Aufgespießt! Die RNZ-Sportkolumne

Die Chöre der Nordmänner

Wenn es um Nationalhymnen geht, ist Island schon Weltmeister

10.06.2018 UPDATE: 12.06.2018 12:00 Uhr 2 Minuten, 32 Sekunden

Von Joachim Klaehn

Bevor der erste Ball bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland überhaupt rollt, scheint eine (wichtige) Entscheidung gefallen zu sein: Laut LAL Sprachreisen, im Internet unter www.lal.de/blog/beliebteste-nationalhymne ist Island "Weltmeister" - in der Kategorie Beliebtheitsgrad der Nationalhymne.

Knapp 1,3 Millionen Mal wurde der Lobgesang "Lofsöngur" auf YouTube abgespielt, als relevante Bemessungsgrundlage für die Platzierung diente die Anzahl der Aufrufe pro Einwohner (3,58). Die größte Vulkaninsel der Erde bildet nicht nur die Heimat für Schafe, Pferde und eine Artenvielfalt an Vögeln, sondern eben auch für einen besonderen Menschenschlag.

Die gemeine Isländerin bzw. der gemeine Isländer gelten als ausgesprochen lebenslustig und feierfreudig. Die Nachfahren der Wikinger sind ein singendes Volk. Jede noch so kleine Gemeinde, jede Stadt hat südlich des nördlichen Polarkreises einen eigenen Chor.

Rund 10.000 der insgesamt 350.000 Insulaner sind in einer Gemeinschaft von Singenden organisiert, ständig finden spannende Wettbewerbe statt - ein Gesangswettstreit als Volkssport wie etwa Handball oder Fußball.

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Wir erinnern uns gerne an die EM 2016 im französischen Hexagon. Angeblich sollen seinerzeit knapp 30.000 Isländer nach Westeuropa ausgewandert sein. Die laute, blaue Wand wurde zum Synonym für Begeisterungsfähigkeit.

Das stakkatohafte "Huh!" wurde derart populär, dass es sogar die Anhänger der Équipe Tricolore imitierten. Erst die Premiere in Europa, nun also wird die Premiere bei globalen Titelkämpfen steigen. Island stellt bis dato das kleinste Land, das es jemals zu einer Fußball-WM geschafft hat - wenn das kein Grund zum Ausflippen ist!

Als die Mannschaft von Nationaltrainer Heimir Hallgrimsson, im richtigen Leben Zahnarzt, am 9. Oktober 2017 nach einem 2:0 gegen Kosovo das Ticket nach Russland buchen durfte, war der Ausnahmezustand perfekt. Ein nationales Delirium gab’s. Die Eruptionskräfte schienen ähnliche Dimensionen zu erreichen wie beim Ausbruch des Eyjafjallajökull. Das ist immerhin jener Sportskamerad aus Lavagestein, dessen Asche im März/April 2010 den europäischen Flugverkehr ziemlich lahmlegte.

Orgie im Stadion namens Laugardalsvöllur in der Hauptstadt Reykjavík - das "Huh, huh, huh, huh, huh, huh!" wollte gar nicht mehr enden ...

Natürlich schmettern die Fans der "Strákarnir okkar" (Unsere Jungs) den "Lofsöngur" mit unfassbarer Inbrunst. Das Lied stammt aus dem Jahr 1874 (Text von Matthías Jochumsson, Melodie von Sveinbjörn Sveinbjörnsson) und wurde anlässlich des tausendjährigen Jubiläums der Besiedlung Islands am 2. August 1874 in der Domkirche von Reykjavík uraufgeführt. In Anwesenheit des damaligen dänischen und somit isländischen Königs Christian IX. sang ein gemischter Chor.

Die erste Strophe der isländischen Nationalhymne heißt übersetzt:

"Oh, Gott unseres Landes! Oh, unseres Landes Gott! Wir verehren deinen heiligen, heiligen Namen! Aus den Sonnensystemen der Himmel weben deine Krone, deine Legionen, der Zeiten Versammlung! Für dich ist ein Tag wie tausend Jahre, und tausend Jahre ein Tag, nicht mehr, ein Blümchen der Ewigkeit mit zitternden Tränen, das zu seinem Gott betet und stirbt. Islands tausend Jahre, Islands tausend Jahre, ein Blümchen der Ewigkeit mit zitternden Tränen, das zu seinem Gott betet und stirbt."

Bei der EM 2016 wurde der Lobgesang bis einschließlich Viertelfinale angestimmt. Dann beendeten die Schützlinge von Didier Deschamps die spektakuläre Reise der Nordmänner mit einem 5:2 im Stade de France von Saint-Denis. Gefeiert wurde indes der "Underdog" mit seinem furchtlosen Kapitän Gunnarsson. Island hatte in der Gruppe Portugal und Österreich hinter sich gelassen, im Achtelfinale sodann England eliminiert. Kurzum: Heldentaten eines Kollektivs, das nun in Moskau, Wolgograd und Rostow am Don Argentinien, Nigeria und Kroatien ärgern möchte.

Laut einer aktuellen Umfrage des Instituts Maskina im Auftrag von Promote Iceland sollen 76,8 Prozent der Deutschen die "Geysire" unterstützen, sofern sie nicht gegen die "Löwlinge" spielen. Ach ja: Die deutsche Nationalhymne landete gemäß Ermittlungen von LAL Sprachreisen auf Rang 21 unter 32 Liedern, mit etwas mehr als 18 Millionen Aufrufen bei YouTube, macht 0,22 Aufrufe pro Einwohner. Über die Gesangsfreude von 83 Millionen Bundesbürgern, darunter auch die 23 Jungs von Jogi, wagen wir an dieser Stelle lieber kein Urteil.

Das Statistik-Portal Statista.com hat errechnet, dass knapp über 30 Prozent von 1 000 Befragten "Einigkeit und Recht und Freiheit" mitsingen würden. Für isländische Chorknaben ist das ein Unding.

Kontakt: joachim.klaehn@rnz.de

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