Die Profs holten das Lasso raus
Heidelberg. Beim Wettstreit am DJ-Pult in der Halle 02 ließen die Uni-Dozenten alle Hemmungen fallen. Ihre Studenten johlten.
Ein Mittfünfziger mit Oberlippenbart tanzt ungelenk am vorderen Bühnenrand entlang. Er trägt ein blaues Hemd, Jeans und schwarze Lederslipper. Im Takt von Joe Cockers "You can leave your hat on" lässt er ein weißes T-Shirt über dem Kopf kreisen. Stars sehen anders aus. Und doch jubelt das Publikum und reckt die Arme in die Höhe, als er das Shirt in die Menge wirft. Was ist da los?
Es ist Professorennacht. Die Halle 02 ist brechend voll. Rund 1500 Feierwillige, meist Studenten um die 20, sind gekommen, um ihre Professoren als DJs zu erleben. Die haben ihre eigene Musik mitgebracht und wetteifern um die Gunst des Publikums. Fachschaftsweise treten sie gegeneinander an. Der Soziologieprofessor Jürgen Kohl punktet mit dem virtuellen Striptease, doch am Ende müssen er und seine Kollegen Gert Albert und Achim Schibel sich den Wirtschaftswissenschaftlern Timo Goeschl und Zeno Enders geschlagen geben, die ganz auf Balkan-Pop gesetzt hatten. Macht aber nichts. "Es interessiert keinen Menschen, wer gewinnt, es geht einfach nur um Party", sagt Albert später gut gelaunt mit einem Glas Rotwein in der Hand. Und recht hat er. Von Anfang an kocht der Saal, auch weil der Moderator Mirko Spohn die Menge professionell anheizt. Für die Studenten ist es eine Riesengaudi. Nicht zuletzt, weil die Menschen auf der Bühne, die sonst in getragenem Ton Vorlesungen halten, sich bereitwillig ihrer professoralen Würde entledigen.
Das hat auch Hugo Marti erkannt. Der Mediziner geht gegen den Politikwissenschaftler Reimut Zohlnhöfer an den Start. Zohlnhöfer bemüht sich um eine solide musikalische Erziehung der Jugend und spielt unter anderem Van Halens Klassiker "Jump" und "Should I stay or should I go" von The Clash. Als seine Viertelstunde um ist, jubelt die Menge für ihn. DJ Caniggia zeigt anhand von ein, zwei Liedern, wie professionelle DJs ihr Handwerk erledigen, dann ist Marti dran. Er spielt irgendwas Ruhiges, das keiner kennt. Am Bühnenrand raunt der Soziologe Schibel seinem Kollegen Albrecht zu: "Das ist kein Tanzstück. Das ist wirklich fehl am Platz." Als hätte Marti das gehört, schiebt er genau in diesem Moment die Regler hoch. Das Publikum erkennt den neuen Song sofort und stimmt ein: "I will survive!" Auch Schibel und Albert am Bühnenrand singen mit und können die Beine nicht stillhalten. Bei seinem letzten Lied läuft Marti zu Hochform auf. Es ist Psys "Gangnam Style" und Marti spult die bekannte Choreografie ab: Lasso über dem Kopf, der Cowboy im Sattel. Dazu trägt er einen lustigen Hut und eine Sonnenbrille. Das gefällt den Leuten und sie applaudieren etwas mehr für ihn als für Zohlnhöfer. Den würdevollsten Auftritt legt die Psychologieprofessorin Birgit Spinath hin, unterliegt damit aber ihrem Kollegen Henning Plessner vom Sportinstitut, der das Publikum zur Riverdance-Choreografie auffordert.
Alle sind ekstatisch an diesem Abend. Das Publikum johlt unentwegt und die Profs lassen sich von der Dynamik mitreißen. Als Marti und Zohlnhöfer nach ihren Auftritten gemeinsam hinter der Bühne sitzen, sind sie immer noch elektrisiert. "Es war der Hammer", sagt Zohlnhöfer. "Man hat sich gefühlt wie ein Rockstar."