Heidelberg

Tauziehen um den Faulen Pelz geht weiter

Das Regierungspräsidium übernimmt die Argumentation von Minister Lucha. Der legt einen neuen Vertrag vor. Der Gemeinderat bleibt skeptisch.

29.06.2022 UPDATE: 30.06.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 44 Sekunden
Höchstes 80 suchtkranke Straftäter will Baden-Württembergs Sozialminister Manne Lucha (Grüne) im ehemaligen Gefängnis Fauler Pelz in der Altstadt unterbringen – befristet bis Juni 2025. Die Stadt ist dagegen. Foto: Rothe

Von Sebastian Riemer

Heidelberg. Im Streit um den Faulen Pelz bleiben die Fronten verhärtet. Baden-Württembergs Sozialminister Manne Lucha (Grüne) will das ehemalige Gefängnis in der Altstadt zeitnah umbauen, um dort für drei Jahre bis zu 80 suchtkranke Straftäter im Maßregelvollzug unterzubringen. Gemeinderat und Stadtspitze lehnen dies ab. Die RNZ erklärt die jüngste Entwicklung.

> Wie die juristische Lage ist: Nachdem der Gemeinderat Anfang Juni einstimmig (bei zwei Enthaltungen) beschlossen hatte, Luchas Bauantrag um ein Jahr zurückzustellen, wandte der Minister sich an das Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe als obere Bauaufsichtsbehörde. Das RP gab vergangene Woche bekannt, dass es Luchas Auffassung eines "besonderen öffentlich-rechtlichen Handlungsbedarfs" teile. Deshalb will es – unter Verweis auf einen selten angewandten Paragrafen aus dem Baugesetzbuch – Heidelberg die Planungshoheit entziehen und die Stadt zwingen, Luchas Bauantrag weiter zu bearbeiten. Für diesen Fall hatte der Gemeinderat die Stadtverwaltung bereits Anfang Juni beauftragt, eine Klage gegen diese Entscheidung zu prüfen.

> Wie das Regierungspräsidium sein Eingreifen erklärt: Matthias Burkard, Leiter des Referats für Baurecht im RP Karlsruhe, erklärte im Bauausschuss am Dienstag seine Position. Dabei folgte Burkard eins zu eins der Argumentation Luchas: "Es gibt kurzfristig keine Standortalternativen. Steht der Faule Pelz nicht zur Verfügung, müssen Straftäter freigelassen werden", so Burkard. Weil das die öffentliche Sicherheit gefährden würde, sei ein Eingriff in die Planungshoheit der Kommune gerechtfertigt. Auf Nachfrage, ob wirklich alle Alternativen geprüft worden seien, sagte Burkard: "Das Sozialministerium hat alles auf den Tisch gelegt.

Es wäre ja auch schlecht beraten, täte es das nicht – wenn sich vielleicht noch Gerichte damit beschäftigen werden." Die Stadträte wollten auch wissen, ob das RP garantieren könne, dass das Gebäude nach drei Jahren wieder frei sei. Der Bauantrag sei erst einmal auf eine dreijährige Nutzung befristet, so Burkard. Aber er sagte auch deutlich: "Letztlich kann man nicht wirklich in die Zukunft gucken." Eine "vollständige Garantie" könne es dafür nicht geben.

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> Was in Luchas neuem Vertrag steht: Am Vorabend der Bauausschuss-Sitzung – Montagabend um 17.23 Uhr – schickte Lucha eine E-Mail mit einem überarbeiteten Vertragsentwurf an OB Eckart Würzner und den Gemeinderat. Den ersten Entwurf hatten die Stadträte Anfang Juni in der Luft zerrissen – sie sahen darin keine ernstzunehmende Garantie, dass der Faule Pelz Ende Juni 2025 wieder geräumt werde, wie Lucha verspricht. Eine Vertragsstrafe war nur bei "schuldhafter" Überschreitung der Frist vorgesehen. Diese Formulierung steht im neuen Entwurf nicht mehr – jedoch fehlt weiterhin die Höhe der Vertragsstrafe.

Darüber solle man sich "im Verhandlungswege verständigen", erklärt Lucha in seiner E-Mail. Neu ist zudem: Das Land sichert zu, die künftige universitäre Nutzung im Faulen Pelz finanziell zu unterstützen. Der RNZ sagte Lucha, der neue Entwurf sei ein "Signal der Verständigung": "Jetzt ist es an der Zeit, dass beide Seiten klug und vorausschauend handeln." Auch die universitäre Nachnutzung des Faulen Pelzes könne "nur im Konsens zwischen Stadt und Land gut gestaltet werden".

> Wie Gemeinderat und Stadtspitze reagieren: mit viel Skepsis. SPD-Stadtrat Sören Michelsburg glaubt nicht, dass die Ertüchtigung in wenigen Monaten gelingt: "Wären nicht Containerlösungen anderswo schneller?", fragte er. Matthias Fehser ("Heidelberger") glaubt gar an mindestens ein Jahr Planungs- und Bauzeit: "Und dann für 750 Tage so viel Steuergeld rausschmeißen – das geht gar nicht." Nicole Marmé (CDU) zweifelte indes an, dass das Land den Bau nach drei Jahren wieder freigebe. Und Manuel Steinbrenner (Grüne) erklärte, das übergeordnete Ziel sei, "das Gebäude 2025 für die universitäre Nutzung frei zu haben".

Baubürgermeister Jürgen Odszuck (CDU) attestierte dem neuen Vertrag immerhin, er enthalte nun "nicht mehr die vielen handwerklichen Schwächen und kleinen Gemeinheiten". Man müsse ihn erst einmal umfassend prüfen. Nur Hilde Stolz und Arnulf Weiler-Lorentz (beide Bunte Linke), die sich Anfang Juni bei dem Beschluss, den Bauantrag zurückzustellen, enthalten hatten, zeigten Kompromissbereitschaft. Weiler-Lorentz schlug eine Vertragsstrafe von "einer halben Million Euro alle drei Monate" vor.

> Wie es jetzt weitergeht: Der einstimmige Gemeinderatsbeschluss von Anfang Juni gilt: Die Stadt prüft also eine Klage beim Verwaltungsgericht gegen die Entscheidung des Regierungspräsidiums. Diese hätte aufschiebende Wirkung, Luchas Bauantrag würde also erst einmal nicht weiter bearbeitet. Auf RNZ-Anfrage erklärt ein Stadtsprecher aber auch: "Ob der Vertragsentwurf eine geeignete Grundlage für weitere Verhandlungen mit dem Sozialministerium darstellt und geeignet sein kann, rechtliche Auseinandersetzungen abzuwenden, wird die Verwaltung prüfen und mit dem Gemeinderat besprechen."

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