Geschichtswerkstatt des Kunstvereins soll Erinnerungen in Bild und Wort sammeln
Der Heidelberger Kunstverein will bis zum nächsten Jahr alles über seine Historie erfahren - Im Juli 2019 feiert er 150. Jubiläum

Der Kunstverein will mit einer Geschichtswerkstatt für Bürger in seine Vergangenheit blicken. Im Bild die Profis: Direktorin Ursula Schöndeling, die kuratorische Assistentin Jasmin Meinold und die wissenschaftliche Mitarbeiterin Nicole Guether. Foto: Hentschel
Von Birgit Sommer
Heidelberg. Der Heidelberger Kunstverein wird im nächsten Jahr 150 Jahre alt. 1869 war seine Gründung ein Zeichen der bürgerlichen Emanzipation, war das Sammeln und Betrachten von Kunst doch bis dahin dem Adel vorbehalten. Den ersten 150 Mitgliedern stand der Sinn danach, selbst Kunstwerke zu erwerben.
Zum Jubiläum am 7. Juli 2019 soll es nun keine der üblichen Festschriften geben. Kunstvereinsdirektorin Ursula Schöndeling plant stattdessen eine große "Zeitung" und die Präsentation auf der Homepage und per App. "Die Geschichte soll abrufbar sein, wir wollen kommenden Generationen eine zeitgemäße Möglichkeit der Information geben", sagt Schöndeling. Dazu rief sie jetzt eine Geschichtswerkstatt ins Leben, die persönliche Erinnerungen der Bürger an die letzten Jahrzehnte in Bild und Wort sammelt. Ende Februar hat das erste Werkstattgespräch stattgefunden, natürlich mit dem ersten hauptamtlichen Kunstvereinsdirektor Hans Gercke, der das Amt von den 70er-Jahren bis 2006 innehatte. Die Kunsthistorikerinnen Jasmin Meinold und Nicole Güther unterstützen die Recherche in Archiven und in den Ordnungssystemen der früheren Direktoren.
Welche Formen und Formate der Rückblick letztlich annehmen wird, ist noch offen. Die ersten Schauwände im Studio werfen schon Schlaglichter auf die Geschichte. Etwa auf die Zeit des Nationalsozialismus, von der es verhältnismäßig wenig Dokumente gibt. Man weiß, dass der Kunsthistoriker August Grisebach 1933 von Hubert Schrade sowohl aus seinem Amt als Vorsitzender des Kunstvereins als auch 1937 von seinem akademischen Lehrstuhl verdrängt wurde, weil er mit einer getauften Jüdin verheiratet war.
Schon vor 1933 aber hatte sich der Blick der Verantwortlichen auf die deutsche Kunstgeschichte verengt, der Kunsthistoriker Henry Thode ging um die Jahrhundertwende gegen die Arbeit der Impressionisten in Stellung, auch die Werke der Expressionisten wurden später kritisch aufgenommen. Der Volkskundler Eugen Fehler, Vorsitzender von 1938 bis 1941, inszenierte gar Ausstellungen mit Themen wie "Deutscher Frühling in Brauchtum und Kunst". Welche Rolle der damalige Oberbürgermeister Carl Neinhaus gespielt habe, gelte es noch herauszufinden, sagt Ursula Schöndeling.
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Eine andere Stellwand gibt einem Thema der Achtzigerjahre Raum: Bäume. Als man in Deutschland noch ein massives Waldsterben erwartete, veranstaltete Hans Gercke 1985 die Ausstellung "Der Baum" um Kunst und Symbolik eines tatsächlich urdeutschen Themas. Gercke freut sich jetzt über die Langzeitwirkung dieser bemerkenswerten Ausstellung: Im April soll er an der Kunstakademie Wien im Begleitprogramm einer Ausstellung über den Baum in der Kunst sprechen.
1990, als der Kunstverein seinen festen Platz direkt neben dem Kurpfälzischen Museum in der Hauptstraße 87 bekam, reüssierte er noch einmal international mit der Ausstellung "Blau - Farbe der Ferne". "Tolle Leihgaben aus Museen und von Heidelberger Millionären", hatte Gercke da bekommen und ein einmaliges Budget von 1,5 Millionen Mark.
Der Däne Johan Holten, heute Direktor der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden, war von 2006 bis 2011 Gerckes Nachfolger und verwandelte den Kunstverein Heidelberg, wie dieser 2010 selbst veröffentlichte, "in eine international beachtete Plattform für zeitgenössische Kunst".
Von den Erinnerungen der alten Weggefährten und Gestalter bei der Geschichtswerkstatt verspricht sich Ursula Schöndeling viel. Schließlich kam sie erst vor einem Jahr nach Heidelberg und ist auf fremde Anstöße angewiesen. Sie findet es spannend, wenn erzählt wird, wie der Kunstverein die erste Präsentation der Sammlung Prinzhorn organisierte, wie die Erhaltung von Gebäuden bei der Altstadtsanierung den Mitgliedern ein wichtiges Anliegen war und mit der Ausstellung alter Fotografien begleitet wurde: "Es ist wichtig, zu erfahren, wie wir als Verein an Debatten teilgenommen haben."
Was der Kunstverein mit seinen 850 Mitgliedern heute bedeutet, davon hat sie eine feste Vorstellung: "Wir bringen zeitgenössische Kunst nach Heidelberg. Und: "Der Kunstverein gehört zum Kulturleben der Stadt."
Info: Die nächsten Geschichtswerkstätten im Kunstverein finden am heutigen 6. März und am 20. März jeweils von 15 bis 17 Uhr, am Samstag, 17. März, von 12 bis 14 Uhr statt.