"Nazi, Heuchler, Waffen-Lobbyist"

Rappenauer Rat nach Nein zur Krebsbachtalbahn beschimpft

Freie Wähler-Stadträte haben mit Anfeindungen zu kämpfen. Das Bürgerbegehren erreicht 1000er-Marke.

01.07.2022 UPDATE: 02.07.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 55 Sekunden
Die Diskussion über die Reaktivierung der Krebsbachtalbahn ist spannungsgeladen. Manche Personen schlugen nach der Ratsentscheidung im Mai über die Stränge. Foto: Falk-Stéphane Dezort

Von Falk-Stéphane Dezort

Bad Rappenau. Die geplante Reaktivierung der Krebsbachtalbahn zwischen Neckarbischofsheim und Bad Rappenau ist ein seit Monaten heiß diskutiertes Thema – sowohl auf politischer als auch auf bürgerlicher Ebene. Nach der mehrheitlichen Ablehnung des Projekts seitens des Bad Rappenauer Gemeinderats Ende Mai ging ein Schrei der Empörung durch den Kraichgau: Mandatsträger umliegender Gemeinden, Landtagspolitiker, Privatpersonen und Initiativen äußerten ihren Unmut über die Entscheidung. Doch manche überschritten hierbei die Grenze des guten Geschmacks und zielten mit ihrer Kritik unter die Gürtellinie.

Vor allem Stadträte der Freien Wähler-Fraktion im kurstädtischen Gremium haben nach der Entscheidung mit Anfeindungen zu kämpfen. Allen voran Uwe Basler, der im Stadtteil Obergimpern wohnt. "Meine Toleranzgrenze ist sehr hoch, aber es häufte sich, und das ist keine gute Entwicklung", sagt er. Angefangen hat es in den sozialen Medien, als er unter einem Post die komplette Stellungnahme der Fraktion zur Ablehnung gepostet hatte: Dort wurde Basler als "Waffen-Lobbyist" und "AfD-ler" beschimpft, der "Nazi-Propaganda" betreibe. Gegen den Absender dieser Nachrichten hat Basler inzwischen Anzeige bei der Polizei gestellt. Aber auch von Mandatsträgern anderer Kommunen seien er und seine Fraktionskollegen mehrfach verbal angegriffen worden.

Aber nicht nur im Internet, sondern auch in Obergimpern hat Basler Anfeindungen zu spüren bekommen. "Ich habe in der Nachbarschaft Bahn-Befürworter, mit denen komme ich gut klar", sagt der FW-Stadtrat. Aber von anderen sei er auf offener Straße beschimpft oder gar bespuckt worden. Wiederum andere fahren mit dem Auto an seinem Wohnhaus vorbei und zeigen ihm den Mittelfinger.

"Wenn man in den sozialen Medien beziehungsweise in der Öffentlichkeit steht, dann ist es klar, dass man auch Gegenwind bekommt", sagt Baslers Fraktionskollege Gordan Pendelic. Er sei des Öfteren von "selbst ernannten Rächern" angerufen worden und als Heuchler oder gar als Nazi beschimpft worden. "Das sorgt bei mir für Heiterkeit. Bei den Nazis bin ich Ausländer", sagt der Stadtrat mit kroatischen Wurzeln. Jedoch wäre es "verlogen zu sagen, dass es einen unberührt lässt". Man müsse sich dann nicht wundern, wenn man als Gemeinderat keine Lust mehr habe, mit den entsprechenden Leuten zu sprechen. "Es gibt eine Grenze – wir sind alles Ehrenamtler. Hoffentlich stellen sich alle diejenigen, die sich jetzt beschweren bei der nächsten Gemeinderatswahl auf."

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"Solche Anfeindungen verurteilen wir aufs Schärfste", sagt Jörg Haffelder, einer der Initiatoren für das aktuelle Bürgerbegehren zur Bahnreaktivierung. Am vergangenen Mittwoch ist die Initiative auf die Freie Wähler-Fraktion zugegangen und hat um ein offenes Gespräch gebeten. "Wir wollten wissen, was für sie die Haupthindernisse sind und wie man das ausgeräumt bekommt", erklärt Haffelder. "Es war ein sachlicher Austausch."

Und in so manchem Punkt habe man sogar einen Konsens. Beispielsweise beim Thema Verkehrsentwicklung in Bad Rappenau. Im Zuge der Reaktivierung würde es am Bahnhof in der Kernstadt zu mehr Schließzeiten an den zwei Bahnübergängen kommen. Zur Lösung des Problems müsste mit einer Unter- beziehungsweise Überführung Abhilfe geschafft werden – eine entsprechende finanzielle Förderung des Landes ist zum Bedauern der Freien Wähler aber bisher nicht vorgesehen. Und dass ohne ein solches Bauwerk in Bad Rappenau das Chaos ausbrechen könnte, habe man bereits vor dem Stadtfest gesehen, als ein Bahnübergang saniert wurde und mehrere Tage gesperrt war. "Das war nur ein kleiner Vorgeschmack", sagt FW-Fraktionsvorsitzender Rüdiger Winter, der von einem "konstruktiven Gespräch" mit den Initiatoren des Bürgerbegehrens berichtet. "Das Thema muss man schon lösen", bekräftigt auch Haffelder. "Wir haben unsere Ideen ausgetauscht und schauen nun, dass wir vorankommen."

Das sieht auch Pendelic so, der sich jüngst mit dem CDU-Landtagsabgeordneten Michael Preusch getroffen hat und sich mit Erwin Köhler (Grüne) noch treffen will. "Wir sehen die Verwaltung, den Kreis und das Land in der Verantwortung. Sie müssen in die Pötte kommen." Denn viele Punkte hätten bereits im Vorfeld geklärt werden müssen. "Es sind lauter Kleinigkeiten, die sich multiplizieren", sagt Winter. Neben der Unterführung sieht man auch die Reduzierung des Taktes des Schwarzbachtalbahn von halbstündig auf einstündig kritisch. Ebenso rechnet man mit Preissteigerungen, die auch Bad Rappenau anteilig zu tragen hätte, weshalb man auf eine Deckelung der Kosten für die Kommune pocht.

Dass momentan ein Bürgerbegehren läuft, begrüßen die Freien Wähler. Und Mitinitiator Haffelder hatte am Freitag einen Meilenstein zu vermelden. "Sowohl aus Obergimpern als auch aus anderen Teilorten und der Kernstadt erfahren unsere Sammlerinnen und Sammler sehr viel Zuspruch und Unterstützung. So konnte Ende Juni die Marke von 1000 Unterschriften übersprungen werden. Die Mindestzahl von rund 1250 erreichten Unterschriften rückt damit in greifbare Nähe." Haffelder ist zuversichtlich, dass die fehlenden Mitstreiter bis zur Abgabe der Unterschriftenliste am 10. August an Oberbürgermeister Sebastian Frei noch gefunden werden.

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