In Heidelberg heißt es heute: Bye, bye, Schwimmbad-Musik-Club!

Am heutigen Montag wird zum letzten Mal in der Heidelberger Tiergartenstraße 13 gefeiert, dann schließt der Schwimmbad-Club - RNZ-Redakteure und Leser erinnern sich

27.12.2015 UPDATE: 28.12.2015 06:00 Uhr 4 Minuten, 36 Sekunden

36 Jahre hinterlassen Spuren: "Schwimmbad"-Geschäftsführer Guy Dechandol vor den vielen Plakaten und Aufklebern der Bands, die in dem legendären Club im Neuenheimer Feld aufgetreten sind. Foto: Philipp Rothe

Am heutigen Montag ist alles vorbei. Wenn "Me and the Heat" irgendwann nach Mitternacht ihren letzten Akkord gespielt haben, gehen im Schwimmbad-Musik-Club nach 36 Jahren endgültig die Lichter aus. Dann schließt die Heidelberger Institution ihre Türen. Geschäftsführer Guy Dechandol macht nicht weiter, weil das Gebäude, das den Stadtwerken gehört, marode ist und die Sanierung - inklusive Schließung für längere Zeit - wirtschaftlich ein zu großes Risiko ist.

Viele Erinnerungen hängen an diesem Laden, der immer genau so abgerissen war, dass man sich darin wohlfühlte. Legendäre Konzerte, durchgetanzte Disconächte, der "Raucherbalkon", das Bistro, das später zum "Penthouse" wurde: Viele haben im "Schwimmbad" ihre Jugend-, Studien-, oder Lehrzeit verbracht - auch einige RNZ-Redakteure und Leser, die hier über ihre Erlebnisse schreiben:

Alexander Esser (er fotografierte Nirvana bei ihrem Schwimmbad-Auftritt am 15. November 1989): Ende der 80er Jahre habe ich für das Fanzine "No Trend Press" Fotos gemacht. Die Macher haben die Band an dem Abend interviewt. Im "Schwimmbad" war ich fast jeden Mittwoch, da kamen die guten Sachen. Das Nirvana-Konzert war ausverkauft, und die Band war richtig gut. Kurt Cobain war sehr introvertiert und hat sich kaum bewegt, dafür ist der Bassist Krist Novoselic richtig abgegangen. Mit 18, 19 Jahren war ich immer bis Ultimo im "Schwimmbad". Ich wohnte in Neuenheim und bin mit Freunden hingelaufen, Treffpunkt war die Dea-Tankstelle. Mitte der 90er ist das dann eingeschlafen - ich machte eine Ausbildung in Eberbach, da musste ich donnerstags früh raus. Dass das "Schwimmbad" jetzt schließt, ist sehr schade, es war eine Institution.

Götz Münstermann (Online-Redaktion): Wer hat schon einen Führerschein? Und ein Auto? Diese Frage war in den 1980er Jahren auch in einer Großstadt wie Ludwigshafen am Rhein alles andere als unwichtig. Wie sonst sollte man mittwochs nach Heidelberg kommen, wenn im "Schwimmbad" Indie-Musik auf dem Programm stand? S-Bahn gab es noch nicht, OEG fahren war eine Weltreise. Auch auf der anderen Rheinseite war für junge Menschen wie mich der SMC ein Muss. Klar: Es gab in Mannheim das "Genesis" oder das "Ohm". Aber wer aus einer szenefreien Industriestadt ein bisschen die (bessere) Luft der großen weiten Welt schnuppern wollte, der konnte einmal die Woche rauskommen. Und nicht nur dafür heißt es, dem Schwimmbad Musik-Club Danke zu sagen. Auch für großartig kleine Clubkonzerte: zum Beispiel die Godfathers, die im November 1995 mein Trommelfell ruinierten. Und wo sonst in der Region hätte 1996 Andreas Dorau auftreten können? Übrigens auch danke für die Türsteher-Policy: Es war nämlich damals, vor fast 30 Jahren, sehr lustig, wenn unsereins problemfrei ins "Schwimmbad" reinkam. Unser Fahrer aber, der einzige Volljährige, seinen Ausweis vorzeigen musste.

Stephan Gschwind (Repro-Abteilung): Anfang der 1990er Jahre war ich mit zwei Kumpels Stammgast im Schwimmbad-Club. Und so kamen wir im Oktober 1992 in ein Konzert, wie es der Club noch nicht gesehen hatte: Denn als Die Fantastischen Vier spielten, war ausverkauft - und vor der Tür standen vielleicht noch 1000 Leute. Wir gingen an der Schlange vorbei, wurden reingewunken und zwängten uns in den knallvollen Konzertraum. Wir wussten nur, dass da diese Band aus Stuttgart mit dem "Die Da"-Song auftreten würde. Wir kannten zwar deutschen Hip-Hop schon - Advanced Chemistry, die Stieber Twins, Cora E. -, aber das war neu. Und noch nie hat es solch einen Ansturm gegeben. Die Leute flippten aus, und irgendwann tropfte Kondenswasser von der Decke. Die Fantastischen Vier sagten auch durch, dass noch so viele Leute vor der Tür standen und überlegten, ob sie draußen weiterspielen sollten. Das war auf jeden Fall das ungewöhnlichste Konzert, das ich je im "Schwimmbad" gesehen habe - und es hat mich zum Fan des deutschen Sprechgesangs gemacht.

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Steffen Blatt (Stadtredaktion Heidelberg): Am 30. Dezember 1998 hatte ich es geschafft - ich spielte mit meiner Band Scary Sad im Schwimmbad-Club. Was waren wir stolz, auf dieser Bühne zu stehen: Nirvana! Green Day! Soundgarden! NOFX! Helmet! Viele unserer Helden waren hier schon aufgetreten, hatten sich in den winzigen Backstage-Raum neben der Bühne (oder in den nur unwesentlich größeren im Keller) gezwängt, und jetzt wir, die kleine Pop-Punk-Band aus Weinheim. Und dann gab es sogar Gage! Wie das Konzert dann gelaufen ist, weiß ich nicht mehr genau. Wir spielten mit mehreren Bands zusammen, und ich glaube, es war ein guter Abend. Vor allem aber erinnere ich mich an dieses Gefühl, an einem historischen Ort gewesen zu sein. Ich habe später noch häufiger im Schwimmbad-Club gespielt - aber es gibt eben nur ein erstes Mal.

Ingrid Thoms-Hoffmann (Stadtredaktion Heidelberg): Meine damalige Lieblingsband Tito & Tarantula im Schwimmbad-Club: einfach geil, auch wenn die kalifornischen Jungs alles andere als sexy aussahen. Aber welch ein Gefühl, "After Dark" live zu erleben. Besser als im abgedrehten Film "From Dusk Till Dawn". Klar war es damals knallevoll. Ich glaube, es war 2008 und ich mit Abstand der älteste Fan. Unwohl habe ich mich dennoch keineswegs gefühlt. Doof war nur, dass ich im Kostüm dort erschienen bin, denn ich hatte vorher einen wichtigen Termin. Machte aber nichts. Ein Typ von den Ausmaßen eines Kleinlasters, bis hinter die Ohren tätowiert und im Muskelshirt, meinte nur: "Komm, geh nach vorne Kleine, Du siehst ja gar nichts." Musik verbindet halt. Verbindend auch die Zigarette, die wir dann draußen rauchen mussten, denn dummerweise war kurz zuvor das Nichtraucherschutzgesetz in Kraft getreten. Und das passte ja mal gar nicht zusammen: rauchfreie Tito & Tarantula. Hat aber dann doch funktioniert.

Anica Edinger (Stadtredaktion Heidelberg): Es war ein warmer Sommerabend. Es war kurz nach dem mündlichen Abitur. Es war ein Donnerstag. Der Besuch in der Open-Air-Disco im Schwimmbad-Club war für uns deshalb schlicht alternativlos, wie an so vielen Donnerstagen im Jahr. Wir waren ausgelassen, wollten feiern, auch wenn wir schon seit mehreren Tagen die Nächte durchgetanzt hatten. Und so machten wir - eine Gruppe von gut zehn frischgebackenen Abiturienten - das auch an jenem Abend im "Schwimmes". Wenigstens, bis einer meiner Freunde plötzlich mit seinem Smartphone die Tanzfläche stürmte und schrie: "Michael Jackson ist tot." Denn dieser warme Abend im Sommer war der 25. Juni 2009 - der Todestag des King of Pop. Und er wird mir für immer in Erinnerung bleiben.

Andy Ar (via Facebook): Unvergessen sind die Abende mit Eric Fish und Götz Widmann. Zwei supergeniale Liedermacher, jeder auf seine ganz eigene Art und Weise. Beide habe ich bei SMC-Konzerten erlebt, wie es sie nirgendwo anders geben kann. Legendär ist ein ehemaliger Klassenkamerad der Abiturklasse des Technischen Gymnasiums der Carl-Bosch-Schule, der morgens mit den Worten "Ich hab mein Auto verloren ..." auf direktem Weg aus dem "Schwimmes" in den Unterricht kam. Er hatte sein Auto auf dem Parkplatz nicht mehr wiedergefunden, was wohl auch besser so war. Abends war es dann wieder da.

Sabine Klahr (via Facebook): Sehr schade! Ich habe hier mein halbes Studium verbracht. Feiern bis in den Morgen und Cola-Rot war Pflicht. Besonders waren auch die kleinen, fast familiären Konzerte, vor allem von den "Schröders". Vielleicht schaffe ich es noch ein letztes Mal hin, ein letzter Cola-Rot, ein letztes Mal zum Abschied "What a Wonderful World" von Louis Armstrong hören ... Ich werde den SMC und die damit verbundenen Erlebnisse nie vergessen. Danke für die tolle Zeit!

Diana Roth (via Facebook): Ende der 80er war hier meine zweite Heimat - geniale Konzerte, coole Leute und Gerhard und Günther an der Kasse, immer einen Spruch auf Lager. Und nicht nur die doofe Disco-Mucke ... Eine Ära geht zu Ende!

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