’ der gleiche Konflikt schon absehbar?", erkundigte sich Martin Kuhnt in der Bürgerfragestunde. "Ja", entgegnete Günther, jedoch ohne aus diesem Wissen Konsequenzen zu ziehen. "Wir wollen das Ganze im GVV weiter verfolgen." Der offensichtliche Widerspruch sorgte bei mehr als einem Zuhörer für Kopfschütteln.

Zu jeder Tageszeit tummeln sich Spaziergänger, Jogger und Radfahrer in der beschaulichen Idylle am Stadtrand.

Da half es auch nicht, dass die Verwaltung das Baugebiet neu zuschneidet. Statt einem breiten Band im nördlichen Teil des Gewanns "Alter Wasen" soll nun ein schmaler, aber deutlich längerer Streifen in Baugebiet umgewandelt werden. Er reicht von der Pater-Josef-Eckstein-Straße im Norden bis zur Alten Amorbacher Straße im Süden und grenzt direkt an die Wohnbebauung an. "Ich verkaufe nicht. Das geht im Notfall bis vors Gericht", reagierte ein nun betroffener Grundstückseigentümer auf diese Ankündigung.

Zuvor muss der Gemeindeverwaltungsverband jedoch für den "Vorderen Wasen II" ein Zielabweichungsverfahren beantragen, damit die Fläche in der Raumordnung nicht länger als "Regionaler Grünzug" und "Vorbehaltsgebiet für die Landwirtschaft", sondern als Siedlungsfläche ausgewiesen ist. Dazu können Bürger dann ihre Stellungnahmen abgeben. Wenn man bedenkt, welch große Bedeutung der "Wasen" für den Fremdenverkehr, die Naherholung und das Klima hat, kann man davon ausgehen, dass zahlreiche Einwohner dieses Mittel nutzen werden, um ihren Unmut kundzutun. "Wir als Bürgerinitiative und Biotopschutzbund werden dieses Instrumentarium nutzen, um uns weiterhin für den Erhalt der Grünflächen und Streuobstwiesen im ,Vorderen Wasen’ einzusetzen", kündigte bereits die Bürgerinitiative "Erhalt Schöner Busch - Löschenäcker" in einem Schreiben an die RNZ an.

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Wie es konkret mit dem Verfahren weitergeht, erklärte Stadtplaner Marius Bergmann vom Ingenieurbüro IFK aus Mosbach: "Der GVV muss den Wohnbauflächenbedarf vertiefend begründen." Dazu soll die Stadt konkrete Zahlen zur Arbeitsplatzentwicklung und die Entscheidung über die Bundeswehrstandorte vorlegen. Diese Werte entscheiden dann darüber, wie viel Wohnbaufläche Walldürn ausweisen darf.

Außerdem hat das Regierungspräsidium gefordert, dass sich Walldürn eingehender mit seinem Innenentwicklungspotenzial befasst. "Die Aktivierungsrate ist von zehn auf 25 Prozent zu erhöhen", erläuterte Bergmann. Diese Problematik haben auch die Freien Wähler angesprochen: "Die Leerstände in unseren Stadt- und Ortskernen nehmen zu, und der schlechte Zustand von Plätzen und Gebäuden schadet dem Ortsbild." Die Stadt soll nun verstärkt auf Eigentümer von Baulücken zugehen.

Bevor es mit dem "Flächennutzungsplan 2030" vorangehen kann, sind außerdem die Erstellung eines Landschaftsplans, eines Umweltberichts und gegebenenfalls eines Klimakonzepts erforderlich. Darüber hinaus nannte der Stadtplaner als geforderte Punkte eine Natura-2000-Vorprüfung und die Aufnahme des Biotopvernetzungskonzepts.

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