Nach Großbrand fließt Ammoniumnitrat in den Neckar
Eine Katastrophe für die Tierwelt: Bei Großbrand in Hohenlohe gelangte verunreinigtes Löschwasser in die Jagst - Vier Tonnen Fische sind bereits verendet

Totes Gewässer: Mitglieder des Fischereivereins sammeln die verendeten Fische ein. Foto: dpa
Von Kathrin Frank
Heidelberg. Eigentlich liebt Hans-Hermann Maunz das Angeln. Doch an den letzten beiden Tagen ist ihm die Freude daran vergangen. "Es ist frustrierend", sagt der erste Vorstand des Fischereivereins Kirchberg-Jagst. Mehr als vier Tonnen tote Fische hätten er und seine Mitstreiter seit Sonntag aus einem Abschnitt der Jagst im Landkreis Schwäbisch Hall geholt. Ein Ende ist nicht in Sicht. Der Grund dafür liegt sieben Kilometer flussaufwärts: ein Brand in Kirchberg, bei dem mit Ammoniumnitrat kontaminiertes Löschwasser in den Fluss gelangte.
Es war in der Nacht von Samstag auf Sonntag, als eine Mühle in dem Kirchberger Ortsteil Lobenhausen Feuer fing. In Brand geriet auch ein Gebäude, in dem Ammoniumnitrat als Düngemittel gelagert wurde. Laut dem Landratsamt in Schwäbisch Hall vermischte sich der Dünger mit dem Löschwasser der Feuerwehr und geriet in die Jagst. Wie dies geschah, muss noch analysiert werden.
Die Folgen des Unglücks haben die Angler vom Fischereiverein Kirchberg nun täglich vor Augen: "Unser gesamtes Gewässer ist tot", klagt Maunz. "Wir können nichts anderes machen, als die verendeten Fische absammeln und in die Tierkörperbeseitigung schaffen", sagt er. Fünf bis acht Jahre könne das Gewässer nicht mehr befischt werden, schätzt er. Das Landratsamt Schwäbisch Hall spricht von einer "Katastrophe" für die Tierwelt.
Eines der Hauptprobleme ist offenbar nach bisherigen Erkenntnissen, dass ein oder mehrere Schadstoffe aus dem Löschwasser den Sauerstoff im Flusswasser binden. Die Tiere ersticken nach und nach. Inzwischen ist die Schadstofffahne in der Jagst flussabwärts bis Langenburg-Bechlingen gelangt. Nach Angaben des Landratsamtes pumpt dort die Feuerwehr das Flusswasser ab und leitet es über eine Kläranlage wieder in die Jagst zurück.
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In Ellwangen-Buch wurde ein Speicherbecken geöffnet, damit mehr frisches Wasser in die Jagst strömen kann. "Die Landwirte sind auch dabei, Wasser aus dem Fluss abzupumpen und auf die Felder auszubringen. Das ist ja quasi Dünger", sagte eine Sprecherin des Landratsamtes. Mit Güllefässern wird außerdem Wasser aus dem Kocher in die Jagst gebracht.
Die Bemühungen zeigen Wirkung. Laut Landratsamt beträgt die Ammonium-Konzentration nun 23 Milligramm pro Liter. An der Brandstelle waren es zunächst 200 Milligramm pro Liter. "Trotzdem ist das immer noch zu viel", sagte eine Sprecherin. Ab 1 Milligramm pro Liter ist Ammonium tödlich für Fische. Inzwischen wird auch Kritik am Krisenmanagement des Landratsamtes laut. Die Behörde habe viel zu spät reagiert, sagte Achim Thoma vom Angelsportverein Jagst Langenburg. Der Hohenlohekreis und der Landkreis Heilbronn warnen bereits vorsorglich vor dem Baden in der Jagst.
Unklar ist bislang, wie sich die Umweltkatastrophe auf den Neckar auswirkt. Die Jagst mündet bei Bad Wimpfen in den Fluss. Im Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis liegt nach Angaben der Behörde noch keine Warnung vor. Die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz geht davon aus, dass das kontaminierte Wasser in fünf bis acht Tagen den Neckar erreicht. "Allerdings in einer Verdünnung, bei der wir momentan davon ausgehen, dass es nicht zu Komplikationen kommt", sagte eine Sprecherin. Es seien aber noch genaue Messungen nötig.