Immer ein paar Leichen im Keller
Der Eigentümer und der Ausstellungsmacher verteidigen ihr Konzept im Alten Hallenbad

In der Körperwelten-Ausstellung werden zahlreiche Plastinate in sportlichen Posen gezeigt. Foto: Philipp Rothe
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Schon unter Oberbürgermeisterin Beate Weber hatten der Anatom Gunther von Hagens und seine Ehefrau Angelina Whalley versucht, im lange leer stehenden Alten Hallenbad Räume für ihre umstrittene Körperwelten-Ausstellung zu bekommen. Nun sind sie am Ziel. Am Mittwoch stellten sie der Presse ihr neues Museum im ehemaligen Männerbad vor. "Anatomie des Glücks" haben sie ihre Ausstellung getauft (siehe Hintergrund). Für die Kuratorin ist es ein besonderer Moment und ein besonderer Ort. Ihr Mann habe nur einen Steinwurf von hier entfernt vor 40 Jahren die Plastination erfunden - im Altklinikum.
In dem ehemaligen Jugendstilbad in der Poststraße sind also ab sofort plastinierte menschliche Überreste zu sehen. "Das passt wunderbar hierher", ist Hans-Jörg Kraus, Eigentümer des Alten Hallenbads, überzeugt. Das denkmalgeschützte Gebäude hat er 2008 nach einer europaweiten Ausschreibung von der Stadt gekauft. Damals hatte er noch versprochen, in Bergheim eine Markthalle zu etablieren. Mit zwei unterschiedlichen Konzepten ist er aber gescheitert. "Ich habe keine Auflage gemacht bekommen, dass ich hier unbedingt eine Markthalle betreiben muss", betonte Kraus gestern, trotzdem habe er es zwei Mal versucht - und dabei viel Geld verloren. Wenn die Körperwelten-Macher nicht bei ihm angerufen hätten, hätte er das Männerbad wohl erst einmal leer stehen lassen müssen.
Hintergrund
Anatomie des Glücks heißt die aktuelle Ausstellung im neuen Körperwelten-Museum. Ziel ist es, die unterschiedlichen Körperfunktionen darzustellen und aufzuzeigen, dass wir Glück nur wahrnehmen können, "weil wir entsprechende Sensoren im Körper haben", so
Anatomie des Glücks heißt die aktuelle Ausstellung im neuen Körperwelten-Museum. Ziel ist es, die unterschiedlichen Körperfunktionen darzustellen und aufzuzeigen, dass wir Glück nur wahrnehmen können, "weil wir entsprechende Sensoren im Körper haben", so Angelina Whalley.
16 Ganzkörperplastinate und 120 kleinere Präparate werden gezeigt.
Der Rundgang: Mit einer Videoprojektion im Vorraum werden die Besucher auf das Thema "Glück" vorbereitet. Die ersten echten Präparaten zeigen das Zentrale Nervensystem, ein Gehirn, welches das Limbische System veranschaulicht. Ein Ganzkörperplastinat heißt "Die Bogenschützin". Sie symbolisiert Kraft, Ausdauer und Gleichgewichtssinn, die Sehnen der Frau sind beim Abschuss des Pfeiles gespannt. Es folgen kleinere Präparate in der Galerie: Rot eingefärbte Blutgefäße eines menschlichen Kopfes, die erklären, wie einem die Schamesröte ins Gesicht steigt, Herzen, in denen künstliche Herzklappen oder Herzschrittmacher zu sehen sind. Ebenfalls zu sehen: Eine gesunde und eine krankhaft veränderte Aorta, Krampfadern, ein Scheibenplastinat eines von Schlaganfall betroffenen Gehirns.
Im Erdgeschoss sind einige Ganzkörperplastinate in sportlicher Pose zu sehen - Basketballer, Fußballer, aber auch eine Schwangere mit ihrem Baby im Bauch und Föten in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Der "Denker" soll zum Grübeln anregen: Was würden wir bereuen, wenn wir heute auf dem Sterbebett lägen.
Geöffnet ist das Museum im Alten Hallenbad, Poststraße 36/5, ab heute, montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr, samstags, sonn- und feiertags von 10 bis 18 Uhr. Einzeltickets kosten zwischen 11 und 17 Euro.
Die Bilderstrecke zur Ausstellung: www.rnz.de/fotogalerien
Mathias Schiemer, Chef von Heidelberg-Marketing hat im Alten Hallenbad das Schwimmen gelernt. Ihn habe es zunächst Überwindung gekostet, das neue Museum zu unterstützen. Seine Ehefrau, selbst OP-Schwester, sei aber schon lange von den Körperwelten fasziniert. "Wir müssen nun darauf achten, dass die Körper nicht in erniedrigender Weise ausgestellt werden", sagt Schiemer, der gestern erstmals überhaupt eine solche Ausstellung besuchte.
"Es darf nicht zugehen wie auf einem Jahrmarkt", sagt auch Kuratorin Whalley. Tatsächlich herrsche in den Ausstellungen häufig eine "sakrale Atmosphäre". Whalley: "Die Menschen entdecken sich selbst in den Plastinaten." Alt und jung, krank und gesund werden einander gegenübergestellt. Dabei würden die Besucher emotional erreicht, gerade weil sie wüssten, dass es echte menschliche Körper sind. Die Konsequenz: Sie verhielten sich ehrfürchtig.
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Franz Josef Wetz ist Professor für Philosophie an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd und begleitet die Körperwelten seit Jahren. In der Ausstellung werde das Leben vor dem Tod zelebriert. "Das ist keine Leichenfledderei", so Wetz. Solch eine Behauptung sei "moralisch nicht in Ordnung". Aber werden hier nicht Geschäfte mit dem Tod gemacht? Bei dieser Frage holt Wetz zu einer Medienschelte aus, die die Körperwelten in seinen Augen oft genug auf ihre Sensationslust reduzierten. Gunther von Hagens selbst hat hierzu eine ganz eigene Meinung: "Ich bin stolz darauf, dass sich die Ausstellung selbst finanziert."
Vielleicht spiele die Sensationslust bei den Besuchern eine Rolle, gibt Whalley zu: "Entscheidend ist aber, wie die Leute wieder hinausgehen." Einige scheinen fasziniert zu sein. So fasziniert, dass sie sich als Körperspender registrieren lassen. 17.000 sind es bereits - weltweit. "Ein guter Anatom hat immer ein paar Leichen im Keller", sagt von Hagens. Der von seiner Parkinson-Erkrankung gezeichnete Plastinator beherrscht sie noch, die Selbstironie.



