Neckargemünder Altstadt soll Fußgängerzone werden
Das fordert die neu gegründete Bürgerinitiative Altstadt Neckargemünd: "Die Situation ist nicht mehr tragbar"

Den Durchgangsverkehr will die Bürgerinitiative aus der Altstadt - im Bild der Hanfmarkt - in den Hollmuth-Tunnel verbannen. Fotos: Alex
Von Christoph Moll
Neckargemünd. Es dauerte keine Minute, da hatte die erst kürzlich gegründete "Bürgerinitiative Altstadt Neckargemünd" (Bian) schon neue Unterstützer gewonnen. Die Mitglieder stellten sich gerade vor dem Café Roma auf, als die ersten Passanten aufmerksam das mitgebrachte Plakat beäugten. "Autos raus aus der Neckargemünder Altstadt - rein ins Tunnel! Lärm und Gestank machen alle krank" stand darauf in großen schwarzen Lettern.
Es ist die Kernforderung der Initiative, die sich um den in Neckargemünd aufgewachsenen Initiator Mario Finger gerade formiert. Eine dieser Passanten war Ilka Schlüchtermann. "Das unterstütze ich, es ist eine Katastrophe gerade für Kinder", sagte die Neckargemünderin und gesellte sich spontan so wie auch andere Bürger zur Initiative.
Es ist Feierabendzeit, als sich die Mitglieder im Café Roma treffen. Mario Finger schaut durch die große Glasscheibe nach draußen Richtung Hanfmarkt: "Jetzt geht es wieder los", sagt der 58-jährige Werbefachmann. Ein Auto nach dem anderen rauscht vorbei, aus der Altstadt heraus und in die Altstadt hinein.
Genau das ist der Initiative ein Dorn im Auge. "Die Situation ist nicht mehr tragbar", sagt Finger. Schon 1990 sei den Anwohnern gesagt worden, dass der Tunnel kommt und sie ihre Häuser neu streichen könnten. Aktionen gegen den Durchgangsverkehr habe es viele gegeben, doch es habe sich nichts geändert.
Deshalb initiierte der Lobbacher, der in Neckargemünd geboren sowie groß geworden ist und nach wie vor fast täglich in der Stadt ist, die Initiative und suchte mit Flugblättern Mitstreiter. Die fand er in Markus Horst und Marcel Martine, beide Absolventen des SRH-Berufsbildungswerks, sowie René de Boer. Angeschlossen hat sich außerdem Stadtrat Giuseppe Fritsch, dessen Engagement in den eigenen Reihen kritisch gesehen wird.
Zusammen wollen sie die Altstadt von der evangelischen Kirche bis zum Stadttor zur Fußgängerzone machen - oder zumindest den Durchgangsverkehr verbannen. Die Anwohner sollen Parkausweise erhalten und natürlich auch künftig mit dem Auto zu ihren Häusern gelangen, auch die Parkplätze am Neckarlauer sollen weiterhin nutzbar sein. "Wir wollen eine autofreie Stadt", sagt Finger.
Das wäre aber nicht das Ende des Gewerbes. Im Gegenteil: Die Geschäfte könnten sich dann - wie in Sinsheim und Wiesloch - besser entwickeln und ihre Waren nach außen präsentieren. "Um eine Rose zu kaufen, braucht man kein Auto", meint Finger. Ohne Verkehr seien auch ganz andere Veranstaltungen und Aktionen möglich, die den Tourismus ankurbeln. "Man könnte so viel machen."
Und um das zu erreichen, erwägt die Bian Demonstrationen und Verkehrsblockaden. "Die Stadt muss sich bewegen", fordert der Kopf der Initiative. Es gebe an vielen Stellen Handlungsbedarf. Die Rechts-vor-links-Regel werde ignoriert, Gehwege seien zugeparkt, am Hanfmarkt herrsche durch die Blumentöpfe und Fahrradständer Chaos und es sehe aus "wie ein Schrottplatz", die Ampeln am Tunnel seien eine Fehlplanung.
Markus Horst berichtete von seinen "fatalen Erfahrungen" als Altstadtbewohner in der Pfluggasse: "Das Tempolimit wird nicht eingehalten, man bekommt den Fuß abgefahren." Vor allem im Sommer sei der Gestank unerträglich. Der Durchgangsverkehr müsse endlich im Hollmuth-Tunnel verschwinden. "Dafür wurde er gebaut", sagt Horst. Einig ist sich die Initiative auch darin, dass die 700er-Regionalbusse nicht mehr durch die Altstadt fahren sollen. "Beim 35er-Bus müssen wir noch diskutieren."
Einige Bürger waren dem Aufruf per Flugblatt gefolgt und berichteten von ihren Erfahrungen. Eine Frau erzählte, dass sie wegen des "Dieselgestanks der Busse" nur nachts lüften könne. "90 Prozent der Autos fahren nur durch", meinte Klaus Rothermel, der schon in der Altstadt aufgewachsen ist. Und Alice Scheerer sagte, dass ihr Fachwerkhaus am Letzten Heller wackle, wenn der Bus vorbeidonnere. Durch die Erschütterungen habe es schon Beschädigungen gegeben. Manche Besucher gingen wieder, weil ihnen das Konzept noch "zu wirr" war.
Die Bian kämpft nicht für einen Bürgerentscheid, sondern versteht sich als Forum für neue Konzepte und Ideen. Diese will man zusammen mit Bürgern und Vereinen suchen und entwickeln. "Wir sind unabhängig von Parteien sowie Politik und sind kein Verein", betont Finger.
Weitere Unterstützer können bei sonntäglichen Treffen - das nächste ist am 29. Januar - um 15.30 Uhr im Café Roma hinzustoßen und sich informieren. Ein Infostand beim Abendbummel ist geplant, ebenso wie eine Facebook-Seite. Die Internetseite wird gerade aufgebaut.
"Wir wollen erst Ideen und Meinungen sammeln und dann die Resonanz von der Stadt abwarten", sagt Finger. "Wenn nichts passiert, werden unsere Maßnahmen schärfer." Finger, früher 10.000-Meter-Läufer, sagt: "Wir werden nicht so schnell aufgeben, das wird kein 100-Meter-Lauf, sondern ein Marathon."



