Hirschberg-Großsachsen

Vor 100 Jahren wurde Friseur Fath gegründet

Vom Ortsfriseur zum modernen Salon: Mittlerweile ist die dritten Generation am Ruder. Günter Faths Vater August verkaufte seinerzeit noch Drogerieartikel und Tabakwaren.

16.05.2022 UPDATE: 20.05.2022 06:00 Uhr 3 Minuten, 39 Sekunden
Günter Fath (M.) mit Stiefschwiegersohn Daniel Sander (li.) und dem Team vor „Friseur Fath“. Foto: Dorn

Von Annette Steininger

Hirschberg-Großsachsen. Eigentlich wollte Günter Fath lieber eine Banklehre machen, aber es sollte anders kommen: Sein Vater August wollte, dass Sohn Günter das Friseurgeschäft übernimmt, so wollte es die Tradition. Und das machte er dann auch. Bereut hat es der "singende Figaro"nicht. "Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht", denkt Günter Fath gern zurück. Ab und an greift er noch mal zur Schere, aber ansonsten überlässt er das Geschäft gern seinen Nachkommen, die den modernen Salon im Siebenbürgerhof betreiben.

In der Kirchgasse gründete August Fath (im weißen Kittel) 1922 „Friseur Fath“ als kleinen Herrensalon. Repro: Dorn

Angefangen hat aber alles in der Kirchgasse, wo August Fath 1922 einen kleinen Herrensalon eröffnete. Als er zwei Jahre später seine Frau Amalie heiratete, zogen die beiden mit der Tochter aus Amalies erster Ehe in den Siebenbürgerhof, wo er dann einen neuen Salon aufmachte. Auch hierbei handelte es sich zunächst um einen reinen Herrenfriseur. "Und mein Vater war clever", erinnert sich Günter Fath schmunzelnd.

So verkaufte er nämlich auch Kautabak, Schnupftabak, Zigarren, Zigaretten und Schokolade im Salon. Auch war ihm der Verkauf von Drogerieartikeln gestattet, was für die Großsachsener wichtig war: Schließlich gab es damals noch keine Apotheke im Ort. Und auch sonst war August Fath kaum entbehrlich, so schnitt er im Ersten Weltkrieg Generälen in Trier die Haare, was ihn wohl davor bewahrte, in den Einsatz zu müssen. Während des Zweiten Weltkriegs war er laut Günter Fath der einzige verbliebene Friseur an der Bergstraße.

1924 zog der Salon um in den Siebenbürgerhof, wo er sich noch heute befindet. Repro: Dorn

Dessen ältere Schwester Lore begeisterte sich für das Friseurhandwerk und wollte in die Fußstapfen von Vater August treten. Sie machte eine Lehre und eröffnete 1950 im Nebenraum von Friseur Fath einen Damensalon, wo sich einst die Küche befand.

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Insgeheim hoffte Günter Fath darauf, dass er durch die Friseurleidenschaft seiner Schwester vielleicht doch darum herumkäme, ebenfalls einzusteigen, aber nichts half: 1949 musste er bei seinem Vater in die Lehre. Danach zog es ihn nach Herlingen, wo er seine erste Stelle antrat. Lange bleiben durfte er aber nicht. Günter Fath musste nach vier Monaten wieder zurück, weil seine Schwester Lore mit ihrem Mann in Heidelberg einen eigenen Salon eröffnete.

Der Großsachsener fügte sich in sein Schicksal, machte den Meister und übernahm 1960 das Geschäft von seinem Vater. "Ich habe mich viel weitergebildet bei Seminaren im In- und Ausland", schwärmt Günter Fath. Er sei in Thailand, auf Jamaika, im Senegal und auf Malta gewesen. Ob er das dort Gelernte je gebraucht hat? Da grinst er verschmitzt.

Sehr wohl geprägt hat ihn aber seine Zeit bei Vidal Sassoon in London, wo er zweimal weilte. Der britische Friseur und Unternehmer galt als Revolutionär in der Branche und wurde in den 1960er-Jahren für die Entwicklung des "geometrischen Stils" und die Wiederbelebung des Bobs weltbekannt.

Der Laden von Günter Fath lief. Seine Ex-Frau eröffnete in Dossenheim eine weitere Filiale, die sie von 1966 bis 1970 erfolgreich führte. Der Siebenbürgerhof war und blieb aber immer der Stammsitz. Auch weitere Filialen wie in der Weinheimer Bahnhofstraße und in der Karlsberg-Passage gab es zwischenzeitlich, aber der Dreh- und Angelpunkt war weiter in Großsachsen. Aber auch darüber hinaus engagierte sich Günter Fath. So wurde er 1972 zum Obermeister der Friseurinnung Weinheim gewählt und blieb es 15 Jahre lang. Zudem wurde der heutige Ehrenobermeister in den Berufsbildungsausschuss der Handwerkskammer Mannheim berufen, war Obmann aller Weinheimer Innungen und im Vorstand des Weinheimer Gewerbevereins. Dabei engagierte er sich mit für die Gründung einer – bis heute noch existierenden – Berufsakademie in Mannheim.

Auf all das blickt Günter Fath mit Stolz zurück, aber seine Augen leuchten besonders, wenn er von seiner Familie erzählt und wie er mit seiner Frau Monika 1984 eine damals noch gar nicht so gängige Patchwork-Familie gründete. Während Monika Christina und Markus mit in die Ehe brachte, waren es von Günters Seite aus Jürgen und Holger. Und schließlich kam noch die gemeinsame Tochter Verena auf die Welt.

Gleich zwei Familienmitglieder traten in die Fußstapfen von Günter Fath: Sohn Holger, der inzwischen in Los Angeles lebt und dort als Friseur und Musiker arbeitet. Und Stieftochter Christine, "Tine", die bei ihm in die Lehre ging. "Schon damals hat sie immer gesagt: Ich werde Deutsche Meisterin", erinnert sich der stolze Stiefvater schmunzelnd.

Sie nahm an zahlreichen Preisfrisieren teil, wurde vierfache Landesmeisterin für Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen, 1997 Deutsche Vizemeisterin. Bei der Weltmeisterschaft in Seoul im gleichen Jahr belegte Tina Sander den vierten Platz. Ein Jahr später holte sie die Deutsche Meisterschaft im Junioren-Bereich. So oft es ging, begleitete Günter Fath seine Stieftochter. "Ich habe Blut und Wasser geschwitzt, weil ich immer dachte, sie wird nicht fertig", sagt er heute schmunzelnd. Wurde sie aber. 2001 übernahm sie den Friseursalon von ihrem Stiefvater.

Auch Tinas Mann Daniel stieg ins Geschäft ein. Eigentlich war er Maurermeister, erlitt aber 2005 einen Bandscheibenvorfall, sattelte um und wurde auf Anregung seines Steifschwiegervaters glatt Friseurmeister. Zunächst führte er die inzwischen geschlossene Filiale in der Weinheimer Karlsbergpassage und stieg dann 2018 als Geschäftsführer in Großsachsen ein, seine Frau Tina ist dort Inhaberin.

Das sechsköpfige Team arbeitet erfolgreich, die Kundschaft fährt schon mal aus Darmstadt, Heidelberg oder dem Odenwald an, um sich im Salon verschönern zu lassen. Neben Farbe, Schnitt und Haarverlängerungen kann man sich hier auch ein Make-up gönnen. Ab und an ist auch Lea Sander im Salon, um auszuhelfen. Ob sie die vierte Generation Fath wird? Günter Fath würde es freuen, denn seiner Meinung nach sollte der Betrieb immer ein "Friseur Fath" bleiben. Jetzt wird aber erst mal das 100-Jährige am 28. Mai gefeiert – mit geladenen Gästen.

Ort des Geschehens

Heute schneidet Günter Fath nur noch Freunden die Haare. Was er in seinem Beruf immer am schönsten fand? "Wenn man jemanden strahlen sieht, weil man ihn oder sie schön gemacht hat", findet er. Da spielt auch der ursprüngliche Berufswunsch quasi keine Rolle mehr.

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