Weinheim

ADFC-Sprecher fordert gerechtere Aufteilung des Raums

Frank Weinreich erklärt im Interview, warum er und seine Mitstreiter trotz Problemen mehr Platz für Radler wollen.

25.03.2022 UPDATE: 26.03.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 49 Sekunden
Frank Weinreich (rechts) und neun weitere ADFC-Aktive am Radknotenpunkt Barbarasteg. Foto: Kreutzer

Von Philipp Weber

Weinheim. Als der ADFC Weinheim im Herbst 2020 sein Konzept "Radnetz Woinem" vorstellte, herrschte Aufbruchsstimmung im Rolf-Engelbrecht-Haus. Eineinhalb Jahre später zieht Frank Weinreich im RNZ-Interview eine gemischte Bilanz. Auf der einen Seite sei ein konstruktiver Dialog mit der Stadtverwaltung entstanden, andererseits verhalte es sich mit strukturellen Änderungen im Stadtverkehr wie mit einem Felsbrocken: Wenn es Bewegung gibt, ist sie geprägt von Schwere und Langsamkeit. Als Sprecher des Allgemeinden Deutschen Fahrrad-Clubs in Weinheim und Umgebung vertritt Weinreich rund 200 Mitglieder.

Herr Weinreich, hält der ADFC Weinheim noch an seinem ambitionierten Konzept fest? Das Radnetz soll sich ja von 21 auf 40 Kilometer fast verdoppeln.

Wir sind nach wie vor überzeugt davon, dass es ein umfassendes Radnetz braucht. Der Radverkehrsanteil liegt in Weinheim deutlich unter dem Landesschnitt, und das hat strukturelle Gründe. Denn in der Öffentlichkeit erleben wir geradezu eine Renaissance des Radelns, was an den Möglichkeiten von E-Bikes, an den Diskussionen um klimafreundliche Mobilität und aktuell auch an der Pandemie liegt. Was den Dialog mit anderen Akteuren in der Stadt betrifft, sind wir ein großes Stück weit vorangekommen. Wir haben von mehreren Stadträten positive Rückmeldungen bekommen, der Jugendgemeinderat unterstützt unser Konzept, und beim städtischen Beteiligungsprojekt Zukunftswerkstatt spielt Mobilität eine große Rolle, wobei wir mit am Tisch sitzen.

Wie hat denn die Verwaltung Ihre Ideen aufgenommen?

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Die Gespräche mit dem Stadtplanungsamt haben sich seither deutlich intensiviert. Wir führen eine angeregte, zum Teil aber auch kontroverse Diskussion. Die unterschiedlichen Sichtweisen liegen nicht in der Idee eines Radnetzes an sich begründet, sondern eher in der Umsetzung und den damit verbundenen städtebaulichen Maßnahmen. Wir haben lernen müssen, dass die dazugehörigen Planungsprozesse einen langen Vorlauf haben – und wir uns an einigen Stellen nicht durchsetzen können. Anderswo schon.

Können Sie Beispiele nennen?

Bei der Sanierung der Müllheimer Talstraße und der Burggasse sah man keine Chance, uns entgegenzukommen und mehr Platz für den Radverkehr zu schaffen. Die Anwohner bräuchten Möglichkeiten, ihre Autos abzustellen, hieß es. Optimistisch sind wir bei der Anbindung der Altstadt von Osten her, also vorbei an der Finkenburg und dann über Hutplatz sowie Mittelgasse. Hier könnte man über eine geänderte Verkehrsführung, die nur noch Anwohnerverkehr zulässt, viel erreichen. Auch der Suezkanalweg wäre so eine Stelle. Wir hoffen auch, dass wir für die Bahnhofstraße einen Denkprozess angestoßen haben. Dort müssten einige Parkplätze vor Geschäften weichen, wenn der Radverkehr auf dieser wichtigen Zufahrt in die Stadt sicher rollen soll.

Das klingt – gemessen an einem derart breit angelegten Konzept – nach eher überschaubaren Erfolgen.

Die Erfolge sind noch eher wenige, und ja, sie kommen nicht sofort. Es gibt zudem das durchaus nachvollziehbare Argument, dass Mobilität ja eines von vier Kernthemen der Zukunftswerkstatt ist, der man nicht vorgreifen will. Und bei den Radschnellwegen gibt es noch die überregionalen Planungen zu Routen zwischen Darmstadt und Heidelberg sowie Weinheim und Mannheim. Allerdings ziehen sich solche Entscheidungsprozesse über Jahre, und dann dauert es noch mal eine ganze Weile, bis geplant und schließlich gebaut wird.

Das hört sich nicht besonders zuversichtlich an.

Es ist schon ein schwerer Fels, der sich nur langsam bewegen lässt. Wir sind durchaus etwas enttäuscht. Aber wir lassen uns auf keinen Fall entmutigen. Es zeigt sich eben sehr deutlich, dass es gerade bei der Nutzung von Raum innerhalb der Stadt viele Begehrlichkeiten gibt. Ein großes Problem ist zum Beispiel, dass die Zahl der Autos in den letzten Jahrzehnten so stark angewachsen ist, dass diese oft gar nicht vorschriftsmäßig abgestellt werden können, was wiederum andere Verkehrsteilnehmer einschränkt. Meines Erachtens kapitulieren die Behörden hier ein Stück weit vor der Realität, wenn sie nicht konzeptionell gegensteuern.

Damit würde sich wohl kaum jemand Freunde machen. Viele Menschen sind auf ihre Autos angewiesen. Inhaber von Geschäften verweisen auf Kunden, die vor der Tür parken wollen.

Diese Argumente kann ich nicht zu 100 Prozent abstreiten, und es ist auch nicht unser Ziel, die Stadt komplett autofrei zu machen. Angesichts des zunehmend bedrohlichen Klimawandels brauchen wir aber eine Art von Ernährung sowie eine Form von Mobilität, die die Ressourcen schont. Für Letzteres besteht die unabdingbare Voraussetzung darin, dass wir eine gerechtere Aufteilung des innerstädtischen Raums hinbekommen. Dazu müssen wir die Stellung des nicht-motorisierten Verkehrs verbessern. Fahrräder stoßen ja nicht nur im Verkehr weniger CO2 aus als Autos, das gilt auch für die Herstellung. Übrigens: Wenn Innenstädte und Geschäfte sicher per Rad zu erreichen sind, kann das dem Einzelhandel sogar helfen.

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