Von Tillmann Bauer
Mannheim. Der Abpfiff war keine fünf Sekunden vorüber, da flitzte bereits ein kleiner, blonder Wuschelkopf auf das blaue Spielfeld der Mannheimer SAP Arena. Dass es Matti Gensheimer, der Nachwuchs des Kapitäns der deutschen Handball-Nationalmannschaft war, konnte man zum einen daran erkennen, dass sein Name in großen Buchstaben auf dem Rücken seines eigenen DHB-Trikots stand, zum anderen aber auch an dem Ziel, das der kleine Wirbelwind, der im Tempo eines 100-Meter-Sprinters auf die Spielfläche schoss, geradewegs ansteuerte.
Sein Papa Uwe war nämlich gerade dabei, die Ehrenrunde nach dem 33:25-Erfolg gegen Island zu drehen und zeitgleich in seinem Mannheimer Wohnzimmer den 12.037 erfreuten Zuschauern für ihre Unterstützung im vorletzten Testspiel vor der anstehenden Europameisterschafts-Endrunde zu danken.
"Die Stimmung hier war natürlich sehr geil", sagte Gensheimer Senior. Auch wenn der Linksaußen der Rhein-Neckar Löwen das Gefühl kennt, in eine ausverkaufte SAP Arena einzulaufen – ein Länderspiel vor der eigenen Haustür ist auch für den gebürtigen Friedrichsfelder nochmal etwas ganz besonderes: "Das hat Lust auf mehr gemacht." Denn dass sich die Mannheimer Spielstätte am vergangenen Samstagnachmittag stimmungstechnisch für weitere internationale Austragungen empfohlen hat, konnte sogar Bundestrainer Christian Prokop, der sonst mehr für seine taktische Raffinesse als seine großen Emotionen bekannt ist, bekräftigen. Als der Trainer eine gute halbe Stunde nach Spielende auf das Podium trat, um die Fragen der Pressevertreter zu beantworten, begann er sein Fazit mit einer Aussage, die an die vergangene Weltmeisterschaft im Januar erinnerte: "Zuhause zu spielen ist natürlich immer umso schöner", sagte Prokop: "Wenn man vor den eigenen Zuschauern spielen darf, kommen schon noch ein paar Erinnerungen hoch."
Schließlich hat sich seine Mannschaft, die am gestrigen Montag den letzten Test in Wien gegen Österreich gewann, zum Ziel gesetzt, wieder eine ähnliche Euphorie zu entfachen. Dabei mithelfen, bei der EM-Endrunde, die in Norwegen, Schweden und Österreich ausgetragen wird und für das DHB-Team am kommenden Donnerstag mit dem Auftaktspiel im norwegischen Trondheim gegen die Niederlande beginnt (18.15 Uhr/ZDF), das Mindestziel Halbfinale zu erreichen, sollen neben Lokalmatador Uwe Gensheimer auch Kreisläufer Jannik Kohlbacher und Teammanager Oliver Roggisch – diesmal ist es ein Löwen-Trio, das für Deutschland an den Start geht. Rückraumspieler Steffen Fäth und Rechtsaußen Patrick Groetzki wurden diesmal nicht berücksichtigt, wobei der Flügelspieler noch nachnominiert werden könnte.
Generell fahren aus dem Lager der Rhein-Neckar Löwen lediglich vier Spieler nicht zur Europameisterschaft. Neben Groetzki und Fäth müssen sich Talent Tim Ganz und Abwehrriese Ilja Abutovic im Kronauer Trainingszentrum fit halten und ihren Kollegen die Daumen drücken. Der Rest kämpft um Medaillen.
Unter anderem auch die isländische Delegation. Die Handball-Fans waren am Samstagnachmittag nämlich nicht nur gut drauf, weil sie ihre deutschen Lieblinge im Nationaldress zu sehen bekamen, sondern auch, weil bei den frech aufspielenden Isländern mit Alexander Petersson ein aktueller und zudem mit Linksaußen Gudjon Valur Sigurdsson und Trainer Gudmundur Gudmundsson zwei Ex-Löwen im Rampenlicht standen.
Dass zudem mit David Schmidt vom TBV Stuttgart ein weiterer ehemaliger Löwe erstmals für Deutschland auflaufen durfte, hatte bis vor wenigen Tagen noch kaum jemand geglaubt. Weil der Leipziger Franz Semper Anfang der Woche überraschend seine Teilnahme aufgrund von Herzproblemen absagen musste, durfte sich Schmidt über sein Nationalmannschafts-Debüt in seiner Heimat freuen. "Das war ein richtig tolles Debüt für mich, in dieser Halle, wo ich schon mein erstes Bundesligaspiel und mein erstes Champions-League-Spiel hatte", sagte er. Und sogar das Premieren-Tor gelang: In der 42. Minute nahm sich der Linkshänder ein Herz, zog in die Mitte und setzte den Ball mit einem ordentlichen Wurf ins obere Eck.
Vielleicht war es der Startschuss für ein großes Abenteuer.
Deutschland: Drux 4, Reichmann 3, Kühn 1, Häfner 3, Gensheimer 4, Pekeler 2, Kastening 3, Zieker 2, Kohlbacher 2, Weber 3, Schmidt 1, Böhm 1, Michalczik 1, Golla 3.
Island: Jonsson 1, Smarason 4, Sigurdsson 4/1, Gudmundsson 1, Gunnarsson 4/1, Amarsson 2, Elisson 1, Petersson 2, Kristjanson 1, Kristjansson 1, Gudjonsson 3, Prastarson 1.
Zuschauer: 12.037
Spieler der Rhein-Neckar-Löwen bei der EM: Deutschland: Uwe Gensheimer, Jannik Kohlbacher, Oliver Roggisch (Teammanager) / Frankreich: Romain Lagarde / Dänemark: Mads Mensah Larsen, Niclas Kirkelokke / Island: Alexander Petersson / Schweden: Mikael Appelgren, Andreas Palicka, Jerry Tollbring, Jesper Nielsen, Kristjan Andresson (Trainer) / Schweiz: Andy Schmid / Spanien: Gedeon Guardiola