Pflege in Mannheim

Bedürftige müssen ins günstigere Heim

Verbände kritisieren die vom Mannheimer Gemeinderat beschlossene Bremse bei den Zuzahlungen für Pflegeeinrichtungen

24.05.2018 UPDATE: 25.05.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 18 Sekunden

Wer im Alter auf Pflege und Sozialleistungen angewiesen ist, hat in Mannheim keine freie Pflegeheim-Auswahl. Foto: Hollemann

Von Heike Warlich-Zink

Mannheim. "Pflege kostet das, was sie leistet", stellt Beatrix-Vogt Wuchter, Abteilungsleiterin im Diakonischen Werk Baden, am Donnerstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz verschiedener Mannheimer Träger fest. Die Tagessätze sind dabei von Pflegeheim zu Pflegeheim durchaus unterschiedlich, was in der Quadratestadt nach einem Gemeinderatsbeschluss im Rahmen der Etatberatungen im Dezember dazu führte, dass die zehn teuersten Heime nur noch in begründeten Einzelfällen von Sozialhilfeempfängern belegt werden dürfen. 400.000 Euro sollen so eingespart werden.

"Doch der Preis dafür ist hoch", sagen die Vertreter der Wohlfahrtsverbände und gemeinnützigen Träger. Sie halten diese Vorgehensweise für nicht konform mit dem Sozialgesetzbuch, wonach den Wünschen des Leistungsempfängers bei der Wahl seines Pflegeheims entsprochen werden soll, soweit dies angemessen ist. Und bei tariflich bezahltem Personal, einem guten Personalschlüssel und aufwendigen baulichen Investitionen im Sinn einer qualitativ hochwertigen Pflege handle es sich nicht um unangemessene Wünsche, betonen die Wohlfahrtsverbände AWO, Caritasverband und Diakonie sowie die Vertreter von Evangelischer Pflege Mannheim, Evangelischer Heimstiftung und Altenpflegeheime Mannheim und verweisen auf ein Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts vom 7. Oktober 2015 ebenso wie auf die Landesheimbauverordnung, an die man sich zu halten habe.

Die unterschiedlichen Tagessätze resultieren laut Thomas Becker von der Regionalleitung der Evangelischen Heimstiftung vor allem daraus, dass kirchliche und gemeinnützige Träger ihr Personal nach Tarif bezahlen. "Und zwar unterschiedslos von der Fach- bis zur Hilfskraft", ergänzt Regina Hertlein, Vorstandsvorsitzende des Caritasverbands Mannheim. Alle 30 Mannheimer Pflegeeinrichtungen würden ihre Tagessätze jährlich neu mit der Stadt und den Pflegekassen verhandeln und nicht einseitig festsetzen.

Doch primär geht es den Verbänden nicht um irgendwelche Zahlenspiele, sondern darum, finanziell schlechter gestellte Menschen bei der Heimsuche in ihrem Wunsch- und Wahlrecht nicht einzuschränken. Als "Allianz der Mannheimer Pflegeeinrichtungen" haben sie einen Flyer herausgegeben, der Betroffene und ihre Angehörigen darüber informiert, dass sie sich nicht automatisch mit der Unterbringung in einem der "günstigen Heime" abfinden müssen, sondern das Recht auf Einzelfallprüfung haben.

Vor allem aber fordert man Verwaltung und Gemeinderat dazu auf, den Beschluss zur Pflegeheimlenkung, die Mannheim aktuell als einzige Stadt in Baden-Württemberg praktiziert, umgehend auszusetzen und sich stattdessen auf Landes- und Bundesebene für eine deutliche Verbesserung der Pflegeversicherungsleistungen einzusetzen. "Das hat etwas mit Menschenwürde und Achtung vor der Lebensleistungen der Pflegebedürftigen zu tun", lautet die übereinstimmende Meinung. Die vertraute Umgebung verlassen zu müssen, sei an sich schon eine schwierige Situation, in der sie durch die auferlegten Einschränkungen zusätzlich belastet würden.

Wie Hermann Genz vom Fachbereich Arbeit und Soziales auf RNZ-Nachfrage mitteilt, gelten die Regelungen für diejenigen, die neu einen Pflegeplatz beantragen. Nicht aber für Heimbewohner, die bereits in einem Pflegeheim leben und einen Antrag auf Sozialhilfe stellen, weil ihr Vermögen aufgebraucht ist. Im laufenden Jahr lägen dem Sozialamt 20 Anträge für die Übernahme von Kosten in einem der teureren Pflegeheime vor. In sieben Fällen sei eine Bewilligung ausgesprochen worden. Drei Antragsteller hätten ein preisgünstigeres Heim gewählt. Bei zehn Fällen sei die Einzelfallprüfung noch nicht abgeschlossen. Die Bearbeitungszeit betrage - sofern die Anträge vollständig seien - in der Regel eine Woche. Die Übernahme von Mehrkosten ist laut Hermann Genz möglich, wenn in der individuellen Situation des Einzelnen konkrete Sachverhalte vorliegen, aus denen die Aufnahme in einem bestimmten Heim gewünscht wird, beispielsweise die Nähe zu betreuenden Angehörigen oder auch religiöse und weltanschauliche Aspekte.

Info: Die Liste der Entgelte für die Mannheimer Pflegeheime ist auf der Homepage der Stadt Mannheim unter folgendem Link veröffentlicht: https://www.mannheim.de/de/service-bieten/kinder-jugend-familie-und-senioren/senioren/wegweiser-senioren - "Pflegeheime in Mannheim - Entgelte". Sie wird aktualisiert, sobald sich Pflegeentgelte ändern, neue Heime dazukommen oder Einrichtungen schließen.

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