Von Wibke Helferich
So, ihr dürft euch jetzt küssen!", grinst Anis verschmitzt. Denn seine Besucher buchen die romantische Kayak-Tour mit den durchsichtigen Booten auf La Digue nur, um ein Selfie vor den berühmten Felsen der Anse Source d’Argent zu machen. Genauso zart wie sich hier die zwei Gesteine an einer Stelle berühren, tun das auch die zwei Touristen von Ari. Sie küssen sich, damit ihre Liebe genauso ewig hält wie die der beiden Felsen. So die verkaufsschlagende Legende. "Und an was erinnert euch dieser Fels etwas weiter rechts?" möchte Anis von seiner Paddel-Gruppe wissen. Einstimmig ertönt im Chor: "An die Coco de Mer".
Coco de Mer (deutsch: Seychellennuss) sind die größten Samen der Welt, die nur auf den Seychellen vorkommen. Als die Inseln noch unbewohnt waren, wurden die Nüsse über das Meer nach Osten gespült. Dort wurden sie an den Stränden gefunden und hatten damit ihren Namen weg: Kokosnuss des Meeres. Auf der Nachbarinsel Praslin hat die Unesco bereits 1983 zum Schutz dieser Pflanze das Vallée de Mai in die Liste des Weltnaturerbes aufgenommen. Hier können Besucher bei geführten Touren durch den Bilderbuchdschungel wandern und die hohen Fächerpalmen bestaunen.
Etwas weniger bekannt – und damit auch weniger besucht – ist das 2012 eröffnete Naturreservat Fond Ferdinand an der Baie St Anne einige Kilometer weiter südlich. Auch hier kann man mit einem Ranger auf einer dreistündigen Tour durch den Palmenwald streifen. Nadine ist eine der Führerinnen, die den Besuchern etwas von der Nuss erzählen: "Eine voll ausgereifte Coco de Mer kann bis zu 45 Kilogramm wiegen. Also passt auf, dass euch keine auf dem Kopf fällt!" Gemächlich steigt die Gruppe weiter den Berg hinauf – bei den tropischen Temperaturen auch in diesem Tempo eine schweißtreibende Angelegenheit, die aber am Aussichtspunkt mit einer sagenhaften Aussicht über Praslin und den weiteren Inseln der Inneren Seychellen belohnt wird.
Voll bunt: Tierischer Besuch an einer Strandbar auf La Digue.Nadine nutzt die Verschnaufpause, um den Besuchern mehr über die stark gefährdete Pflanze zu erzählen. Eine Seychellenpalme trägt nur eine Nuss pro Jahr, die bis zu sieben Jahre zu Reifung braucht. Kein Wunder also, dass diese Früchte inzwischen streng geschützt werden. "Wer eine nicht lizenzierte Seychellennuss versucht außer Landes zu bringen, muss mit einer Haftstrafe von bis zu sieben Jahren rechnen. Wenn ihr also länger auf den Seychellen bleiben wollt, wäre das eure Gelegenheit." grinst Nadine.
Wie man eine 45 Kilogramm schwere Nuss dezent außer Landes schmuggeln soll, erscheint rätselhaft, aber scheinbar gibt es auf den Seychellen genug Besucher mit kriminellem Potenzial, für die Größe kein Hindernis darstellt.
Auf der nur einen Kilometer von Praslin entfernten Insel Curieuse leben die berühmten Aldabra-Riesenschildkröten. Obwohl diese durch den Nationalpark geschützt sein sollten, wurden 2016 25 Jungtiere gestohlen und dann angeblich von einer deutschen Adresse aus online vertrieben. Seitdem sind die süßen Kleinen in einem abgetrennten Gehege untergebracht, vor dem ein Schild die Besucher warnt, dass bei Abreise die Taschen untersucht werden können. Direkt beim Bootsanleger lümmeln die erwachsenen Tiere im Schatten. Bei der Größe eines Zwergponys sollten diese vor einem Kidnapping-Versuch sicher sein!
Eine ausgereifte Coco de Mer kann bis zu 45 kg wiegen.Nicht sicher sind diese gemächlichen Riesen allerdings vor Touristen, die deren stoische Gelassenheit scheinbar mit fehlenden Empfindungen verwechseln - und so klopfen manche auf den Panzer, wedeln mit Blättern den Schildkröten vor der Nase, oder hängen sich halb über die armen Viecher, um für das perfekte Foto zu posieren.
Simone, eine mit einem Seychellois verheiratete Schweizerin, die Touren anbietet, gibt einen guten Rat: "Wer nicht gleichzeitig mit einer Masse von anderen Touristen ankommen will, dem würde ich ein Wassertaxi empfehlen, das erst gegen 11 Uhr losfährt." Normalerweise setzen die Ausflugsboote nach der zehnminütigen Überfahrt die Besucher morgens an der Turtle Bay ab und holen sie drei bis vier Stunden später an der Anse St Jose wieder. Diese Zeit sollte man sich auch unbedingt nehmen, denn einer der schönsten und wildesten Strände liegt auf der anderen Seite der Insel, den man durch eine halbstündige Wanderung erreicht. Am Anse Badmier liegen riesige, rote Granitblöcke im tosenden Meer. Ein palmengesäumter, schneeweißer Strand macht die Szenerie perfekt. Die Strömung und damit auch die Wellen sind beim Baden mit Vorsicht zu genießen, aber für eine kurzes Untertauchen zur Abkühlung reicht es. Auf der Wanderung lassen sich große, rote Krabben und winzige Einsiedlerkrebse beobachten. Über die dichten Mangroven führt ein Holzsteg und wer Glück hat, sieht auch hier Riesenschildkröten. "Richtig schwimmen gehen sie nicht, aber wenn es ihnen zu heiß wird, kommen sie schon mal zur Abkühlung an den Strand" weiß Simone, als sie das Wassertaxi zum nächsten Ziel steuert.

Auf dem Programm steht die Mini-Insel St Piere, die eigentlich – gefühlt - nur aus einer Palme und vielen Felsen besteht. Ein perfektes Schnorchel-Revier. Kaum hat man den Kopf unter Wasser gesteckt, befindet man sich in einer anderen Welt. Bunte Fische umschwärmen neugierig die Besucher und begleiten sie auf der Erkundungstour. Filigrane Feuerfische schweben vorbei, während Papageienfische völlig ungerührt weiter an den ausgeblichenen Korallen knabbern.
"2016 hat der El Niño 95% unserer Korallen zerstört" erzählt auf La Digue Anis seiner Gruppe, die inzwischen aus den Booten ausgestiegen ist und am Strand von Aux Cedres entlangwandert. "Schaut mal, hier werden die ganzen toten Korallen angespült, die in dem wärmeren, sauerstoffarmen Wasser nicht überleben können". Das Paradies ist durchaus in Gefahr. Eine Abbruchkante am Ufer zeigt deutlich, wie weit der Meeresspiegel inzwischen gestiegen ist "Bei Flut kommt das Meer immer weiter hoch. Damit verlieren die Bäume den Halt und fallen um." Dem studierten Ozeanographen ist es wichtig, seinen Besuchern auch den Umweltaspekt näher zu bringen: "Ich hatte schon Touristen, die hier das erste Mal verstanden haben, was die Erderwärmung eigentlich bedeutet." Zu Fuß geht die nachdenkliche Gruppe zur Anse Pierrot, hier wurde 1988 Robinson Crusoe gefilmt. Passend zum Thema wartet die nächste Aufgabe: eine Kokosnuss ohne Hilfsmittel knacken.
Alex, ein kräftiger Rugby Spieler aus Kanada, schlägt die Nuss mit voller Wucht aber mäßigem Erfolg gegen einen Stein. "Der Trick ist, dass ihr die Spitze treffen müsst. Danach lassen sich die aufgesprungenen Kokosfasern abschälen, oder ihr findet einen spitzen Stock und haut sie darauf." Anis zeigt Alex, nachdem er die deutlich kleinere braune Nuss erfolgreich freigelegt hat, wie man sie nur ganz leicht auf den Stein klopft, bis die ersten Risse entstehen. Durch diese kann man sich das leckere Kokoswasser in den Mund laufen lassen. Fraglich bleibt, ob Alex beim Nüsse knacken mehr Kalorien verbraucht, als er durch Kokoswasser und Fruchtfleisch wieder aufnimmt …
Glücklicherweise gibt es auf La Digue genügend kleine und günstige Take -Aways, auf denen man sich stärken kann, bevor man mit dem Fahrrad weiter das Paradies erkundet.
Und nach all den Abenteuern hat man sich ein bisschen Erholung ja auch redlich verdient. Das Schöne ist: Auf den Seychellen ist ein Traumstand nie weit entfernt!