Simpel, ohne Schnickschnack und so rot wie das Schloss (plus Fotogalerie)
Konferenzzentrum: Die Experten sind sich sicher, den mit Abstand besten Entwurf gefunden zu haben

Von Micha Hörnle
Heidelberg. Der Stuttgarter Architekt und Stadtplaner Franz Pesch ist nicht unbedingt einer, der zu Jubelausbrüchen neigt. Aber für seine Verhältnisse ging er gestern aus sich heraus, als er den Siegerentwurf für das neue Bahnstadt-Konferenzzentrum vorstellte: "Das ist eine großartige Sache, dass hier direkt am Bahnhofsvorplatz-Süd der Schlussstein der Bahnstadt gesetzt wird. Und dafür bekommen Sie großartige Architektur."
Hintergrund
Alle Wettbewerbsentwürfe mussten diese Kriterien erfüllen:
> Raumprogramm: ein großer Saal für 1800 Personen (Bestuhlung in Sitzreihen), ein kleiner Saal für 800 Personen, zwölf Räume von unterschiedlicher Größe (im aktuellen
Alle Wettbewerbsentwürfe mussten diese Kriterien erfüllen:
> Raumprogramm: ein großer Saal für 1800 Personen (Bestuhlung in Sitzreihen), ein kleiner Saal für 800 Personen, zwölf Räume von unterschiedlicher Größe (im aktuellen Siegerentwurf sind bis zu 20 machbar), Foyers, ein Restaurant, das auch Nicht-Kongressgästen offensteht, Technikräume und Lagerflächen. Alles in allem sind das rund 6600 Quadratmeter Fläche, dazu kommt noch eine Tiefgarage. Zum Vergleich: Der Mannheimer Rosengarten hat 22.000 Quadratmeter Fläche mit 44 Sälen - Platz für 9000 Tagungsgäste.
> Kostenrahmen: Vorgesehen sind 45 Millionen Euro für das Gebäude (ohne Ausstattung), insgesamt geht man von Gesamtkosten in Höhe von 65 Millionen Euro aus. Die Stadt rechnet damit, dass sie für den Betrieb knapp vier Millionen Euro im Jahr aufwenden muss.
> Ein Konferenzhotel entsteht nicht auf demselben Areal, sondern auf der anderen Seite des Czernyrings, am südlichen Bahnhofsplatz, der zeitgleich neu bebaut wird. Das 300-Betten-Hotel der Zech-Gruppe trägt den firmeneigenen Namen "Atlantic".
Und da er schon am Schwärmen war, erläuterte er die Vorzüge des Plans der Basler Architekten Degelo: Alle Anforderungen seien erfüllt, und es sei auch wahrscheinlich, dass der Baukostenrahmen eingehalten werde (siehe Hintergrund).
Denn das Haus ist relativ simpel, ohne allerhand Schnickschnack: Die strukturiert-wellige Fassade ist aus rötlichem Beton, da wird kein Metall - wie in den nächstplatzierten Arbeiten - aufwändig davor gehängt. Das macht die Sache nicht nur billiger, sondern möglicherweise auch etwas zeitloser, denn niemand weiß, wie man die momentan schicken "Metallvorhänge" in 20 Jahren noch findet.
Überhaupt, so schwärmte auch Baubürgermeister Jürgen Odszuck, passe sich der neue Bau trotz seiner "großen Eigenständigkeit" gut in die Umgebung ein, er sei "kein Fremdkörper". Und gerade mit der rötlichen Farbe erinnere man an den Sandstein der Altstadt und des Schlosses, wie Pesch angenehm auffiel - auch wenn er nicht wusste, warum Degelo dann nicht gleich auch Sandstein genommen hatte.
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Denn schließlich sind die Schweizer dafür bekannt, mit typischen Materialien zu arbeiten: In Davos verkleideten sie die Fassade der erweiterten Stadthalle mit heimischem Holz. Überhaupt war es für Pesch ein Glück, dass die Schweizer - immerhin ein Land mit anerkannt guter Baukultur - in Heidelberg bauen: "Das ist ein sehr gutes Büro aus der Champion’s League." Kurz, so Pesch: "Metallverkleidungen gibt es auch woanders. Aber das hier ist Ihr Projekt", rief er den Heidelbergern zu.
Hintergrund
Kommentar von Micha Hörnle
Man mochte es kaum glauben: Heidelberg baut so aufregend, dass manche schon von einem Bilbao-Effekt träumten. In der baskischen Stadt Bilbao führte ein spektakulärer Museumsneubau zu einem ganz neuen Image. Das wird in
Kommentar von Micha Hörnle
Man mochte es kaum glauben: Heidelberg baut so aufregend, dass manche schon von einem Bilbao-Effekt träumten. In der baskischen Stadt Bilbao führte ein spektakulärer Museumsneubau zu einem ganz neuen Image. Das wird in Heidelberg nicht passieren, dafür ist der Siegerentwurf des Konferenzzentrums dann doch nicht "Leuchtturm" genug - auch wenn die Befürworter des Standorts am Bahnhof immer diese Hoffnung weckten.
Der erste Preis ist aber auch kein Museum, das Leute anlocken muss, sondern eine offensichtlich gut geplante Tagungsstätte, die zumindest nicht ganz hässlich ist. Der erste Blick auf die Grafiken lässt einen nicht vor Begeisterung jubeln, dass nun endlich die Moderne in Heidelberg Einzug hält. Man tastet sich eher langsam heran.
Der Entwurf ist zumindest innen raffinierter geplant als außen. Insofern hat er einen zweiten Blick, eine zweite Chance verdient. Ob daraus die große Liebe wird? Eher nicht, vielleicht eher eine gute Freundschaft - ohne Kribbeln im Bauch.
Und da schon die Euphorie so groß war, sagte auch der Stadtteilvereinsvorsitzende der Bahnstadt, Dieter Bartmann: "Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass alle Anforderungen in einem Gebäude umgesetzt werden können. Man kann nur gratulieren, wenn man solch einen Entwurf bekommt."
Er prophezeite schon heute, was für die alte Stadthalle in der Altstadt nie gegolten hat: "Es wird keine Konflikte mit den Anwohnern geben." Und Mathias Schiemer von Heidelberg-Marketing sagte: "Wir wollen in der Bahnstadt ein guter Nachbar sein."
Aber hätte nicht doch die ganze Anmutung des Siegerentwurfs etwas spektakulärer - Stichwort "Bilbao-Effekt" - ausfallen können? Nein, sagt Baubürgermeister Odszuck: "Das Gebäude wählt einen anderen Weg, spektakulär zu sein. In seiner gewissen Bescheidenheit will es den Betrachter berühren." Denn es gäbe bestimmt viele, die die wellige Fassade einmal anfassen wollen.
Und er ist sich jetzt schon sicher: "Das wird für Aufsehen sorgen, zumindest in Fachkreisen." Außerdem brauche Heidelberg keinen "Bilbao-Effekt": "Wir müssen ja nicht unser Image aufpolieren, wie es dort in Spanien der Fall war."
Und hätte ein etwas großzügigerer Kostenrahmen als die anvisierten 65 Millionen Euro nicht vielleicht doch zu aufregender Architektur geführt? "Mehr Geld macht die Entwürfe auch nicht besser", sagt Odszuck, "mir liegen die pompösen Gesten nicht so sehr. Dieser Entwurf besticht durch eine subtilere Art und Weise und nicht durch den vordergründigen Auftritt."
Info: Ab dem 17. Oktober sind alle 22 Wettbewerbsentwürfe in der Sporthalle der Mark-Twain-Schule (Südstadt) zu sehen.