Heidelberg

Mehr als einige Wörter auf einem Blatt Papier

Briefeschreiben ist eine Kunst für sich. In einem Workshop des Kurpfälzischen Museums kann man das üben.

26.01.2023 UPDATE: 26.01.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 10 Sekunden
Das Thema Briefeschreiben brachte Angelika Dirscherl im Kurpfälzischen Museum den Teilnehmern eines Workshops näher. Anlass war das Ende der Ausstellung zu Liselotte von der Pfalz, die für ihr Leben gern zur Feder griff, um sich mitzuteilen. Foto: Philipp Rothe

Von Leon Kaessmann

Heidelberg. Bis zu 60.000 Briefe soll Liselotte von der Pfalz in ihrem Leben verfasst haben. Morgens, abends, doch am liebsten nachts, schrieb die Pfalzgräfin ihren Freunden und Verwandten — an sieben Tage die Woche. Auszüge konnte man bis vor kurzem in der Ausstellung "Madame Palatine" im Kurpfälzischen Museum lesen. Doch was früher gang und gäbe war, stirbt heute immer mehr aus. Um Liselottes Leidenschaft an die Besucher weiterzugeben, veranstaltete Museumspädagogin Angelika Dirscherl zum Ende der Ausstellung einen Workshop zum Thema Briefeschreiben. Vorher erzählte sie noch ein wenig über das Medium Brief – eine kleine Wissenschaft für sich.

"Das tolle am Brief ist ja, dass einem beim Lesen niemand dazwischen schwätzen kann", findet Dirscherl, die selbst sehr gerne Briefe schreibt. Es zeigt sich schnell, dass insbesondere früher deutlich mehr dazu gehörte, als nur ein paar Wörter auf ein Blatt Papier zu kritzeln. So gab es häufig eine feste Struktur; dessen Abschnitte heißen auf Latein zum Beispiel die "Salutatio" für die Begrüßung oder die "Conclusio" für den Schluss. Mit eigenen Falttechniken, versuchten die Schreiber, ihren Briefen eine persönliche Note zu verleihen. Ganz wichtig ebenfalls: das Schriftbild. "Da galt es, die Balance zwischen Schwarz und Weiß auf dem Blatt zu finden", sagt Dirscherl, und meint damit die Abstände zwischen den geschriebenen Zeilen. "Und bei Tintenklecksen wurde noch einmal von vorne angefangen."

In der Malstube des Museums können sich Interessierte dann selbst ausprobieren. Es gibt keine Vorgaben, jeder ist frei. Dirscherl hat verschiedene Papierarten mitgebracht, Kraftpapier, Zeichenpapier oder normale Collegeblöcke. Zur Verfügung steht eine Auswahl von Federn, Füllern oder sonstigem Schreibwerkzeug. Auch eine Rasierklinge liegt bereit, damit habe man früher Fehler korrigiert, erklärt Dirscherl – als es noch keine Radiergummis oder Tintenkiller gab.

"Guck Jonas, so haben wir damals schreiben gelernt", sagt eine Besucherin zu ihrem Enkel. Marie-Louise Feiereisen besucht die Malstube jeden Montag — wenn möglich mit ihrem Enkel — und findet es "richtig toll", dass sich der Workshop an diesem Tag dem Briefeschreiben widmet. "Das ist einfach was Persönliches", sagt sie, "Whatsapp ist einfach so kalt." Feiereisen ist selbst eine leidenschaftliche Schreiberin. An Weihnachten habe sie über 40 Briefe verschickt, erzählt sie, aber als von einer Bekannten nur eine Mail zurückgekommen sei, war das wie ein "Schlag ins Gesicht".

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Enkel Jonas probiert sich währenddessen an kunstvollen Kringeln, die er mit seiner Feder über das Papier zieht. "Macht Spaß", sagt der Neunjährige, "ich will auf jeden Fall auch mal an meine Freunde schreiben." Briefe seien da viel schöner als Nachrichten via Handy, außerdem brauche ein Smartphone immer Strom, und der sei ja teuer.

Bei der Familie von Niko Wienke geht es bunt zu. Während seine Frau das Briefpapier mit einer selbstgemalten Rose verziert, probiert Wienke sich an verschiedenen Farben aus. In Laubfroschgrün oder Pflaumenlila schreibt er auf sein Blatt. "Wir probieren das heute einfach mal aus", erzählt er. "Ich finde es toll, dass man hier so viel machen kann." Dann probiert er sich an Wachssiegeln aus, die er mithilfe von Kerzen erwärmt und dann in Form bringt.

Dirscherl jedenfalls ist überzeugt, dass die Briefe weiterleben werden. "Diese Kultur läuft durch Jahrzehnte", sagt sie, "und es gibt noch so viele Leute, die in so vielen Stilen schreiben." Auch die Kunst des Schönschreibens werde nie aussterben, sagt sie, und sei zurzeit sogar wieder im Kommen. Und die Bedeutung für unser heutiges Weltverständnis und viele Erkenntnisse würde den Briefen eh nicht mehr genommen, denn: "Geschichte basiert auf Briefen."

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