Annäherung an die Weltspitze
Gute Leistung in der WM-Qualifikation gegen Samoa - 28:42-Niederlage
Von Claus-Peter Bach
Heidelberg. Wenn die deutsche Rugby-Nationalmannschaft erstmals in der 118-jährigen Verbandsgeschichte an einer Weltmeisterschaft teilnehmen möchte, müsste sie zwischen dem 11. und 23. November im Stade Pierre Delort, in unmittelbarer Nachbarschaft des Vélodrome de Marseille, ein Vier-Nationen-Turnier gewinnen. Dort trifft die Nummer 29 der Weltrangliste auf Hongkong (21), das bisher stets geschlagen wurde, Kanada (22), das an allen acht bisherigen WM-Turnieren teilgenommen hatte, und den Zweiten des afrikanischen Gold-Cups.
Dass es für die Deutschen, die nach langen Jahren wieder einmal ganz in Weiß und beinahe in Bestbesetzung aufliefen, nicht zur direkten WM-Qualifikation reichen würde, war seit zwei Wochen klar, als das Hinspiel der dritten Runde auf Samoa mit 15:66 verloren gegangen war.
Die Riesen aus Samoa zwangen Jacobus Otto und seine Teamkameraden zu Mutproben in der Verteidigung. Fotos: Keßler
Auch beim Rückspiel am Samstag im Heidelberger Fritz-Grunebaum-Sportpark musste das Team der beiden Nationaltrainer Pablo Lemoine und Kobus Potgieter nach 80 superheißen Minuten die Waffen strecken, doch die 28:42 (15:14)-Niederlage gegen die Nummer 17 der Weltrangliste zählt zu den Kostbarkeiten der deutschen Rugby-Historie und steht in einer Reihe mit den Siegen über Frankreich 1927 und 1936 und den Erfolgen über Rumänien 1972 und 2017.
Die Leistung der deutschen Spieler gegen dieses massige, körperlich deutlich überlegene Weltklasse-Team aus dem Südpazifik war bewundernswert, ihr Einsatz und ihre Kampfkraft rissen die 3046 zahlenden Zuschauer im gut gefüllten städtischen Rugby-Stadion von den Sitzen. Als Marcel Coetzee in der 66. Spielminute einen Straftritt aus sagenhaften 54 Metern ins Goal trat und die deutsche Führung auf 28:21 ausbaute, entlud sich die Begeisterung in einem vieltausendfachen Schrei und minutenlangen stehenden Ovationen.
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Und nach dem Schlusspfiff des englischen Schiedsrichters Matthew Carley wollte der Beifall für beide Teams kein Ende nehmen - Samoas Spieler und gut 250 Anhänger feierten die siebte WM-Qualifikation seit 1991, die Deutschen eine nie für möglich gehaltene Leistungssteigerung.
Nach dem schlampigen Vortrag beim zu knappen 16:13-Erfolg über Portugal und der saftigen Abreibung in Apia hatten die deutschen Spieler und Trainer für dieses Match in ihrem "Wohnzimmer" einen deutlichen Aufschwung, vor allem in der Verteidigungsarbeit und in taktischen Belangen, versprochen. Sie haben Wort gehalten, was Pablo Lemoine und Co-Kapitän Julius Nostadt ein zufriedenes Lächeln entlockte.
Ob man in Marseille reüssieren könne? Lemoine rät zu vorsichtigen Erwartungen, obwohl er seine Fünfzehn auf einem guten Weg sieht, und hofft zunächst auf eine Verlängerung seines am Samstag ausgelaufenen Zeitvertrages. Nostadt ist zuversichtlich, "wenn wir die Zeit bis zum Turnier nutzen." Er sagte aber auch: "Wir haben zwar unsere Vorgaben gut umgesetzt, aber auch erlebt, was uns zum Sieg noch fehlt."
Das sind Volldampf für die letzten zehn Spielminuten, mehr Aufmerksamkeit zu Spielbeginn - denn Samoas Führungsversuch fiel nach 28 Sekunden durch Ed Fidow nach verpassten Tackles - und mehr Stabilität im angeordneten Gedränge, wo der "zweite Anzug" der ersten Sturmreihe noch nicht passt. Schwächen gab es bei Straftritten: Beim Stande von 7:7 hätte der Ball zum Goal gesetzt werden müssen. Spätere weite Straftritte in die Gasse haben das Seitenaus knapp verfehlt, und die samoanischen Konter waren grausam.
Mäzen Dr. Hans-Peter Wild (links) und DRV-Präsident Robin Stalker verfolgten das Match mit Begeisterung. Foto: Keßler
Kaum hatten Sopran Islpeleng Kgatle von der Musikhochschule Mannheim und Bariton Herbert Pfeiffer, ein wackerer Sänger aus Handschuhsheim, die Hymnen vorgetragen, entwickelte sich ein Rugby-Match, das 75 Minuten lang (28:28) völlig offen und ein Genuss für die Fans war. Ärgerlich war lediglich, dass Ed Fidows entscheidender Versuch zum 28:33 einem unübersehbaren Vorwurf entsprang, den der Engländer mit der Trillerpfeife großzügig übersah. Insgesamt gelangen den Insulanern sechs Versuche und den Deutschen nur drei durch die Stürmer Jacobus Otto (8.), Samy Füchsel (17.) und Jarrid Els (49.), weshalb Samoas Sieg verdient ist.
Dass der deutsche Weltklassekicker Raynor Parkinson in der 28. Minute vom Platz musste ("Ich war kurz weg gewesen"), war diesmal kein Nachteil, denn Christopher Hilsenbeck (8 Punkte) und Marcel Coetzee mit seinem Wunderkick sprangen gut für ihn in die Bresche.