Buchen

Traditions-Café "Riesen" wird zum Asia-Lokal

Haus am Buchener Marktplatz schließt am heutigen Mittwoch und wird verkauft – Ära geht zu Ende – Käufer in den Startlöchern

26.02.2019 UPDATE: 27.02.2019 06:00 Uhr 3 Minuten, 7 Sekunden

Seit Generationen ein Ort guter Gastlichkeit: der "Riesen" am Buchener Marktplatz. Ab morgen bleibt das Café geschlossen, das stattliche Fachwerkhaus wird verkauft, soll aber alsbald wieder gastronomisch genutzt werden. Foto: Burkard Gassenbauer

Buchen. (bg) Das Café "Riesen" in Buchen, weithin bekannt als Ort guter Gastlichkeit, ist Geschichte: Hans und Charlotte Mittelstaedt servieren am heutigen Mittwoch letztmals Kaffee und Torte in ihren gemütlichen Gasträumen. Dann wird geschlossen: Das traditionsreiche Fachwerkhaus am Marktplatz soll in den nächsten Tagen den Eigentümer wechseln, nachdem die bisherigen Betreiber innerhalb der Familie keinen Nachfolger gefunden haben.

Allerdings soll das altehrwürdige Gasthaus alsbald wieder gastronomisch genutzt werden. Statt Käsekuchen und Schwarzwälder Kirsch sollen dann den Gästen asiatische Spezialitäten serviert werden, wie Hans Mittelstaedt gegenüber der RNZ bestätigte.

Seit Jahren gab es immer wieder Gerüchte über eine bevorstehende Schließung des weit über die Stadt Buchen hinaus bekannten Cafés am Marktplatz. Die bisherigen Spekulationen hatten allesamt den Wahrheitsgehalt von Kaffeesatzleserei, aber letztlich habe man "keine hellseherischen Fähigkeiten haben müssen, um zu der Erkenntnis kommen zu können, dass wir eines Tages schließen werden, wenn kein Nachfolger da ist", sagt Konditormeister Hand Mittelstaedt, der den "Riesen" zusammen mit seiner aus dem Haus stammenden Frau Charlotte seit 1997 führt, gegenüber der RNZ.

"Das Café ,Riesen’ ist wirklich zu empfehlen. Das Fachwerkhaus an der Ecke in der Fußgängerzone hat ausgesuchte Torten und Gebäck. Dazu sehr schmackhaften Kaffee. Einladend auch die Tische an der Fußgängerzone", schrieb ein "Riesen"-Besucher aus Frankfurt, der zufällig nach Buchen gekommen war, vor einiger Zeit auf einer Internet-Plattform und sprach damit sicherlich unzähligen anderen Gästen aus dem Mund. Denn tatsächlich war der "Riesen" über Generationen hinweg ein beliebter Treffpunkt für die Buchener Bevölkerung und hat sich weit über die Grenzen der Stadt hinaus einen Ruf als Ort guter Gastlichkeit erworben.

Hans Mittelstaedt (r.) und seine Frau Charlotte, geb. Schäfer (2.v.l.), führten über 20 Jahre lang den "Riesen", den sie 1997 von den Schwiegereltern bzw. Eltern Günter (3.v.l.) und Rosemarie Schäfer übernommen hatten. Unsere Aufnahme zeigt die Inhaber zusammen mit den langjährigen Mitarbeitern Anke Grundel (3.v.r.), Adelheid Grimm-Hiegler (2.v.r.; beide Service) und Manuela Erbacher (l.; Küche). Auf dem Bild fehlen Swetlana Stadelmann (Küche) und Wolfgang Weiland (Konditor). Foto: Burkard Gassenbauer

Die Schließung gibt Anlass zu einem Blick in die Geschichte des Buchener "Riesen", den es seit über 220 Jahren gibt: Zum 1. Januar 1796 hat Kurfürst Friedrich Karl Josef, Erzbischof von Mainz und Worms, die "Schiltgerechtigkeit gnädigst" erteilt und mit dieser Schildgerechtigkeit also das Recht verliehen, eine Gastwirtschaft zu betreiben. Diese sollte mit der Anbringung eines Schilds kenntlich gemacht werden, außerdem sollte sie Fremde beherbergen und Speisen und Getränke anbieten.

Was selbst nicht jeder alteingesessene Buchener weiß: Der "Riesen" war zuerst im gegenüberliegenden heutigen Haus mit der Buchhandlung Volk. Im Jahre 1904 haben die damaligen Besitzer ihre Häuser getauscht, und seither befindet sich das Gasthaus in dem stattlichen Fachwerkgebäude, in dem 1672 Gottfried Bessel zur Welt kam, der ab 1714 Abt des Benediktinerstifts Göttweig in Niederösterreich war, und in dem 1830 der Gastwirtssohn Wilhelm Emele geboren wurde, der sich später als Schlachten- und Genremaler einen Namen machte.

Zum 1. Januar 1796 hat Kurfürst Friedrich Karl Josef, Erzbischof von Mainz und Worms, die Schildgerechtigkeit für den "Riesen" erteilt, der sich damals noch im gegenüberliegenden heutigen Haus Volk befand. Foto: Burkard Gassenbauer

Zum Café mit Hotelbetrieb wurde der "Riesen" erst in den 1970er Jahren, nachdem der damalige Eigentümer Günter Schäfer, der das Haus im Jahr 1964 von seinem Vater Karl übernommen hatte, und seine Frau Rosemarie († 1996) das Gebäude im Rahmen der Buchener Innenstadterneuerung - damals entstand die Fußgängerzone - hatten aufwendig sanieren und umbauen lassen. Beim Umbau fiel die Außentreppe, die in die Gasträume in der ersten Etage führte, weg; es entstanden ein ebenerdiger Zugang und der Ladenbereich mit Kuchen- und Torten-Theke im Erdgeschoss.

Hans Mittelstaedt, der den Meisterbrief im Konditorenhandwerk erworben hat, und seine Frau Charlotte, geb. Schäfer, übernahmen 1997 das Geschäft vom Schwiegervater bzw. Vater und modernisierten ein Jahr später die Gasträume, nachdem kurz vorher bereits die insgesamt zehn Fremdenzimmer erneuert worden waren.

Nach nun mehr als 20 Jahren gibt das Ehepaar Mittelstaedt den Betrieb auf, nachdem einerseits seit geraumer Zeit klar ist, dass von den drei Kindern keines die gastronomische Familientradition fortsetzen will, und es sich andererseits schwierig gestaltet, für altersbedingt ausscheidendes Personal geeigneten Ersatz zu finden. Und letztlich auch deshalb, weil sich für die auf das Rentenalter zugehenden Besitzer jetzt die Möglichkeit ergeben hat, das altehrwürdige Haus an einen Käufer zu übergeben, der die Absicht hat, den "Riesen" gastronomisch zu nutzen.

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge beenden die Mittelstaedts die Kaffeehaus-Geschichte des "Riesen". Mit einem lachenden Auge verständlicherweise deshalb, weil es gelungen ist, einen neuen Betreiber zu finden. Für das weinende Auge gäbe es, so Hans Mittelstaedt, viele Gründe: Es sei eine schöne Zeit im "Riesen" gewesen, man habe über die Jahre viele Begegnungen mit unzähligen Gästen gehabt, darunter auch etlichen Prominenten, die hier übernachtet haben. Zahlreiche Stammgäste - darunter bis zuletzt mehrere Stammtische - hätten dem "Riesen" teils Jahrzehnte lang die Treue gehalten.

Dass gerade auch für die Stammgäste ein Stück Geschichte zu Ende geht und sie dies mit Wehmut und Traurigkeit erfüllt, dokumentierten einige Stammtisch-Mitglieder dieser Tage bei ihrem letzten offiziellen Treffen am angestammten Tisch damit, dass sie schwarze Krawatten trugen.

Ort des Geschehens

Wie es jetzt mit dem "Riesen" weitergeht, steht noch nicht fest. In den nächsten Tagen soll der Verkauf des Gebäudes, das rund 600 Quadratmeter Nutz- und Wohnfläche aufweist, besiegelt werden. Der Käufer hat bekundet, den "Riesen" alsbald wieder gastronomisch nutzen und ein Restaurant - mit asiatischer Küche - einrichten zu wollen. Auch die Fremdenzimmer sollen erhalten bleiben.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.