Blick in eine Porzellan-Manufaktur: Jeder Teller wird handgemalt. Das Auftragen der flüssigen Farbe erfordert große Sicherheit. Das typische Blau des Meissener Porzellans tritt übrigens erst durch den Glattbrand zu Tage. Fotos: Höltzcke
Von Inge Höltzcke
Behutsam lege ich die Porzellan-Tasse mit dem klassischen Zwiebelmuster in meine Hände, schlürfe daraus den warmen Kaffee und träume von meinem Kurzbesuch in Meißen. Es ist wie das Eintauchen in eine vergangene Welt.
Wer heute die pittoreske Stadt Meißen mit der berühmten Porzellan-Manufaktur an der Elbe besucht, begibt sich auf eine spannende Zeitreise durch mehrere Jahrhunderte. Dabei rankt sich die Erfolgsgeschichte des Meissener Porzellans vor allem um eine Person, den Alchimisten Johann Friedrich Böttger (1682-1719).
Mit ihm fing alles an. Er war es, der gemeinsam mit dem Mathematiker und Physiker Ehrenfried Walther von Tschirnhaus das bis heute streng gehütete Rezept der Porzellanherstellung erfand. Eigentlich war Böttger Zeit seines Lebens auf der Suche nach der Herstellung von Gold. Doch vergeblich. Dafür aber fand er die Rezeptur des sogenannten weißen Goldes. Die Rohstoffe waren Feldspat, Quarz und Kaolin. Die besondere Mischung brachte Böttger seinerzeit an den Hof von August den Starken (1670-1733). Der Kurfürst von Sachsen und König von Polen liebte das Prunk- und Prachtvolle, so auch das Porzellan aus China. Da kam ihm die Porzellanherstellung von Böttger gerade recht. Er förderte sie und stellte dem Alchimisten eine Werkstatt hoch oben auf der Albrechtsburg von Meißen zur Verfügung. Bis heute prägt diese das malerische Stadtbild von Meißen.
Unten im Tal entstand viele Jahre später die Porzellanmanufaktur. Sie ist bis heute erhalten. In ihren Räumen findet der Besucher ein Museum, eine Manufaktur, mehrere Vorführräume und natürlich auch einen Verkaufsraum.
Das Porzellan mit den beiden berühmten blauen Schwertern als Signatur erlebt bis heute eine magische Anziehungskraft. Wer kennt nicht das legendäre Zwiebelmuster in dem typischen Kobaltblau, bei dem Granatäpfel und Pfirsiche das Dekorband zieren. So mancher Porzellanliebhaber hütet den Schatz von ein paar Kaffeetässchen aus Großmutters Zeiten in seiner Wohnzimmervitrine.
Beeindruckende Kunstwerke aus Meissener Porzellan: ein barocker Kandelaber.Wer Originalteile aus dem Service nachkaufen möchte, kann dies hier in tun. Freilich nicht für ein paar Rappen. Aber dafür ist ja auch alles handgemacht, und das hat eben seinen Preis. Eine Kaffeetasse in Zwiebelmuster blau, erste Wahl, kostet immerhin 150 Euro. Ohne Untertasse wohlgemerkt. Die gibt es lediglich bei der zweiten Wahl für den gleichen Preis dazu.
Funktion und Ästhetik in Einklang zu bringen, das war seit jeher die Intention der Meissener Porzellanherstellung, die 1708 ihren Anfang nahm.
Inspiriert von dem chinesischen und japanischen Porzellan der ostindischen Handelscompagnie und der Bemalung der in blau gehaltenen Delfter Kacheln (Blaumalerei) schuf man hier das Meissener Zwiebelmuster.
In der Ausstellungsräumen der Manufaktur glitzert und funkelt es überall. Meissen steht nicht unbedingt für einfache und schlichte Formen. Die Bemalung ist auffällig, verschnörkelt, verspielt, bunt, oft mit Gold verziert. Eben barock. Das muss man mögen. Doch die Porzellanhersteller gehen mittlerweile nicht nur die konservativen Wege. Man produziert heute auch schlichte Formen und favorisiert eine dezente Bemalung.
Büste von Nelson Mandela.Da gibt es etwa modern geformte Kaffeebecher in weißem, lasierten Porzellan, verziert mit den beiden Schwertern, mal nicht in dem typischen Blau, sondern auch in Weiß. Wer aber glaubt, einen Meissen-Becher für ein paar Euro erstehen zu können, hat weit gefehlt. Der Preis liegt zwischen 50 und 100 Euro pro Exemplar.
Wer es übrigens so richtig prunkvoll mag, der kann sich hier kaum satt sehen an den bunten und reichlich mit Gold verzierten Sammeltassen. Inklusive Untertasse und Kuchen-Teller liegt der Einstiegspreis bei 650 Euro. Nach oben sind keine Grenzen gesetzt. Für 30.000 Euro ist gar eine Reproduktion der Saxonia zu erstehen. Eine Skulptur, die nach der Wende geschaffen wurde.
Das Original (unverkäuflich) der Porzellanfigur Saxonia steht im Eingangsbereich des Museums. Sie ist zwei Meter hoch. Ihr Kleid besteht aus 8000 handgefertigten Porzellanblüten. Geschaffen hat die "Botschafterin" Meissens Chefplastiker Jörg Danielczyk anlässlich des 25. Jahrestages des Mauerfalls.
Jehmlich-Orgel, bei der die Pfeifen aus Porzellan bestehen.Meissener Porzellan aus mehreren Jahrhunderten finden sich auf mehreren Etagen des Museums. Darunter prachtvolle Geschirre, Kannen, Service, Kandelaber, Leuchter und sogar Schmuck. Rund 33.000 Objekte umfasst die Sammlung. Eindrucksvoll ist auch die Büste von Nelson Mandela, aus Meissener Porzellan, Platin und Diamanten, geschaffen von dem Londoner Künstler Tom Rucker, der ein Fan des Friedensnobelpreisträgers war.
Meissener Porzellan ist eben doch nicht nur angewandte Ästhetik. Sie ist Kunst in vollendeter Form, mitunter sogar von politischer Aussagekraft.
Wer nach dem Rundgang durch das Museum ermüdet von so viel Kunst- und Kulturgenus ist und eine kleine Verschnaufpause braucht, ist im Café des Museums bestens aufgehoben. Dort gibt es köstliche Getränke und leckeren Kuchen, serviert, wie könnte es anders sein, mit echtem Meissen-Geschirr. Wie in vergangenen Zeiten. Und wieder einmal beginnt man zu träumen...