Rhein-Neckar Löwen

Bei Andy Schmid werden zum Abschied "sicher ein paar Tränen kullern"

Die Klublegende wird die Rhein-Neckar Löwen nach zwölf Jahren verlassen und beim letzten Heimspiel gegen den THW Kiel in der SAP Arena verabschiedet.

03.06.2022 UPDATE: 04.06.2022 06:00 Uhr 4 Minuten, 58 Sekunden
Großer Moment, großer Spieler: Andy Schmid präsentiert 2017 in der ausverkauften SAP Arena die Meisterschale. Foto: vaf
Interview
Interview
Andy Schmid (38)
Der Ober-Löwe wechselt zurück in die Schweiz.

Von Tillmann Bauer

Mannheim. Wir treffen Andy Schmid in der SAP Arena. Die Klublegende sitzt entspannt auf der Tribüne der Multifunktionsarena und blickt ins Innere. Die Halle ist menschenleer. Das Licht ist gedämmt, es ist still. Am Mittwoch (19.05 Uhr/Sky) wird es richtig laut. Das letzte Bundesliga-Heimspiel der Rhein-Neckar Löwen steht an. Der THW Kiel kommt.

Und Andy Schmid geht. Der letzte Auftritt des 38-Jährigen in seinem "Wohnzimmer", in dem er zwölf Jahre lang unzählige große Spiele gezeigt hat, verspricht sehr emotional zu werden.

Die Tage, bis Schmid seinen Herzens-Klub verlassen wird, kann man mittlerweile an einer Hand abzählen.

Wie es momentan in ihm aussieht, was die Löwen zukünftig wieder nach oben bringen kann und auf welches Abschiedsgeschenk sich seine Teamkollegen freuen können, verrät er im Interview mit der Rhein-Neckar-Zeitung.

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Es gibt Menschen, die beim Möbel-Aufbau voll aufblühen und welche, die verzweifeln. Wozu gehören Sie?

(lacht) Ich hasse das.

Das heißt, für den Umzug muss noch ordentlich abgebaut werden?

Na ja, wir haben den Vorteil, dass wir unsere Wohnung in der Schweiz seit letztem Oktober haben. Da sind alle Möbel schon drin. Wir haben uns bewusst für viele neue Sachen entschieden, dass es auch als echter Neustart gilt. Gefühlt ist es ja das erste richtige Zuhause, weil wir auch in Deutschland dreimal umgezogen sind. Bei uns stehen zwar noch viele Möbel rum, aber viele geben wir an Nachbarn und Freunde ab – Philipp Ahouansou will auch vorbeikommen und sich umschauen.

Also gar nicht so viel Arbeit für Sie.

Tatsächlich nicht. Der größte Teil ist schon vergangene Woche mit einem kleinen Lieferwagen abgeholt worden. Da hat mir die Familie geholfen.

Denken Sie aktuell häufig daran, dass die Zeit bei den Löwen bald vorbei ist?

Definitiv. In den letzten Wochen wurde es immer mehr. Unser ältester Sohn kommt jeden Tag von der Schule nach Hause und zählt die Tage runter. Da kommt man immer wieder auf das Ding zurück. Klar, viele Menschen fragen danach, viele Freunde wollen Tickets haben – jetzt befinden wir uns auf der Zielgeraden.

Wem wird der Abschied schwerer fallen. Den Kids oder Ihnen?

Ich glaube, dass es doch für mich schwieriger wird, weil die Kinder die Begabung haben, das Ganze nüchtern zu betrachten, im Moment zu leben und schnell zu vergessen. Außerdem wissen sie, wo sie hinkommen. Sie haben in der Schweiz Kumpels, Cousins und Cousinen, Oma und Opa – für die wird’s relativ schnell gut sein.

Hintergrund

Andy Schmid (38) hat die Rhein-Neckar Löwen in den vergangenen Jahren geprägt, wie kein anderer Spieler. Der Schweizer kam 2010 aus dem dänischen Silkeborg zu den Badenern. Er gewann 2013 den EHF Pokal, 2016 und 2017 die Deutsche Meisterschaft – und 2018 den DHB-Pokal. Damit

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Andy Schmid (38) hat die Rhein-Neckar Löwen in den vergangenen Jahren geprägt, wie kein anderer Spieler. Der Schweizer kam 2010 aus dem dänischen Silkeborg zu den Badenern. Er gewann 2013 den EHF Pokal, 2016 und 2017 die Deutsche Meisterschaft – und 2018 den DHB-Pokal. Damit war Schmid bei allen Titeln der Klubgeschichte mit dabei. Darüber hinaus wurde er von 2014 bis 2018 fünfmal in Serie zum wertvollsten Spieler der Bundesliga gewählt. Nun wechselt er in seine Heimat, zum Schweizer Erstligisten HC Kriens Luzern. (tib)

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Und für Sie?

Ich werde immer wieder Momente haben, in denen ich die Löwen, die Bundesliga und eben diesen großen Handballsport vermissen werde. Da mache ich keinen Hehl draus, dass ich in gewissen Momenten eine Träne verdrücken werde. Wenn ich beispielsweise Sky einschalte und die Löwen beim ersten Heimspiel sehe. Solche Sachen werden noch mal heftig.

Zunächst steht noch das letzte Heimspiel und Ihre Verabschiedung an. Sie müssen unendlich glücklich sein, dass es momentan keine Corona-Auflagen gibt.

Also ein Abschied in einer leeren Halle wäre brutal gewesen. Nach den letzten zwei Jahren ist es nicht selbstverständlich, dass ich mein letztes Heimspiel vor so einer Kulisse spielen darf. Das war wirklich einer meiner größten Wünsche, dass die Halle voll ist und man noch mal dieses Gefühl aufsaugen kann, was man hier zwölf Jahre erleben durfte.

Wie viele Karten haben Sie geordert?

Da kommen laufend Anfragen rein. Es kommen viele Menschen aus der Schweiz. Und vom engsten Freundes- und Familienkreis sind natürlich alle da. Die Familie meiner Frau kommt aus Norwegen – das wird ein emotionaler Abend.

Wie sieht Ihr Tagesablauf aus?

Wie immer an Spielen eigentlich. Ich gehe mit Lukas (Nilsson/Red.) einen Kaffee trinken und fahre dann zur Arena. Klar werden während des Spiels sicher einige Gedanken hochkommen, das wird speziell. Ich bin ehrlich: Ich weiß gar nicht, was das gefühlsmäßig mit mir machen wird. Ich lasse mich überraschen. Ich bin schon eher eine Person, die nahe am Wasser gebaut ist, deshalb werden sicherlich auch ein paar Tränen kullern. Einfach weil für uns als Familie ein Kapitel zu Ende geht, das unglaublich intensiv und schön war.

In so einem Abschiedsinterview wird gerne zurückgeschaut. Uns interessiert: Haben Sie – das schwere erste Jahr ausgenommen – jemals ernsthaft darüber nachgedacht, die Löwen zu verlassen?

(überlegt lange) Puh, eigentlich nicht. Vor der ersten Meisterschaft, als ich erfahren habe, dass Bjarte (Myrhol/Red.) den Verein verlässt, gab’s schon Momente, in denen auch ich darüber nachgedacht habe. Als wir 2015 so knapp vor dem Titelgewinn gescheitert sind, war schon ein Gefühl da: War das der Höhepunkt? Man weiß es ja nie. Und weil die Gier nach einem großen Titel so groß war, hätte ich mir schon vorstellen können, zu gehen. Ich habe nie konkret mit anderen Klubs gesprochen, aber daheim habe ich mir sicherlich mal solche Gedanken gemacht.

Also wenn Sie im Fernsehen das Champions-League-Finalturnier sehen.

Da bin ich schon neidisch. Ich hätte mir gut vorstellen können, mal beim THW Kiel zu spielen, wenn der THW Kiel nicht im selben Land wäre wie die Löwen. Weil dieses Final Four eben das Nonplusultra ist. Die Champions League zu gewinnen oder nur im Halbfinale dabei zu sein, wäre ein Ziel gewesen, das ich noch gehabt hätte.

Es gibt ja auch Top-Klubs im Ausland.

Ja, aber das Ausland war für mich nie so interessant, weil ich mich so wohl hier in dieser Liga gefühlt habe. Alles Drumherum, die vollen Hallen – das war das, was mich so gereizt hat. Und auch als Schweizer ist man mehr im Fokus, wenn man in Deutschland als beispielsweise in Spanien spielt. Für mich war es zudem wichtig, in Deutschland zu zeigen, dass wir Schweizer auch ein bisschen Handball spielen können.

Sie kamen vor zwölf Jahren nach Deutschland. Bitte vergleichen Sie die Löwen von damals und heute.

Das liegt nicht an mir, aber die Löwen sind heute ein ganz anderer Verein. Sie haben ein Standing, einen Namen, national wie international. Sie haben ein gutes Image. Damals war es echt der Retortenklub, der aus dem Boden gestampft wurde und viele teure Spieler geholt hat. Heute sind die Löwen ein sympathischer Verein, der irgendwo auch eine Vorreiterrolle in der Außendarstellung einnimmt. Und das Wichtigste: Wenn wir auswärts spielen, lese ich jedes Mal das Hallenheft. Und da steht: zweifacher Deutscher Meister. Das ist jetzt auf der Visitenkarte, das wird nie weggehen. Das ist ein riesiger Unterschied, wenn man solche Titel auf dem Briefkopf hat.

Wie kommen die Löwen wieder an die Spitze?

Es braucht Konstanz, Kontinuität auf der Trainerposition. Und man sollte in den nächsten Jahren noch ein paar gute Spieler dazu holen. Die Mischung muss stimmen. Man wird es nie schaffen, nur mit eigenen und jungen Spielern erfolgreich zu sein. Man muss auch fertige Spieler holen. Und man muss Magnete verpflichten, die dann wieder weitere Spieler anziehen. Dann brauchen die Löwen eine Gruppe von sechs bis acht Spielern, die über die nächsten fünf bis sechs Jahren hier spielen werden. Dass es quasi einen Block gibt. Das ist extrem wichtig. Weil man einfach sieht, dass es nicht von heute auf morgen geht. Da sind so viele Automatismen, die sich einspielen müssen. Das braucht Zeit.

Dass Sie Trainer werden wollen, ist bekannt. Jetzt müssen Sie nur noch verraten, wann Sie Löwen-Coach werden.

Immer mit der Ruhe. Es ist noch nicht einmal das letzte Spiel gespielt. Aber ich habe immer gesagt, dass ich mal eine Top-Nation oder einen Top-Verein trainieren möchte. Und die Löwen sind ein Top-Verein. Wenn ich irgendwann ins Trainer-Geschäft in der Schweiz einsteige und spüre, dass ich Bock drauf habe und es kann, dann werde ich versuchen, an die Spitze zu kommen. Das muss ich ehrlich sagen.

Fußball-Superstar Erling Haaland hat jedem seiner Dortmunder Teamkollegen zum Abschied eine Rolex-Uhr geschenkt. Worauf dürfen sich die Kollegen bei Ihnen freuen?

(lacht) Vielleicht so eine Flik Flak Swatch.

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