Planer soll sich nach Thailand abgesetzt haben

Neckargemünder Naturbad bietet Stoff für einen Krimi

Stadt kann lediglich mit 400.000 Euro Schadensersatz rechnen - Keine Festnetznummer mehr, Büro "im Moment leider nicht besetzt"

23.03.2018 UPDATE: 24.03.2018 06:00 Uhr 3 Minuten

21. Juni 2008: Zur Wiedereröffnung des Terrassenfreibades gingen der damalige Bürgermeister Horst Althoff (vorne) und Naturbad-Planer Rainer Grafinger angezogen baden. Foto: Moll

Von Christoph Moll

Neckargemünd. Es war ein Freudentag für Neckargemünd, der 21. Juni 2008. Nach monatelangen Arbeiten wurde das für fünf Millionen Euro umgebaute Kleingemünder Terrassenfreibad wiedereröffnet. Die Freude war sogar so groß, dass der damalige Bürgermeister Horst Althoff im Anzug mit den Planern baden ging - damals im wörtlichen Sinne, später im übertragenen Sinne. Denn schnell häuften sich die Probleme mit dem Naturbad, in dem das Wasser biologisch ohne Chlor aufbereitet wird.

Hintergrund

Im Naturbad-Prozess stößt die Verwaltung an ihre Grenzen

Im Schadensersatzprozess um Planungs- und Baufehler beim Naturbad (siehe Artikel rechts) braucht die Stadt einen langen Atem. "Wir müssen das Verfahren bis zum Schluss durchziehen", sagte

[+] Lesen Sie mehr

Im Naturbad-Prozess stößt die Verwaltung an ihre Grenzen

Im Schadensersatzprozess um Planungs- und Baufehler beim Naturbad (siehe Artikel rechts) braucht die Stadt einen langen Atem. "Wir müssen das Verfahren bis zum Schluss durchziehen", sagte Andreas Weglage, der Rechtsanwalt der Stadt, in der zurückliegenden Sitzung des Gemeinderates. Die Gegenseite spiele auf Zeit und versuche mit "umfangreichen Schriftsätzen" den vom Gericht beauftragten Gutachter zu widerlegen. Nun habe er wieder sieben Seiten bekommen, was zeige, dass dieser Versuch noch lange nicht beendet sei. Da die Gegenseite eigene Gutachter einsetze, müsse man sich überlegen, ob man zum Widerlegen auch einen "Privatgutachter" beauftrage.

Bisher habe man dank des großen Einsatzes der städtischen Angestellten "gute Ergebnisse" im Verfahren erzielt. Es sei bisher stets gelungen, das Gericht zu überzeugen. Da es aber um technische Fragen und sehr komplexe Vorgänge in den drei Filterstufen des Naturbades gehe, stoße man an "Kapazitäts- und Kompetenzgrenzen". "Der juristische Erfolg liegt in der technischen Seite", erklärte Weglage. Er wisse, dass Kommunen kein Geld haben, so Weglage. Ein Gutachter koste zwischen 100 und 200 Euro die Stunde, müsse aber "nicht ewig" eingesetzt werden. "Er wäre auch ein guter Begleiter für den nächsten Gerichtstermin und könnte den Sachverständigen des Gerichts stützen", so der Anwalt. "Dann wären wir gut aufgestellt."

Im Gemeinderat sorgten die neuerlichen Entwicklungen für Diskussionen: Dietmar Keller (SPD) wunderte sich, wie einfach es für Verantwortliche wie den Badplaner sei, sich in Thailand der deutschen Gerichte zu entziehen, und wollte wissen: "Gibt es irgendeine Möglichkeit, doch an den Mann ranzukommen?" Sonst müsse am Ende der Steuerzahler die Zeche zahlen. Man habe nicht einmal eine Anschrift, antwortete Rechtsanwalt Weglage: "Die juristischen Mittel, Herrn Grafinger in Thailand habhaft zu werden, tendieren gegen Null - selbst wenn man ihn finden würde, hat er wohl kein Geld mehr in der Badehose." Deshalb müsse man die Lehre ziehen, so Keller, keine Verträge mehr mit einer Haftungssumme von 300.000 Euro abzuschließen. Es sei damals ein Muster für Architektenverträge vom Land genommen worden, so Weglage. Das Versäumnis liege daher auf Länderebene. "Hinterher ist man immer schlauer", meinte Bürgermeister Frank Volk. Man könne nicht wissen, welche Haftungssumme notwendig sei.

Auf die Frage von Manfred Rothe (Freie Wähler) erläuterte Weglage, dass die Schadensersatzsumme von knapp 400.000 Euro einen "kompletten Sieg" voraussetze. Es sei auch ein kleinerer Teil denkbar. Deshalb sei es so wichtig, dass man den Gutachter des Gerichts stütze.

Bürgermeister Volk sagte, dass die technischen Schriftsätze der Verwaltung viel Mühe bereiten. "Es ist zudem kein Vergnügen für die Mitarbeiter, immer vor Gericht zu erscheinen." Er selbst werde beim nächsten Termin dabei sein, auch weil es dann um ein Vergleichsangebot gehen könnte, so Volk. "Dann müssten wir aber auch unsere Anwaltskosten selbst zahlen", gab Thomas Schmitz (Grüne) zu bedenken. Deshalb müsse man überlegen, wie viel Honorar man für einen eigenen Gutachter investieren möchte, entgegnete Volk, der auf ein erneutes Jahr ohne Sperrung des Naturbads hofft. "Die vergangene Saison hat gezeigt, dass das Konzept des Naturbads robust ist", meinte Schmitz dazu. "Es kann funktionieren, obwohl viel falsch gemacht wurde - das ist die gute Nachricht."

"Wenn das Honorar im Bereich meiner Verfügungsmittel - also bis 8000 Euro - liegt, beauftrage ich einen eigenen Gutachter, ansonsten muss der Hauptausschuss oder der Gemeinderat entscheiden", sagte Volk - und erntete damit keinen Widerspruch aus dem Gremium.

[-] Weniger anzeigen

In den vergangenen Jahren musste das Becken immer wieder wegen zu hoher Keimwerte wochenlang gesperrt werden. Ein Gutachter stellte Mängel bei Planung und Bau fest, die Stadt klagte. Noch immer ist der Schadensersatzprozess nicht beendet, wie der Rechtsanwalt der Stadt, Andreas Weglage, in der zurückliegenden öffentlichen Sitzung des Gemeinderates berichtete. Inzwischen bietet der Naturbad-Prozess sogar ansatzweise Stoff für einen Krimi: Denn der damalige Planer Rainer Grafinger soll noch mehr Prozesse am Hals haben und sich nach Thailand abgesetzt haben.

Eigentlich sollten die - vorerst - womöglich letzten beiden Prozesstage am Donnerstag und am gestrigen Freitag vor dem Heidelberger Landgericht stattfinden, berichtete Anwalt Weglage. Dann sollten alle noch offenen Fragen geklärt werden. Doch weil die für den Naturbad-Prozess zuständige Richterin der dreiköpfigen Kammer wohl an Grippe erkrankt sei, wurde der, so Weglage, "lang ersehnte Fortsetzungstermin" auf Ende Juli verschoben. Weil der Anwalt dann aber verhindert ist, soll der Prozess nun am 15. und 16. November fortgesetzt werden, wie ein Sprecher des Landgerichts bestätigte.

Weglage erläuterte, dass die Ansprüche der Stadt aus mangelhafter Planungs- und Bauleistung rund 1,1 Millionen Euro betragen. Dieser Betrag sei vor vier Jahren ermittelt worden und liege wohl heute noch höher. "Das klingt aber optimistischer, als es am Ende sein wird", meinte der Anwalt. Denn der Betrag beruhe auf einer Schätzung des vom Gericht beauftragten Sachverständigen, die von der gegnerischen Seite angezweifelt werde. Um diese Angriffe abzuwehren, brauche man eventuell einen eigenen Gutachter. "Das Gericht hat aber zu erkennen gegeben, dass es unserer Ansicht folgt", meinte Weglage, der übrigens stets von einem "Naturheilbad" sprach.

Auch interessant
: Terrassenbad Neckargemünd: Naturbecken ab sofort gesperrt
: Wird das Neckargemünder Naturbad schon im Spätsommer saniert?
: Neckargemünds Naturbad ist der "Hammer der Woche"
: Naturbad Neckargemünd: Diese Badesaison war "eine mittlere Katastrophe"

Für den "Löwenanteil" an der Schadenssumme sei laut dem Gutachter mit rund 800.000 Euro der Naturbad-Planer Rainer Grafinger verantwortlich. "Dieser hat allerdings inzwischen einen nicht näher bekannten Wohnsitz in Thailand und wohl nicht die Absicht zurückzukehren", berichtete der Anwalt. "So hat er sich erfolgreich der deutschen Gerichtsbarkeit entzogen." So etwas habe er noch nicht erlebt, so Weglage. Deshalb konzentriere man sich im Prozess auf Grafingers Haftpflichtversicherung, die für Schäden bis zu 300.000 Euro einstehe. So sei es in den damaligen Verträgen vereinbart worden. "Darüber hinaus ist wohl nichts zu holen", so Weglage. "Das ist eine traurige Alltäglichkeit."

Rechtsanwalt Andreas Weglage. Foto: Alex

Die zweite Mitverursacherin des Schadens, eine Baufirma, agiere mit guten Juristen und argumentiere, dass es kostengünstigere Varianten einer Sanierung gebe. Hier gehe es um knapp 90.000 Euro. Die Firma behauptet laut Weglage, dass sie das Geld nicht zahlen könne, weil sie sonst pleite gehe - und dann gebe es gar nichts. "Das Vorgehen ist gängig", meinte der Anwalt. "Regelmäßige Bonitätsanfragen zeigen uns aber, dass die Firma daran nicht kaputt gehen würde." Es bestehe allerdings das Risiko, dass die betroffene GmbH "leerläuft", weil die Geschäfte auf eine andere Gesellschaft verlagert werden. In diesem Fall sei womöglich der Straftatbestand der Insolvenzverschleppung gegeben, da die potenzielle Forderung aus dem Prozess bekannt sei. "Dann geht es auch um persönliche Haftung", so Weglage.

Inzwischen gab es in der zuständigen Kammer des Heidelberger Landgerichts auch einen Richterwechsel, was Weglage als "nicht unpikant" bezeichnete. Denn der neue Richter sei ein Mandant seiner Kanzlei. "Wider Erwarten wurden aber keine Befangenheitsanträge gestellt", so Weglage, der bereits der zweite Anwalt der Stadt im Naturbad-Prozess ist. Sein Vorgänger ist inzwischen im Ruhestand.

"Es besteht die Hoffnung, dass wir in diesem Jahr zu einem Ende kommen", zeigte sich Weglage optimistisch, fügte aber hinzu: "In der ersten Instanz." Man müsse befürchten, dass sich die Haftpflichtversicherung bei einer Niederlage "eine zweite Instanz gönnt". Dann gehe es am Oberlandesgericht weiter. "Und dort gibt es nicht gleich nächste Woche einen Termin." Man müsse dann mit weiteren zwei bis drei Jahren rechnen.

Die Berufung werde aber nur dann angenommen, wenn es Rechtsfehler gegeben haben könnte. "Es hängt nun von der Qualität des Urteils ab." Auch danach muss noch nicht Schluss sein: Die letzte Station wäre der Bundesgerichtshof. "Wir haben also eventuell noch einen längeren Weg vor uns." Die Stadt werde den Prozess jedenfalls nicht weiterführen, wenn sie die in Aussicht stehenden knapp 400.000 Euro bekomme, so Weglage.

Die RNZ versuchte übrigens Rainer Grafinger zu erreichen. Die Festnetznummer gibt es nicht mehr, unter einer auf der Internetseite angegebenen Handynummer heißt es, dass das Büro "im Moment leider nicht besetzt" ist. Ein Rückruf wird versprochen. Auf diesen kann man aber wohl lange warten ...

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.