Gastprofessur in Heidelberg

Mai Thi Nguyen-Kim über Hype und Hass

Die promovierte Chemikerin wurde mit ihrem Youtube-Kanal "maiLab" bekannt. Nun lehrt die Journalistin an der Uni Heidelberg Wissenschaftskommunikation in schwierigen Zeiten.

26.11.2022 UPDATE: 26.11.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 58 Sekunden
Mai Thi Nguyen-Kim in der Fernsehsendung „Eins, zwei oder drei“. Die promovierte Chemikerin bringt regelmäßig einem großen Publikum Wissenschaftsthemen näher. Foto: dpa

Von Julia Lauer

Heidelberg. Wie funktioniert eine Lithium-Ionen-Batterie? Kann Wissenschaft beweisen, dass Telefonieren mit dem Handy Krebs auslöst? Und spricht etwas für Aktivkohle in Kosmetikartikeln, so wie es die Werbung glauben macht?

Wenn die promovierte Chemikerin Mai Thi Nguyen-Kim auf ihrem Youtube-Kanal, im Fernsehen oder als Sachbuchautorin ihrem Publikum die Welt erklärt, behandelt sie in der Regel naturwissenschaftliche Fragen.

Darum, wie ihr das gelingt, wie man Erkenntnisse aus der Forschung in die Gesellschaft hineinträgt und wie man sie verständlich macht, wird es in den Seminaren gehen, die sie in diesem Wintersemester an der Universität Heidelberg hält.

Auf der Agenda soll dann beispielsweise stehen, wie man als Forscher im Umgang mit Journalisten eine Verkürzung der eigenen Aussagen verhindert oder welche Möglichkeiten der Kontrolle man über die Darstellung der eigenen Arbeit in den Medien hat.

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Und auch wie die Gesellschaft auf Wissenschaftskommunikation reagiert, ist dann ein Thema. "Superstar Scientists – Wie Hype und Hass die Wissenschaftskommunikation verändern" ist der Titel eines öffentlichen Vortrags, den Nguyen-Kim, die in Hemsbach an der Bergstraße aufwuchs, im Rahmen ihrer Gastprofessur für Wissenschaftskommunikation an der Universität Heidelberg hält.

Hype und Hass: Davon kann Mai Thi Nguyen-Kim als Wissenschaftsjournalistin wohl auch selbst ein Lied singen. Als sie vor sechs Jahren während ihrer Doktorarbeit ihren Youtube-Kanal "maiLab" ins Leben rief, begann sie zunächst mit eher unverfänglichen Themen.

Sie ging etwa den Fragen nach, warum man nach Alkoholkonsum so häufig aufs Klo muss, welche Persönlichkeitstypen sich mit Katzenvideos besonders gut von der Arbeit ablenken können oder was mit Vitaminen im Gemüse beim Kochen passiert.

Dass sie sich dort und anderswo längst nicht mehr nur mit kuriosen, sondern auch mit aktuellen und kontrovers diskutierten Themen beschäftigt, hat der 35-Jährigen Anerkennung und Auszeichnungen beschert.

Genau das sind aber auch die Themen, mit denen sie sich nicht nur Freunde macht. Auf ihrem Youtube-Kanal wurden keine Beiträge öfter geklickt als die zum Thema Corona.

Sechs Millionen Zuschauer fand ihr Video "Corona geht gerade erst los", das sie vor zweieinhalb Jahren produzierte. Drei Millionen Mal aufgerufen wurde ihr Beitrag "Impfpflicht ist ok" aus dem vergangenen Jahr, in dem sie politisch Position bezieht.

Allein die Bekanntgabe ihrer Heidelberger Gastprofessur auf der RNZ-Homepage sorgte Mitte November für viele, teils extreme Reaktionen. "Tolle Frau", schrieben die einen auf der RNZ-Facebook-Seite, "gesponsert von Pfizer", lästerten andere.

Überrascht sie das? Mai-Thi Nguyen-Kim antwortet per E-Mail, ihr Ton ist unaufgeregt. Der Witz im Internet sei, dass nur wenige radikale Stimmen besonders laut zu hören und überproportional repräsentiert seien, ordnet sie zuerst einmal ein.

"Viele belohnen das mit Aufmerksamkeit und werden Teil einer Erregungsbewirtschaftung. Ich konzentriere mich lieber auf die vernünftige Mehrheit", erklärt sie nüchtern.

Von Vorwürfen und sogar Anfeindungen versteht sie sich offenbar zu distanzieren. "Mit mir persönlich hat das wenig zu tun. Ich vermittle nur Wissenschaft. Aber die clasht natürlich mit dem ein oder anderen Weltbild", so die Journalistin.

Kein anderes Thema hat wohl mehr Wissenschaftler auf den Plan gerufen als Corona. Virologen waren als Interviewpartner gefragt, für Zeitungsberichte, Podcasts und für Fernsehtalkshows. "Ich hätte nie gedacht, dass die Frage ,Wer ist dein Lieblingsvirologe’ jemals smalltalktauglich sein könnte.

Die Pandemie und der starke mediale Fokus haben’s möglich gemacht – einerseits cool", bewertet sie die jüngsten Entwicklungen. Sie freue sich darüber, dass Forscher in der Öffentlichkeit nun präsenter seien.

"Andererseits bringt das viele Hürden für eine sachliche Wissenschaftsvermittlung mit sich. Wissenschaftliche Fakten dürfen nicht vermischt werden mit persönlichen Haltungen beziehungsweise mit persönlichen Projektionen."

Gerade da, wo Themen polarisieren, haben es Fakten häufig schwer. Oft geht es dabei um medizinische Themen – siehe die Debatte um die Homöopathie. Wie erklärt sich Nguyen-Kim, dass diese Fragen die Gemüter der Menschen derart bewegen? "Ist das nicht inzwischen bei fast allen Themen so?", fragt sie zurück.

Sie verweist auf ihre Fernsehsendung "Mai Think X" auf ZDFneo. "Dort behandeln wir in jeder Sendung ein kontrovers diskutiertes Thema, bei dem sich zwei Seiten gegenseitig an die Gurgel springen. Da ist ja alles dabei: von Atomkraft über Kryptowährung bis Gentechnik." Gerade im Netz würden Diskussionen nun einmal oft undifferenziert in Schwarz-Weiß geführt.

Nguyen-Kim dürften die Themen also so schnell nicht ausgehen. "Wer Wissenschaft verstehen will, muss sich zwangsläufig auf eine gewisse Komplexität einlassen", fordert sie, die Schulstoff schon während ihrer Jugend gerne ihren Mitschülern erklärte – ihr zufolge eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. "Denn erst, wenn man versucht, Dinge zu erklären, erkennt man, ob man es wirklich verstanden hat", so Nguyen-Kim.

Info: Mai Thi Nguyen-Kim spricht öffentlich zum Thema "Superstar Scientists – Wie Hype und Hass die Wissenschaftskommunikation verändern" am Donnerstag, 8. Dezember, um 19.30 Uhr in der Aula der Alten Universität in Heidelberg.

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