Wohin mit den Flüchtlingen in Merchingen? (Update)
Viel Diskussionsbedarf bei Einwohnerversammlung - Bürger haben Sorgen

In der Einwohnerversammlung zur Flüchtlingsunterbringung in Ravenstein gab es viele Fragen seitens der Bürger. Foto: Dominik Rechner
Von A. Hanel und D. Rechner
Merchingen. Das Thema "Flüchtlingsunterbringung" ist bereits seit längerer Zeit ein Reizthema in der Gemeinde Ravenstein. Am Dienstagabend fand nun diesbezüglich eine Einwohnerversammlung im Schloss in Merchingen statt, bei der die Bürger ihre Fragen an Vertreter von Behörden und Initiativen richten konnten. SWR-Moderatorin Friederike Kroitzsch führte durch die Veranstaltung.
Die Brisanz des Themas spiegelte auch eine Demonstration von etwa zehn Mitgliedern der AfD wider, die mit Plakaten ihre Abneigung gegenüber der Asylpolitik zum Ausdruck brachten und den Bürgermeister sowie den Gemeinderat aufforderten, zurückzutreten.
Wie der Erste Landesbeamte des Landratsamts Björn-Christian Kleih erläuterte, stehen im gesamten Landkreis aktuell 400 Personen zur Verteilung im Rahmen der kommunalen Anschlussunterbringung an. Die Stadt Ravenstein müsse davon noch 64 Flüchtlinge aufnehmen. Die Verteilung erfolge grundsätzlich nach der Einwohnerzahl – in Ravenstein wohnten 2,09 Prozent der Einwohner des Kreises, erklärte Kleih.
Da die Stadt jedoch in den Jahren zuvor keine Flüchtlinge untergebracht habe, hätte sich die Zahl der aufzunehmenden Flüchtlinge erhöht: "Von den 70 Personen, die Ravenstein unterzubringen hat, hätte die Stadt 61 schon in den Vorjahren aufnehmen müssen", so Kleih.
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Die Stadtverwaltung habe in Zusammenarbeit mit einem Architekten alle kommunalen Gebäude in Verbindung mit der Umfeld- bzw. Versorgungssituation dahingehend geprüft, ob eine Unterbringung für Flüchtlinge möglich ist, berichtete Bürgermeister Hans-Peter von Thenen.
"Das Ergebnis brachte eine zentrale Wohnmodulanlage in Merchingen auf den Plan", so von Thenen. In einer Besprechung, an der die Stadtverwaltung, der Ortschaftsrat Merchingen und der Gemeinderat beteiligt waren, sei es zu folgendem Vorschlag für die Einwohnerversammlung gekommen: "Die Stadt Ravenstein beabsichtigt, vom Neckar-Odenwald-Kreis eine Wohnmodulanlage mit getrennten Wohneinheiten anzumieten, um maximal 52 Flüchtlingen in der Anschlussunterbringung in Merchingen Wohnraum in der Nähe vom Tennisplatz an der Ortseinfahrt Merchingen, von der Autobahn kommend, bereitzustellen. Die Mietkosten belaufen sich dabei auf 2500 Euro im Monat, außerdem müssen 111.000 Euro für die Schaffung der Infrastruktur investiert werden."
Im Anschluss folgte eine rund zweieinhalbstündige, teils recht hitzige Diskussions- und Fragerunde. Vor allem, dass so viele Flüchtlinge in Merchingen aufgenommen werden sollen, stieß bei allen, die sich zu Wort meldeten, auf Unmut.
Sie fordern eine dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge. So fragte Andreas Franik: "Hört das Solidarprinzip an der Stadtgrenze zu Merchingen auf?"
Bürgermeister von Thenen erklärte die Gründe für den Standort Merchingen: "Bei der Analyse möglicher Standorte stellte sich schnell heraus, dass aufgrund der Umfeldsituation mit Einkauf, Arzt, Apotheke, Post, Busanbindung nach Krautheim, Osterburken und Buchen, Freizeitgestaltung mit der ,Alla Hopp’-Freizeitanlage sowie die Nähe zur Verwaltung bzw. zum Bauhof Unter- und Oberwittstadt, Hüngheim, Erlenbach und Ballenberg nicht geeignet sind."
Die Zentralität sowie die mangelhafte Infrastruktur vor Ort bereitete außerdem einigen Einwohnern Sorge, da deshalb die Flüchtlinge schwer integriert werden könnten. Kleih erklärte, dass man gute Erfahrungen in abgelegenen Gegenden gemacht habe. "Dort erfolgte die Integration sogar oftmals schneller."
Caritas-Vertreter Peter Zimmermann ergänzte: "Es gibt die Möglichkeit, Sprachkurse in Osterburken zu besuchen, das ist ein erster Weg, Arbeit zu bekommen."
Melanie Schindler-Unangst stellte die Frage nach dem Schutz der Flüchtlinge vor Angriffen der rechten Szene, die auch aufgrund der Nähe Merchingens zur Autobahn schnell vor Ort sein könnten. Polizei-Revierleiter Martin Fessner informierte, dass Flüchtlingsunterkünfte nicht per se gefährdet seien. Für Merchingen sollte man dabei keine Sonderstellung konstruieren.
Sandra Schimmel zeigte sich beunruhigt vor möglichen Übergriffen der Flüchtlinge: "Ich werde meine Tochter dann nicht mehr unbeaufsichtigt zur ,Alla-hopp’-Anlage hinlassen. Der Schutz für die Familie muss gewährleistet sein." Auch da beruhigte der Revierleiter, indem er Buchen als Beispiel anbrachte: "Dort gibt es auch eine ,Alla Hopp’-Anlage und mehr Flüchtlinge. Diese Ängste sind unbegründet."
Besonders die in den Augen vieler Einwohner fehlende Einbeziehung der Bürger bei der Entscheidungsfindung wurde kritisiert. So forderte Michael Pfautz aus Merchingen den Bürgermeister auf: "Nutzen Sie endlich das Know-How der Bürger, dann haben sie keine Gegner, sondern Befürworter. Warum gehen Sie den steinigen Weg über Gremien, Gemeinderat und Verwaltung?"
"Wir haben die normale Gremiumsarbeit, die möchte ich auch weiterhin forcieren. Sie haben alle Ihre Vertreter im Gemeinderat gewählt. Da spielen viele Punkte mit rein", so von Thenen.
Auch die Informationspolitik war für viele Bürger ein Stein des Anstoßes. Klaus Leimbach fragte: "Wer ist dafür verantwortlich, dass die Bürger nicht rechtzeitig informiert wurden?"
Ortsvorsteher Jürgen Ullrich informierte: "Der Gemeinderat hat den Bürgermeister mehrmals aufgefordert, eine Einwohnerversammlung einzuberufen. Wir sind jedes Mal auf später vertröstet worden. Es lag am Bürgermeister!"
Und weiter: "Ich verspreche, im Gemeinderat über die Dezentralisierung zu reden, und wir werden Sie auch ins Boot holen."
Bürgermeister von Thenen sagte abschließend: "Die Streiterein im Gemeinderat waren nicht konstruktiv. Wir werden im Gemeinderat nun die Einwohnerversammlung besprechen und die Bürger dann über eine Entscheidung informieren."
Update: 20. Juni 2018, 17.39 Uhr



