Neuzugänge bei 1899 Hoffenheim

Hoffenheims "Tempobolzer"

Serge Gnabry und Nadiem Amiri mögen es stürmisch und stehen sinnbildlich für die neuen Ansprüche der TSG.

19.07.2017 UPDATE: 20.07.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 12 Sekunden

Der von Bayern München ausgeliehene Serge Gnabry will mit der TSG Hoffenheim für Aufsehen sorgen.  Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Windischgarsten. Für Serge Gnabry ist eine Neuorientierung nichts Außergewöhnliches. Mit seinen 22 Jahren hat der Powerfußballer bereits in der Jugend sowie bei den Profis viele unterschiedliche Vereine kennengelernt: Weissach, Ditzingen, Hemmingen, Feuerbach, Stuttgarter Kickers, VfB Stuttgart, Arsenal London, West Bromwich Albion, Werder Bremen, Bayern München und nun die TSG 1899 Hoffenheim eine Saison lang als Leihspieler - Gnabry gilt als Vagabund.

Hintergrund

Weitgereiste Kiebitze

Jupp Ettel (66) aus Landsberg am Lech und Mattias Marx (17) aus dem niedersächsischen Lilienthal sind weitgereiste Kiebitze. Beide sind seit Jahren Vereinsmitglieder der TSG. Ettel gar seit der kurzen Ära von Trainer Lorenz-Günther Köstner

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Weitgereiste Kiebitze

Jupp Ettel (66) aus Landsberg am Lech und Mattias Marx (17) aus dem niedersächsischen Lilienthal sind weitgereiste Kiebitze. Beide sind seit Jahren Vereinsmitglieder der TSG. Ettel gar seit der kurzen Ära von Trainer Lorenz-Günther Köstner 2005/2006, der damals Hansi Flick folgte und wiederum von Ralf Rangnick beerbt wurde. "Hoffes" Trainingslager sind für Ettel und Marx Pflicht, sie fasziniert der Werdegang eines Emporkömmlings und Ausbildungsklubs, der auf Talente setzt. "Als Fan ist es leider schwieriger geworden, Autogramme zu holen", bedauert das Duo. Sie setzen aufs Fangrillen am Freitagabend. Ihre Zuneigung zu den Kraichgauern ist ohnehin unerschütterlich.

Im TSG-Training geht es mitunter hart und herzhaft zur Sache. Die Champions-League-Kandidaten sind hoch motiviert, der Konkurrenzkampf ist positionsübergreifend groß. Als Stürmer Adam Szalai Abwehrchef Kevin Vogt seitlich von hinten ordentlich auf die Socken tritt, brüllt der Ruhrpott-Junge lauthals: "Meine Fresse …" Weiter geht’s. Internationale Härte eben.

Die Absperrgitter verhindern in der Regel hautnahen Kontakt zwischen TSG-Profis und Fans. Ein Groupie vom Balkan schaffte es doch - und schnappte sich den Bosnier Ermin Bicakcic zur Selfie-Session auf dem Trainingsplatz. "Eisen-Ermin", die blonde Dame mit eng anliegendem Gucci-T-Shirt und einem weißen Spitz auf dem Arm - welch außergewöhnliche Kulisse. Die TSG-Mannschaft applaudierte und johlte. Der Spitz wurde von der Leine gelassen, für Ermin gab’s ein Abschiedsküsschen auf die Wange. Filmreif.

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Am gestrigen Mittwoch wurde Gnabry erstmals in den Trainingsbetrieb der "Nagelsmänner" im oberösterreichischen Windischgarsten integriert. Morgens schnupperte er in die komplexen Übungsformen von Cheftrainer Julian Nagelsmann rein, nachmittags absolvierte er nach dem Medizincheck vom Vortag im Heidelberger Ethianum und am Olympiastützpunkt Rhein-Neckar ein individuell zugeschnittenes Programm. Abklatschen und verbale Unterstützung von U21-Europameisterkollege und Kumpel Nadiem Amiri gehörten selbstverständlich dazu.

"Ich will ganz einfach spielen", sagte der flinke Stürmer gestern bei der Kurzvorstellung, der beim Branchenführer FC Bayern München bis 2020 unterschrieben hat und bei "Hoffe" ein weiteres Lehrjahr auf höchstem Niveau erhält. Nach RNZ-Informationen liegt die Leihgebühr der TSG bei rund einer Million Euro und ist darüber hinaus von einigen Variablen und "Fußnoten" abhängig.

Wie dem auch sei: Für Nagelsmann zählt angesichts der bevorstehenden national-internationalen Herausforderungen der Mehrwert eines wichtigen Transfers. "Serge ist ein hoch talentierter und spannender Spieler mit viel Tempo, Flexibilität und Erfahrung", lobte ihn der Trainer.

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Der "abgezockt" wirkende Gnabry, Spross eines Ivorers und einer Deutschen, in Stuttgart geboren, im schwäbischen Weissach aufgewachsen, freut sich auf "Hoffe", Nagelsmanns Philosophie, bekannte Teamkameraden wie Amiri, Jeremy Toljan oder Florian Grillitsch und fast heimatliche Gefilde im benachbarten Baden.

Seine Lieblingsposition? "Überall in der Offensive. Am liebsten auf der Zehn oder links. Aber der Trainer hat ja viele Systeme", so Gnabry reaktionsschnell. Gemeinsam mit Amiri kann Gnabry dem ohnehin praktizierten Hoffenheimer Tempofußball den letzten Schliff verpassen. Sie sind die Tempobolzer - und Denker und Lenker Nagelsmann wird gezielt Bremsmanöver einbauen, um parallel die Absicherung nach hinten zu gewährleisten. Aus diesem Grund sucht 1899 noch einen weiteren "Sechser".

Amiri und Toljan haben Gnabry mit animiert, zur TSG zu wechseln. Der Schützling von Berater Gordon Stipic-Wipfler verlängerte trotz kolportierter Angebote von RB Leipzig und Tottenham Hotspur seinen Vertrag bis 2020, im Fall von Toljan (bis 2018), der unter anderem beim AS Rom gehandelt wird, steht eine längerfristige Bindung noch aus.

"Das hier ist meine Heimat. Ich glaube, noch ein paar Jahre in Hoffenheim tun mir gut", sagte Amiri in Windischgarsten. Er gibt auf dem Rasen des Hotels Dilly seit Dienstag richtig Gas, denn sowohl sein eigener Anspruch als auch die Erwartungen im Klub sind spürbar gestiegen. "Ich will in der kommenden Saison vorangehen, konstanter meine Leistung bringen und noch effektiver werden", kündigte Amiri an.

Vom Leihgeschäft des Neu-Bayern wussten er und Toljan früher als die meisten anderen TSG-Spieler Bescheid. Nun soll der U21-EM-Titel in Polen im Hinblick auf die neue Saison Flügel verleihen. "Wenn du in einer Mannschaft spielst und zusammen Europameister wirst, dann wächst du noch enger zusammen", berichtete Amiri mit leuchtenden Augen und voller Tatendrang. Als Positionskonkurrenten sieht er seinen Spezi Gnabry unterdessen nicht.

Im Gegenteil, sie könnten sich ergänzen. "Wir sind unterschiedliche Typen. Serge ist einer, der eher über außen kommt. Ich hingegen bin ein zentraler Spieler", so Amiri.

An Sturm und Drang wird es beiden nicht fehlen. Sie wollen mit maximaler Drehzahl Richtung Europa, bald Champions League-Atmosphäre genießen. Für Amiri wäre dies "ein Traum", für Gnabry "ein Höhepunkt", also jeweils ein außergewöhnlicher Schritt in zwei hoffnungsvollen Karrieren.

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