HeidelbergCement: "Unsere Unternehmenskultur steht nicht zur Disposition"

Bernd Scheifele, Chef des Baustoffkonzerns, spricht im RNZ-Interview über die Integration von Italcementi, die Pläne für neue Hauptverwaltung in Heidelberg und den Flüchtlingszustrom

21.12.2015 UPDATE: 22.12.2015 06:00 Uhr 4 Minuten, 36 Sekunden

Bernd Scheifele

Von Daniel Bernock

"Der richtige Deal zur richtigen Zeit", so bezeichnete HeidelberCement-Chef Bernd Scheifele die milliardenschwere Übernahme des italienischen Konkurrenten Italcementi Mitte des Jahres. Durch den Zukauf wächst der Heidelberger Dax-Konzern auf über 65 000 Mitarbeiter an. Im Interview mit der RNZ, kurz vor Jahresende, sprach der Manager über die Herausforderungen der interkulturellen Arbeit und über den geplanten Neubau der Hauptverwaltung in Heidelberg. Scheifele, dessen Vertrag 2020 ausläuft und den er nicht verlängern will - "Man sollte nicht bis zuletzt an seinem Posten kleben" - bewegt als vierfachen Vater aber auch der Flüchtlingszustrom. Er warnt vor den Konsequenzen.

Herr Scheifele, wie laufen die Geschäfte?

Wir hatten ein gutes Finish, der November und Dezember liefen durch das relativ warme Wetter gut für uns. Das Jahr 2015 wird für HeidelbergCement beim Gewinn das beste Jahr seit der Finanzkrise werden.

Was ist der aktuelle Stand in Sachen neue Hauptverwaltung in Heidelberg?

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Wir sind im Fahrplan. Gerade haben wir in der Vorstandssitzung über die Endauswahl der Architekten gesprochen. Wir gehen davon aus, dass wir Anfang 2016 mit einem Konzept in den offiziellen Genehmigungsprozess eintreten können und rechnen in etwa mit einer Bauzeit von zwei Jahren, je nachdem, ob wir alles auf einmal hochziehen und während der Umbauarbeiten woanders sitzen oder ob wir hier in der Berliner Straße bleiben, erst einen Teil errichten, dort einziehen und dann den nächsten Teil bauen.

Können Sie verraten, wie das Gebäude aussehen wird?

Wir wollen ein Gebäude errichten, das architektonisch prägend und attraktiv ist. Außerdem haben wir die höchsten Anforderungen an das Thema Nachhaltigkeit beim Bauen. Wir wollen hier klar einen Meilenstein setzen. Unsere eigenen Baustoffe werden natürlich auch das Äußere des Gebäudes deutlich prägen.

Wie viele Mitarbeiter werden in die neue Zentrale passen?

Unser Ziel ist es, dass alle Mitarbeiter in Heidelberg unter einem Dach sitzen können. Wir werden auf jeden Fall Platz für 1000 Mitarbeiter haben, plus eine Reserve von 25 bis 30 Prozent. Maximal planen wir für 1300 Mitarbeiter. So viel Platz brauchen wir aber im Moment noch nicht, derzeit haben wir in Heidelberg rund 800 Mitarbeiter.

In Italien macht man sich Sorgen um die Zukunft der Italcementi-Hauptverwaltung in Bergamo. Wie viel wird von der bisherigen Zentrale noch übrig bleiben?

In Bergamo bleibt auf jeden Fall die Länderorganisation von Italien. In dem Land haben wir ja fast 5000 Mitarbeiter, die rund sieben Millionen Tonnen Zement herstellen. Das ist ein sehr großes landesweites Geschäft. Wie viele Stellen in Bergamo insgesamt bleiben, können wir jetzt noch nicht sagen.

Bei der Begründung des Zukaufs nannten Sie auch die gute Forschungs- und Entwicklungsabteilung der Italiener. Bleibt diese in Bergamo oder wollen sie den Bereich in Leimen mit ihrer Forschung bündeln?

Das prüfen wir gerade. Die Italiener sind sehr stark bei den Produktinnovationen, also bei Fragen wie: Wo kann man Beton in neuen Bauformen einsetzen? Bei der Weltausstellung in Mailand hat Italcementi beispielsweise ein Gebäude mit ganz dünnen Betonstreben vorgestellt. Wir Deutschen sind auf der Prozessseite stark, also bei Themen wie: Wie brauchen wir weniger Energie? Wie können wir mehr alternative Produktstoffe einsetzen? Das sind zwei unterschiedliche Forschungsschwerpunkte, da müssen wir schauen, wie wir das kombinieren. Es spricht einiges dafür, dass wir auf mittlere Sicht mit zwei Forschungs- und Entwicklungs-Standorten arbeiten.

Wie hoch sind die finanziellen Einsparungen durch die Übernahme?

Die Synergien durch die Übernahme sind deutlich höher als die anfangs gedachten 175 Millionen Euro. Ich gehe davon aus, dass wir bis zu 400 Millionen Euro durch den Zusammenschluss einsparen können. Bei der genauen Analyse ist uns noch einiges aufgefallen, mehr, als wir anfangs gedacht hätten.

Merken Sie die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschen und Italienern, jetzt, da Sie häufiger in Bergamo sind?

Die kulturellen Unterschiede sind natürlich da. Und auf diese andere Geschäftskultur muss man sich einstellen.

Wie stellen Sie sich darauf ein?

Ich kann mich relativ gut auf die Erwartungshaltung meiner Gesprächspartner einstellen. Ich bemühe mich da sehr und bereite mich genau drauf vor. Überraschenderweise haben gerade jüngere Führungskräfte damit deutlich mehr Probleme, als ich gedacht hätte. Durch das Internet glauben sie "We are one village", also, dass wir alle gleich sind. Ich sage da aber immer: Achtung, die kulturellen Unterschiede sind groß.

Wie unterschiedlich ist der Geschäftsalltag mit Italienern?

In Italien ist zum Beispiel das gemeinsame Abendessen extrem wichtig. Nach einer Management-Sitzung in Bergamo gehe ich am Abend mit den Kollegen noch zum Essen, anstatt heimzufahren. Das ist in Italien eben so. Am Ende geht vieles über persönliche Kontakte. Sie müssen einfach viel persönliche Zeit investieren, deutlich mehr als etwa mit Engländern oder Amerikanern. Die sind rationaler und weniger emotional, das sind wir Deutsche eher gewöhnt.

Wie unterscheiden sich italienische Manager von deutschen Führungskräften?

Nach meiner Erfahrung wollen sich italienische Manager nur ungerne festlegen und halten sich bis zum Schluss alle Optionen offen. Wir Deutschen sind hingegen sehr strukturiert und durchgeplant. Dafür respektieren uns die Italiener - ihrer Meinung nach sind wir aber dadurch unflexibel. In Italien sind die Strukturen sehr viel hierarchischer, Entscheidungen werden typischerweise nicht in Meetings getroffen, sondern vielmehr von den Topmanagern ganz alleine. Ich sage jetzt nicht, dass das eine oder das andere besser oder schlechter ist - aber es gibt eben erhebliche kulturelle Unterschiede, die man kennen muss. Daher haben alle unserer Manager an einem entsprechenden interkulturellen Seminar teilgenommen.

Wird HeidelbergCement jetzt italienischer?

Die HeidelbergCement-Management-Philosophie steht nicht zur Diskussion. Wir setzen klar auf Schnelligkeit, Transparenz, Nähe zum Geschäft und zu den Mitarbeitern. Zudem sind wir eher bodenständig. Unser Ansatz ist ausschließlich am Unternehmensinteresse orientiert. Klar ist: Die Italiener werden nicht zu Deutschen und die Deutschen nicht zu Italienern. Aber unsere Unternehmenskultur steht nicht zur Disposition.

Sie haben jüngst mehrere Stellen im Vorstand neu besetzt, eine Frau war nicht dabei ...

Bei uns im Vorstand geht es nicht um das Geschlecht oder die Nationalität. Bei uns geht es um Leistung. Die neuen Vorstandsmitglieder sind alle 20 Jahre in operativen Führungspositionen im Unternehmen tätig gewesen. Solche Frauen haben wir einfach nicht. Unser Ziel für Frauen in Führungspositionen entspricht der Frauenquote in der Belegschaft, die derzeit bei 14 Prozent liegt. Das müssten wir im nächsten Jahr bereits auf der Ebene unter dem Vorstand erreichen.

Das Thema Flüchtlinge bewegt derzeit viele Menschen. Wie sehen Sie die Situation?

Als Bürger dieses Landes und als vierfacher Familienvater bin ich über die Situation besorgt und gleichzeitig erschüttert, dass die Bundesrepublik anscheinend den selbstverständlichen Anspruch, dass die Außengrenzen gesichert werden, aufgegeben hat, mit dem Argument, Europa mache das. Und da es Europa auch nicht kann, soll es jetzt die Türkei gegen Geld machen. Mein Verständnis wäre gewesen, dass wir unsere Grenze selbst schützen. Mit Schengen ist es so wie mit vielen europäischen Verträgen: sie werden abgeschlossen und werden dann nicht eingehalten. Ich bin der Meinung: In manchen Bereichen ist nicht mehr Europa, sondern weniger Europa besser.

Welche Folgen wird der Flüchtlings-Zustrom Ihrer Meinung nach haben?

Wirtschaftlich wird das sehr, sehr viel Geld kosten. Eine Million Flüchtlinge in Deutschland zu versorgen kostet rund 15 Milliarden Euro pro Jahr - ohne Ausbildungskosten. Und das für die nächsten fünf bis zehn Jahre. Die Menschen, die jetzt kommen, können unseren Fachkräftemangel sicher nicht lösen. Da sollten wir realistisch bleiben. Aus humanitärer Sicht ist es ganz klar unsere Pflicht, in der Not zu helfen, und unseren Beitrag zur Integration dieser Menschen zu leisten.

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