TSG Hoffenheims Mittelstürmer dreht auf

Die Wagner-Festspiele

Sandro Wagner bringt nicht nur auf dem Platz eine andere Note ins deutsche Spiel - Drei Tore gegen San Marino

11.06.2017 UPDATE: 12.06.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 32 Sekunden

Tor! Tor! Tor! Sandro Wagner schreit seine Freude heraus, Lars Stindl (l.) in der Rolle des Handauflegers. Foto: dpa

Von Frank Hellmann

Nürnberg. Auf den drehbaren Werbebanden, die an den Einfallstoren zur schönen Altstadt von Nürnberg zwischen den Fahrspuren verankert sind, leuchtete auch noch am Tag danach: "Nürnberg lädt zum Sommerball". Abgelichtet auf den LED-Konstruktionen die lächelnden Julian Draxler, Jonas Hector und Joshua Kimmich. Doch im Nachhinein hätte zur Einstimmung auf das WM-Qualifikationsspiel Deutschland gegen San Marino (7:0) viel besser gepasst: "Nürnberg lädt zu Wagner-Festspielen".

Aus der beschwingt aufspielenden Garde der Nachrücker der Nationalmannschaft stach ja eine hünenhafte Gestalt mit einem Kinnbart heraus, der nicht seine einzige Eigenwilligkeit darstellt: Sandro Wagner. "Es war ein schöner Abend. Jeder hat erwartet, dass man ein Tor schießt gegen einen solchen Gegner", sagte der Mann des Samstags. Dem 29-Jährigen waren sogar drei Treffer in seinem zweiten Länderspiel gelungen: Zweimal wuchtete die deutsche Nummer neun die Kugel per Kopfstoß über die Linie (11. und 85.), einmal im Grätschschritt (29.) - passend für einen zielstrebigen Typen wie ihn, der auch locker fünfmal hätte netzen können. Denn: "Ich kann schon einschätzen, dass das nicht England oder Italien war."

Gleichwohl: Im reiferen Alter paaren sich beim Hünen von der TSG Hoffenheim Selbstbewusstsein, Meinungsstärke und Treffsicherheit; und ergeben ein stimmiges Bild eines Profis mit Polarisierungsfaktor, der laut Joachim Löw "eine andere Note einbringt". Mit seiner direkten Art auf und außerhalb des Platzes entwickelt sich die markante Figur womöglich unter vielen glattgebügelten Stars zu einer wichtigen Marke, die der Bundestrainer gerade wertschätzen lernt.

Wagner erfährt gerade die beste Phase einer Zick-Zack-Karriere. Rauf und runter - und vielleicht im nächsten Sommer sogar auf der WM-Bühne? Löw wollte sich trotz des Lobes ("Es tut einem Stürmer gut, wenn er in einem Spiel - egal gegen wen - drei Tore erzielt") bezüglich einer Nominierung von zwei klassischen Mittelstürmern für 2018 nicht festlegen, nachdem die EM 2016 in Frankreich eigentlich gelehrt hat, dass es zumindest eine Alternative auf dieser Position braucht. Als Mario Gomez zum Halbfinale gegen Gastgeber Frankreich passen musste, fehlte der Spielertypus.

Fakt sei vorerst: "Sandro Wagner hat in dieser Woche einen großen Schritt nach vorne gemacht." Nun muss der mit seiner Präsenz und Physis auch noch beim Confed-Cup (17. Juni bis 2. Juli) Pluspunkte sammeln, dann könnte der WM-Traum in Erfüllung gehen. Wäre eine rührige Geschichte, würde der U21-Europameister von 2009 aus der Neuer-Boateng-Hummels-Khedira-Özil-Generation fast ein Jahrzehnt später mit den damaligen Kollegen für die übergeordnete Mission in Russland dasselbe Dress tragen.

Das Trikot vom Samstagabend verstaute der Torjäger wie schon in Kopenhagen wohlbehütet in seiner Tasche. "Es gibt eine lange Warteliste." Expliziten Dank richtete der Spätzünder an Flankengeber Kimmich, "da kann sich der Lewandowski nächstes Jahr echt freuen - da macht er hundert Prozent noch zehn Tore mehr." Aber den Wagner will bei der Nationalelf vorerst auch niemand missen. "Er gibt dem Spiel etwas, was wir sonst nicht so genutzt haben", sagte der junge Kapitän Draxler.

Trotz seiner 1,94 Meter und 90 Kilo ist Wagner viel mehr als nur eine Horst-Hrubesch-Kopie. Hohn und Spott, die ihn teils auf seinen Stationen beim SV Werder Bremen, 1. FC Kaiserslautern und Hertha BSC begleiteten, sind Anerkennung und Respekt gewichen. Nur zur Erinnerung: Vor zwei Jahren bolzte er in Berlin in der Sommervorbereitung die Bälle allein aufs leere Tor, bis der Aufsteiger SV Darmstadt 98 dem Ausgestoßenen die vielleicht letzte Chance in Deutschland gab. Und es begann eine Aschenputtel-Story, die ihn jetzt bis in die DFB-Auswahl getragen hat.

Diese Saison hat er im Verein vom jungen Förderer Julian Nagelsmann profitiert, der genauso alt ist wie er selbst. Wagner schuftet seitdem verlässlich in der Defensive mit. Der Bundestrainer, das ist bekannt, unterhält einen engen Draht zum für ihn räumlich und gedanklich nahen Klub im Kraichgau. Und er hofft, dass Wagner in der kommenden Saison direkt auf die nächste Stufe gelangt. "Er spielt ja mit Hoffenheim möglicherweise in der Champions League. Das wäre für ihn persönlich gut." Und es hätte doch was, kämen Wagner-Festspiele sogar in Russland 2018 zur unverhofften Aufführung.

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