Philip Ball zeigt in Bildband die Natur als geniale Gestalterin

Vom Wolkenwirbel zum Vogelflug, vom Fischschwarm zum Eiskristall, vom Blitz bis zu den Tentakeln der Seeanemone zeigt das Buch "Designed by Nature" faszinierende Aufnahmen

12.08.2016 UPDATE: 13.08.2016 06:00 Uhr 1 Minute, 54 Sekunden

Von Ingeborg Salomon

Wieso tragen Zebras diese attraktiven Streifen-Pyjamas? Woher hat ein Leopard seine Flecken? Und wie schaffen es die Bienen, so unglaublich exakte sechseckige Waben zu bauen? Das sind Fragen, die nicht nur aufgeweckte Schulkinder stellen. Auch jeder Erwachsene, der mit offenen Augen durch Wald, Felder und Wiesen geht, das Meer und die Dünen betrachtet oder eine Muschel genauer anschaut, ist immer wieder fasziniert von der Vielzahl der Muster und Strukturen, die der Natur zur Verfügung stehen. Selbst im scheinbaren Chaos von strömenden Flüssen oder gigantischen Wolkenmassen lassen sich Muster erkennen. Die Höhlenmalereien unserer Vorfahren zeugen ebenso vom Versuch des Menschen, die Natur einzufangen, wie die Kleider moderner Designer. Vogelfedern, Schuppen und Schalen sind dabei immer wieder Quellen der Inspiration.

Philip Ball, in London lebender Wissenschaftsautor, hat in seinem neuen Buch "Designed by Nature" mit den weltweit besten Fotografen zusammengearbeitet und zeigt über 300 großartigen Abbildungen die verblüffende Genialität, die hinter diesen Mustern steckt. Doch Ball - der in Physik promoviert hat - geht noch weiter: Er erklärt die mathematischen, physikalischen und chemischen Gesetze, die dafür sorgen, dass jedem Stück Natur ein genialer Entwurf innewohnt. Und er erklärt ihn so, dass jeder interessierte Laie das verstehen kann. Der Autor tut das mit sehr viel Respekt und räumt ganz unumwunden ein: "Ich gestehe, einige Bilder auf diesen Seiten kann die Wissenschaft noch nicht ganz erklären. Wir müssen analysieren und berechnen, aber auch staunen und bewundern".

Weil Menschen sich nach Ordnung sehnen, träumten sie schon in der Antike von Proportionen und Harmonie in der Natur, deren Vollendung sie in der Symmetrie sahen. In diesem Sinne beschrieb Plato im 4. Jahrhundert v. Chr. das Universum, und noch heute ist Symmetrie für Physiker eines der Hauptkonzepte, um die Welt zu verstehen, wie Ball ausführlich erläutert.

Da Natur aber immer gewachsen, also "natürlich" ist, gibt es darin keine "perfekte" Symmetrie, auch wenn beispielsweise ein Kugelfisch so aussieht. Er ist - von kleinen Abweichungen abgesehen - bilateral symmetrisch, hat also eine Spiegelachse. Das gilt für die meisten Tiere und auch für den Menschen, zumindest äußerlich.

Ein weiteres Wunder der Natur sind Fraktale. Hier heißt die Devise: Mach weiter die immer gleiche Struktur, nur in immer kleinerem Maßstab. Bestes Beispiel ist ein Baum, der sich über Äste und Zweige immer weiter differenziert. Dieses Muster wiederholt sich in seinen Blättern, wo ein System von Adern die Verteilung von Nährstoffen über eine große Fläche bis in die feinste Spitze ermöglicht. Ganz ähnlich sind das Bronchial- und das Gefäßsystem des Menschen aufgebaut. Gabelförmige Bronchien und ein Netz von Venen, Arterien und Kapillaren sind Fraktale mit der gleichen Asthierarchie wie bei Bäumen.

Wer in Balls großformatigen Bildband blättert, kann sich treiben lassen von der Kraft der Fotos. Vom Wolkenwirbel zum Vogelflug, vom Fischschwarm zum Eiskristall, vom Blitz bis zu den Tentakeln der Seeanemone zeigt das Buch faszinierende Aufnahmen, kombiniert mit spannenden Texten. Glossar und Stichwortregister ergänzen den Band.

Info: Philip Ball: Designed by Nature, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 2016, 287 S., 39,95 Euro.