"Studierende sollen kommen, weil wir Qualität bieten - nicht weil es billig ist"

Ministerin Theresia Bauer verteidigt Gebührenvorschlag - Flüchtlinge verschärfen Wohnungsnot nicht

14.10.2016 UPDATE: 16.10.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 24 Sekunden

Theresia Bauer. F: hen

Von Sören S. Sgries und Denis Schnur

Um die Sparziele der grün-schwarzen Landesregierung einzuhalten, will Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) von Nicht-EU-Ausländern Studiengebühren verlangen. Im RNZ-Interview verteidigt sie den Vorstoß. Bei der studentischen Wohnungsnot sieht sie Fortschritte.

Frau Bauer, in den Unistädten stehen viele Studenten wieder ohne Bleibe da. Verschärft die Zuwanderung das Problem?

Zu Beginn jedes Wintersemesters wird in den Unistädten über Wohnungsnot geklagt. Wir werden weiter für den studentischen Wohnungsmarkt bauen, so wie es in den letzten Jahren schon geschehen ist. Aber das ist ein altes Problem, keines, das von Flüchtlingen produziert oder auch nur nennenswert verschärft wurde.

Hintergrund

Grüne Hochschulgruppen gegen Bauers Gebührenpläne

RNZ. Die Pläne der Wissenschaftsministerin, von Nicht-EU-Ausländern Studiengebühren von bis zu 2000 Euro pro Semester zu verlangen (Interview links), stoßen nicht nur auf Gegenliebe. Mit "Campusgrün"

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Grüne Hochschulgruppen gegen Bauers Gebührenpläne

RNZ. Die Pläne der Wissenschaftsministerin, von Nicht-EU-Ausländern Studiengebühren von bis zu 2000 Euro pro Semester zu verlangen (Interview links), stoßen nicht nur auf Gegenliebe. Mit "Campusgrün" spricht sich auch der Dachverband der grünennahen Hochschulgruppen gegen Theresia Bauers Vorstoß aus: "Studiengebühren sind elitär und sorgen für eine Selektion beim Hochschulzugang. Bildung darf grundsätzlich nicht von den finanziellen Bedingungen der Familie abhängen", heißt es in einer Pressemitteilung des Verbandes. Da das Einkommensniveau in vielen Nicht-EU-Staaten deutlich unter dem Deutschen liege, würden durch die "Campus-Maut" vor allem Studenten aus ärmeren Familien abgeschreckt.

"Studiengebühren für Nicht-EU-Studierende stehen einem offenen und internationalen Bildungssystem im Wege und dürfen nicht von der staatlichen Pflicht zur Hochschulfinanzierung ablenken", betont Madelaine Stahl, Sprecherin des "Campusgrün"-Bundesvorstandes. Der Grünen-Nachwuchs findet es "unverantwortlich", dass der Haushaltsplan der Landesregierung für 2017 Einsparungen in Höhe von 47 Millionen Euro im Bereich Wissenschaft, Forschung und Kunst vorsehe. Diese will Bauer auch durch Studiengebühren für ein Zweitstudium sowie durch die Erhöhung der Verwaltungskostenbeiträge um zehn Euro pro Semester erzielen. Auch hier protestieren die grünen Studenten: "Wir stellen uns gegen die Tendenz, Studiengebühren durch die Hintertür über die langsame Erhöhung der Verwaltungskostenbeiträge wieder einzuführen."

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Sie haben kürzlich in Heidelberg Flyer verteilt, um private Vermieter zu mobilisieren. Wirkt verzweifelt, wenn einer Ministerin nicht mehr einfällt ...

Wenn es das Einzige wäre, was ich tue, wäre es wirklich ein Problem. Wir geben aber zusätzliches Geld, damit weiter gebaut wird. Die Studierendenwerke tun das auch. Allein in Heidelberg sind seit Anfang 2011 rund 1300 Wohnplätze hinzugekommen. Der begrenzende Faktor ist im Moment aber gar nicht das Geld. Der begrenzende Faktor ist es, geeignete Liegenschaften in den Kommunen zu finden. Wenn das gelingt, kann es schneller gehen mit dem Bauen. Die zweite Aufgabe ist es, auch den privaten Wohnungsmarkt für Studierende offen zu halten.

Wie sinnvoll ist denn eine "Ghettobildung" für Studenten, weil sich alle in Wohnheimen sammeln?

Es kommt auf die richtige Balance an. Der Charme einer Stadt wie Heidelberg besteht schon darin, dass man überall jungen Menschen begegnet. Deshalb wäre es gar nicht wünschenswert, alle Studierenden ins Neuenheimer Feld zu stecken oder künftig ins Patrick Henry Village. Hier in der Stadt kann man an jeder Ecke das studentische Leben spüren. Und das tut Heidelberg gut. Wir haben übrigens hier einen überdurchschnittlichen Versorgungsgrad mit Wohnheimplätzen von 16 Prozent.

Fehlt im Wohnheim nicht der Kontakt zum außeruniversitären Leben?

Man braucht beides: Wer nur kurz hier ist, zum Beispiel für ein Jahr, der ist auf dem privaten Wohnungsmarkt nur sehr schwer zu vermitteln. Es ist für Eigentümer schwer, ständig neue Mieter zu suchen. Für Kurzzeitaufenthalte ist ein Wohnheim eigentlich alternativlos. Und ich glaube, dadurch, dass die Studierenden immer jünger werden, ist miteinander erwachsen werden in einer campusähnlichen Anlage auch eine attraktive Option. Die Balance zwischen beiden Komponenten muss stimmen.

Sie haben das Heidelberger Flair gelobt - in einer Stadt mit Volluniversität. Der Konstanzer Uni-Rektor Ulrich Rüdiger hält diese für nicht mehr zeitgemäß.

Es gibt nicht die eine Antwort für alle Universitäten. Für eine vergleichsweise kleine Universität wie Konstanz sieht es der Rektor sicher goldrichtig: Wenn eine kleine Universität alles anbieten möchte, wird sie das nicht auf einem exzellenten Niveau hinbekommen. Von allem ein bisschen funktioniert nicht. Große Universitäten haben mehr Spielraum, starke Profile auszubilden und dabei hoch erfolgreich zu sein. Aber selbst an der Uni Heidelberg spielen beispielsweise Ingenieurwissenschaften keine Rolle.

Sie schlagen vor, Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer einzuführen. Schadet man damit nicht internationalen Studienstandorten?

Um die Standorte mache ich mir keine Sorgen. Ich möchte, dass Studierende zu uns kommen, weil wir eine hohe Qualität im Studium bieten, nicht weil es bei uns billig ist. Wir wollen mehr Internationalisierung, das heißt aber auch mehr internationale Studierende, die ihr Studium erfolgreich abschließen; gerade an diesem Punkt gibt es nämlich noch viel zu tun. Übrigens: Wir achten auch darauf, dass Spielräume für Gebührenerlass bei Talenten und sozialen Härtefällen möglich bleiben. Auch Flüchtlinge sind explizit ausgenommen. Nur wer zum Zwecke des Studiums von außerhalb der EU einreist, leistet dann einen Eigenbeitrag.

Viele befürchten, dass eine solche Regelung der erste Schritt zur Wiedereinführung allgemeiner Studiengebühren "durch die Hintertür" ist.

Im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass keine allgemeinen Studiengebühren eingeführt werden. Und der Koalitionsvertrag gilt.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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